«Weniger sinnlose Boni»

Die Befürworter suggerieren, dass alle Fachleute für die Senkung des Umwandlungssatzes (BVG) sind. Christoph Häberli, der Präsident der Pensionskasse des Baumeisterverbandes, widerspricht.

Vierzig Pensionskassenfachleute kämpfen gegen die Änderung des Mindestumwandlungssatzes. Christoph Häberli, weshalb stehen Sie als Stiftungsrat der Pensionskasse des Baumeisterverbandes öffentlich gegen die Senkung ein?

Christoph Häberli: Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass weder die Lebenserwartung stetig und linear zunehmen wird, wie dies die Rentensenkungs-Experten behaupten, noch dass die Renditeerwartungen tatsächlich über Jahrzehnte so tief sein werden wie in den letzten Jahren. Selbst die NZZ hat kürzlich geschrieben, dass nicht alle, sondern nur «eine Mehrheit» der ExpertInnen und StiftungsrätInnen für eine Senkung sei. Eine offizielle Abstimmung gab es meines Wissens aber nie. Der Experte unserer Pensionskasse ist beispielsweise anderer Meinung.

Wie kommen Sie zum Schluss, dass die Rendite höher ausfallen sollte?

Erinnert sei an den New-Economy-Hype Ende der 90er-Jahre. Damals behaupteten viele ‹Experten› auch, nun sei in der Wirtschaft alles anders als früher. Wenig später zeigte sich das klare Gegenteil. Die Ermittlung der möglichen Renditen mit vertretbarem Risiko wurde von der Na­tionalbank aufgrund einer Studie über mehr als 60 Jahre vorgenommen. Das ist daher zuverlässiger als Schätzungen aufgrund der letzten fünf Jahre.

Würde eine Senkung des Umwandlungssatzes ihre Arbeit als Stiftungsrat nicht enorm erleichtern? Sie könnten nach wie vor höhere Umwandlungssätze anwenden, diese aber nach Notwendigkeit senken.

Es besteht die Gefahr, dass die Kassen bei einem zu tiefen Umwandlungssatz zu viele Reserven aufbauen und nicht sinnvoll und rechtzeitig verwenden. Denn es entspricht gutschweizerischer Mentalität,­ überall Sicherheitspolster und Auffangbecken einzubauen.

Was ist schlecht an Reserven?

Die hohe Fluktuationsrate der Arbeitnehmer zwischen den Betrieben und damit zwischen den Kassen führt dazu, dass die Arbeitnehmer immer wieder Reserven für Kassen aufbauen, die sie bald wieder verlassen. Sie können selbst aber nie davon profitieren.

Zudem muss zuerst der Druck auf die viel zu teuren Sammelstiftungen der privaten Versicherungsgesellschaften erhöht werden. Diese wollen ja nur deshalb höhere Überschüsse generieren, weil sie davon einen fixen Anteil abschöpfen können. Dank sogenannter ‹Legal Quote› dürfen die Versicherungskonzerne 10 Prozent des Gewinns – zusätzlich zu den horrenden Verwaltungsgebühren und den überteuerten Risiko-Prämien – abschöpfen.

Was sähen Sie für Alternativen, um zukünftige Löcher in den Pensionskassen zu verhindern und trotzdem die Leistungen beizubehalten?

Die 2. Säule braucht dringend eine grundlegende Reform, damit zahlreiche Ineffizienzen ausgeräumt werden können. Am wichtigsten für mich ist, dass wesentlich weniger Geld sinnlos an Versicherungsgesellschaften und dort in Manager-Boni, sowie in Form von Beratungs- und Vermögensverwaltungshonoraren, an die Banken abfliessen. Die Bilanz hat kürzlich recherchiert, dass rund 8 Milliarden jährlich für Verwaltung, Provisionen und Bankgebühren draufgehen.
Dagegen sind die Ausfälle von 600 Millionen, mit welchen die Befürworter operieren, zu vernachlässigen. Bei einem Pensionskassenvermögen von 700 Milliarden Franken, entsprechen 600 Millionen dem Betrag, den die Pensionskassen am Nachmittag zwischen 15 und 16 Uhr an der Börse gewinnen oder verlieren. Bevor die Leistungen gekürzt werden, müssen alle Mittel zur Straffung der Organisation ausgenutzt werden.

BVG-Umwandlungssatz

Der BVG-Umwandlungssatz bestimmt bei Erreichen des Pensionsalters die Rente in Relation zum angesparten Alterskapital. Früher war der Umwandlungssatz bei 7,2 Prozent festgesetzt, was bedeutet, dass jemand mit 300’000 Franken Alterskapital Anspruch auf eine jährliche Rente von 21’600 Franken hatte (7,2 Prozent von 300’000.-).

Mit der BVG-Revision von 2004 wurde die schrittweise Senkung dieses Umwandlungssatzes bis 2014 auf 6,8 Prozent beschlossen, um der steigenden Lebenserwartung gerecht zu werden. Jetzt möchten Bundesrat und Parlament unter dem Druck der finanzmächtigen Versicherungslobby eine erneute Senkung auf 6,4 Prozent durchsetzen. Bei gleichem Alterskapital (300’000.-) bekäme man dann nur noch 19’200 Fanken Jahresrente. Eine Renteneinbusse, die für viele zukünftige BezügerInnen von kleinen Renten nicht verkraftbar wäre.

Deshalb haben die Gewerkschaften zusammen mit der Konsumentenpresse Saldo und K-Tipp das Referendum ergriffen.