Mit Kameras gegen Freidenker

Historique

Ist es nicht schön, als Historiker einmal für ein Politmagazin schreiben zu können? Ich finde schon, denn unser Berufszweig kann grundsätzlich viel mehr Licht ins Dunkel der Politik bringen, als Sie sich vorstellen können. Mit geübtem Blick in die Vergangenheit lässt sich fast jede gegenwärtige Unsinnigkeit erklären.

Nehmen wir zum Beispiel einmal das Thema Überwachung etwas genauer unter die Lupe: Viele mögen sich fragen, ob es denn nun Sinn macht, unsere braven Bürger mit Kameras zu beobachten? – Ich weiss es! Es macht Sinn!

Schon im Mittelalter hätte man diese Technologie nämlich dringend gebrauchen können, als ein Schuft namens Bartle Keller – ein Freidenker im heutigen Sinne – sich aufmachte, um Schmähschriften gegen den damaligen Rat aufzuhängen.

Ohne Überwachung hat es damals ziemlich lange gedauert, ihm auf die Schliche zu kommen – zu lange leider. Der alte Fuchs hatte nämlich noch genügend Zeit gehabt, seine Frau zu schwängern. Der hochschwangeren Frau Keller konnte der Rat nun das Gnadengesuch fast nicht ausschlagen, denn man war ja dann doch nicht unmenschlich oder hatte (besser gesagt) einen politischen Ruf als Menschenfreund zu verlieren. Mittelalterliche Agendatreue sozusagen.

Und so mussten die Herren Politiker in der Folge mit Argwohn zuschauen, als der Bartle statt lebendig gevierteilt nur geköpft und darauf gevierteilt wurde.

Sie sehen also: Man hat aus der Geschichte dazugelernt. Es ist noch dazu ganz simpel. Alles, was wir brauchen, sind ein paar aufmerksame (künstliche) Augen mehr in unserer Stadt und kein Freidenker wird in Zukunft mehr die Zeit finden, seine Frau zu schwängern, bevor ihm der Prozess gemacht werden kann.

Macht doch Sinn – oder nicht?