Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle wären wir für die Zukunft gerüstet, behaupten die Befürworter dieser radikalen Idee.
Im letzten Frühling haben sich zehn Leute aus der ganzen Schweiz und mit unterschiedlichem politischem Hintergrund an einen Tisch gesetzt. Ihr Ziel ist, ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Schweiz einzuführen. Daniel Straub ist einer von ihnen: «Immer mehr Güter und Dienstleistungen werden heute in immer weniger Arbeitsstunden hergestellt», sagt der 42-jährige Luzerner. Dies habe zur Folge, dass die Volkswirtschaft wachse, während immer weniger Arbeit nachgefragt werde.
«Nun stossen wir aber an Grenzen: die Umwelt kommt nicht mehr mit, der Platz wird knapp, und viele Menschen verlieren die Orientierung im ganzen Überfluss», so der Grundeinkommensexperte. Die Wirtschaft solle aber dem Menschen nützen – und nicht umgekehrt. «Dank Wirtschaftswachstum werden wir immer mehr von der Arbeit befreit», erklärt Straub die Hintergründe, die zu dieser alternativen Einstellung führen. «Wir müssen grundlegend über die Funktion und die gesellschaftliche Rolle von Arbeit nachdenken», fordert der Innerschweizer, der Betriebswirtschaften und Psychologie studiert hat.
Illusion der Vollbeschäftigung
Das Verständnis von Arbeit war früher tatsächlich ein anderes. Voltaire sagte im 18. Jahrhundert, die Arbeit halte drei grosse Übel fern: die Langeweile, das Laster und die Not. Was zur Zeit der Aufklärung und Industrialisierung zur gängigen Moralvorstellung gehörte, ist heute in eine ernsthafte Krise geraten. In der postindustriellen Gesellschaft macht Arbeit krank. Stress, und Depression werden zu Volkskrankheiten, Mobbing nimmt zu. Viele Menschen sind dem Druck der Arbeit nicht mehr gewachsen. Parallel dazu steigt die Arbeitslosigkeit stetig an, so dass der Glaube an Vollbeschäftigung zu einer Wunschvorstellung verkommen ist, die mit der Realität nicht mehr viel zu tun hat. Jetzt taucht ein neues Gesellschaftsmodell auf: Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für jede Bürgerin und jeden Bürger.
Geht es nach den Ideen von Daniel Straub und seinen MitstreiterInnen, würde jedem monatlich ein fixer Betrag auf sein Konto überwiesen, unabhängig davon, ob er arm oder reich, Mann, Frau oder Kind, arbeitslos oder erwerbstätig ist. «Das Grundeinkommen soll reichen, um ein bescheidenes Leben führen zu können, das die Teilnahme an Gesellschaft und Umfeld ermöglicht», präzisiert Straub. Aktuell wäre dies wohl irgendwo zwischen 2’000 und 2’500 Franken. Bei den Erwerbstätigen würde das Grundeinkommen in den bestehenden Lohn hineinwachsen, die Renten der Sozialversicherungen würde das Grundeinkommen in seiner Höhe ersetzen. Berechnungen dazu gibt es bereits. «Und diese zeigen deutlich: Es geht.»
Urdemokratisch und grundliberal
«Wir stellen uns nicht gegen den Kapitalismus», betont Straub. Das Grundeinkommen habe auch nichts mit Kommunismus zu tun. Durch Fleiss, Glück, Begabung und Qualifikation sei auch weiterhin ein hoher Lebensstandard möglich. Das Grundeinkommen ebne das nicht ein, sondern schaffe viel mehr Chancen für alle. «Das Grundeinkommen ist das Gegengewicht zur einseitigen Verherrlichung des Leistungsbegriffs», bringt es der Grundeinkommens-Aktivist auf den Punkt. Somit ermögliche das Grundeinkommen auch Arbeit, deren Wert auf den ersten Blick nicht zu erkennen sei oder keinen monetären Gewinn abwerfe. Was Straub besonders wichtig findet: «Wenn man für das Nötigste nicht mehr zu sorgen braucht, dann sieht sich jeder unmittelbar mit der Frage konfrontiert, was er wirklich anfangen will mit seinem Leben, und wofür er bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Dies ist nicht nur urdemokratisch, sondern auch grundliberal.»
Man könne es drehen und wenden, wie man wolle, meint Straub: «Nicht die Arbeit ist es, die uns in Zukunft zusammenhalten wird, sondern das Potenzial, etwas aus sich, seinem Umfeld und der Gesellschaft zu machen. Die VertreterInnen der Gruppe rund um Straub halten das nur für möglich, wenn jeder frei von Existenzsorgen ist – «weil wir es uns leisten können».