Einmal Freiheit und zurück

Oberhalb von Krummenau liegt die Freiheit. Eine Wanderung.

Auch für die Frühlings-Ausgabe war die Lappi-Redaktion wieder für Sie in der Schweiz unterwegs. Diesmal nicht auf der Suche nach dem ultimativen Shopping-Vergnügen, sondern mit einem weit hehreren Ziel: Der Suche nach der Freiheit, genauer gesagt, dem Restaurant Sonne.

Nein, nicht irgendeine der unzähligen «Sonnen», sondern eben der «Landgasthof Sonne, Haus der Freiheit»: das Restaurant von SVP-Präsident Toni Brunner oberhalb von Krummenau im Toggenburg. Nicht über den Wolken gelegen – so frei ist selbst das Toggenburg nicht – aber immerhin auf halbem Weg in den Bendel auf der Kuppe.

Von Krummenau nach Wil fährt ein Zug pro Stunde. Der Fussweg über den Wintersberg in Richtung Sonne und weiter in den Bendel ist nur spärlich beschildert. Er führt über zwei Überführungen, und löst sich noch auf der zweiten in der Wiese auf. Viele Fussgänger sind hier nicht unterwegs. Man fährt. Man ist als Kind genug gelaufen. Den Wintersberg hinauf in die Schule, neben einem Bauernhof, am Abhang. Wenn ein Kind das andere auf dem Schulhof zu fest schubst, rumpelt es bis nach Ebnat-Kappel hinunter.

Abseits der Strasse steigt klischeehaft der Duft des Kuhdungs unsanft in die Nase. Es geht quer durch die zartgrünen Matten. Die Nachbarn halten alle schön Abstand, mindestens hundert Meter Distanz von Haus zu Haus. Wenn man nicht wüsste, dass die Sonne irgendwo auf dieser Matte läge, man würde sich die Freiheit nehmen, umzukehren.

Wir schwärmen aus und schon bald ruft einer von der nächsten Hügelkuppe, die Freiheit sei in greifbarer Nähe. Sie steht direkt an der Hauptstrasse. Es ist das Haus mit den meisten Parkplätzen davor und das einzige, das weiss angestrichen ist.

«Dörf me rauche?» Die Tische sind frisch abgeschliffen, die Luft frisch, kein Aschenbecher. «Aber nu Zigarette», sagt die Frau in Tracht mit einem breiten Lachen, setzt dann aber nochmals nach: «Nu Zigarette, wörkli. Sʼander verträg i überhaupt nöd.» Die mit Laptop und Strassenschuhen bestückten, jeanstragenden jungen Leute könnten sich auf dem Land ja doch etwas zu frei fühlen. Und sie setzt gleich noch eins drauf: Ab dem 1. Mai wird auch im «Haus zur Freiheit» überhaupt nicht mehr geraucht.

Aber noch ist es nicht soweit und man stürzt die grossen Biere à drei Dezilitern und trinkt den Wein – ausschliesslich von SVP-Winzern, wie einem auf der Speisekarte versichert wird. Die Stimmung ist gut, die Frau mit dem Lachen redet gerne und das Essen könnte währschafter kaum sein: Wurst-Käsesalat, Hörnli mit Siedwurst und Apfelmus, Älplermagronen, Rösti mit Spiegelei und Käse.

«Ir sind sicher Studente», traut sich der Bärtige, der mit seinem Sohn im blauen Sennenhemd am Nebentisch sitzt, dann doch noch zu fragen. «Gschtudiert sii, heisst no lang nid, dassme gschiid isch», sagt er. Man widerspricht, man macht ein Teileingeständnis, man ist offen, man macht ein paar Ausländerwitze. Die Stimmung ist gut – obwohl man sich als Student geoutet hat. Man gehört zwar nicht dazu, aber das spielt keine Rolle. «Die andere dött ene, die ghöred au nüm zum Toggenburg», meint der Bärtige übers Nachbardorf. Und wenn er vom schönsten Platz der Welt spricht, dann meint er nicht das Toggenburg, er meint auch nicht die Gemeinde Krummenau, sondern er meint genau diesen Fleck, die Matte auf dem Wintersberg.

Trotz der Redefreiheit und dem heimeligen Alpenpanorama aus Karton, das durch die Tür zum Sääli nebenan sichtbar ist, packen wir unsere Sachen und machen uns auf zum Bahnhof. Man weiss nie, es könnte der letzte Zug sein.