Während Säkularisierung im 18. Jahrhundert zu den Forderungen jeder progressiven Partei gehörte, scheint sich die Politik heute mit dem Erreichten zufrieden zu geben.
Das Thema Religion ist aktuell wie schon lange nicht mehr. Der Islam steht im Kreuzfeuer rechtspopulistischer Politiker, und die unter anderem durch den Staat finanzierte Katholische Kirche macht mit wenig rühmlichen Eskapaden ihrer Würdenträger Schlagzeilen. Trotzdem stehen weitere Schritte in Richtung Säkularisierung oder Laizismus politisch nicht zur Debatte.
Die SP begnügt sich damit, Demokratie in den Kirchen zu fordern. Der Vorstoss der JUSO-Führung, welche die Partei auf eine klare Linie verpflichten wollte, stiess nicht nur innerhalb der Mutterpartei, sondern auch innerhalb der JUSO selbst auf sehr gemischte Reaktionen. Die Grünen wollen sich gegen Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit einsetzen. Das Parteiprogramm der FDP schweigt sich über das Thema Religion aus.
Die CVP glaubt der Gleichbehandlung näher zu kommen, wenn Konfessionslose, die keine Kirchensteuern zahlen, stattdessen eine Atheistensteuer zu entrichten haben. Damit bleibt die Partei ihrer Linie treu, sich nicht aktiv für das Christentum einzusetzen, aber ständig zu unterstellen, dass Religiosität den Normalfall darstellt.
Lediglich bei der SVP finden sich markige Worte. Wenn die schweizerische Volkspartei davon spricht, sich jeglichem religiös-politischen Machtanspruch zu widersetzen, ist jedoch klar, dass nur der Islam gemeint ist. Von den christlichen Kirchen fordert die SVP, dass sie sich nicht in die Tagespolitik einmischt (insbesondere in Asylrechtsfragen). Als Wahrer der Tradition und Anbieter sozialer Dienstleistungen sind die Kirchen aber gerne gesehen und in so mancher Rede beschwören die Vertreter der Volkspartei die «christlich-abendländische Tradition».
Die Front zwischen Säkularisierern und Befürwortern der Privilegien bestimmter Religionsgruppen läuft nicht entlang der Trennlinie zwischen gläubig und ungläubig. Während Ungläubige eher dazu neigen, die Trennung von Kirche und Staat zu fordern, finden sich unter ihnen auch Vertreter mit der Ansicht, dass der Staat die Nähe der grossen Religionsgruppen suchen sollte, um zu gewährleisten, dass sie gemässigte Ansichten vertreten.
Ebenso finden sich unter den Gläubigen der Landeskirchen jene, die ihre religiöse Ausdrucksfreiheit durch die Notwendigkeit, es sich mit dem Staat nicht zu verderben, eingeschränkt sehen. Unter Vertretern der Freikirchen findet sich die Forderung nach Gleichbehandlung, das heisst nach dem Abbau der Privilegien der Landeskirchen, sogar relativ häufig.
Auch im Kanton Schaffhausen kam der einzige politische Vorstoss in den letzten zehn Jahren, der auf eine Entflechtung von Kirche und Staat abzielte, nicht aus der links-atheistischen Ecke, sondern vom ehemaligen SVP-Kantonsrat Charles Gysel. Er kritisierte in einer kleinen Anfrage von 2005, dass der Kanton den Landeskirchen jährlich etwa vier Millionen Franken auszahlt, über die sie frei verfügen können.
Gysels Ziel war es nicht, die Zahlungen an die Kirchen zu stoppen, sondern diese transparent zu gestalten und der demokratischen Kontrolle zu unterwerfen. Dazu schlug er vor, den jährlichen Pauschalbetrag durch Leistungsaufträge zu ersetzen. In ihrer Antwort stellt sich die Regierung auf den Standpunkt, dass mit einem Teil dieses jährlichen Betrags Dienste für die Öffentlichkeit abgegolten würden, dass aber aufgrund der Autonomie der Kirchen weder bestimmt werden darf, welche Leistungen die Kirchen zu erbringen haben, noch darf kontrolliert werden, ob Leistungen erbracht wurden, die diesen Betrag rechtfertigen.
In den letzten fünf Jahren griff die Politik das Thema nur in der Form von Symboldebatten auf. Der Streit um die Minarette hat es bis in die Verfassung geschafft. Der Streit um Kruzifixe in den Schulen hat Valentin Abgottspon, dem Präsidenten der Freidenker-Sektion Wallis, seinen Job als Lehrer gekostet. Die Freidenker fordern, dass die Politik klärt, in welchen Fällen die Religionsfreiheit Vorrecht vor den anderen Grundrechten hat. Denn wolle heute jemand seine Rechte gegenüber einer Religion einfordern, müsse er sich in die Öffentlichkeit stellen, soziale Repression erdulden und den beschwerlichen Weg durch die Justizinstanzen antreten.