Spagat für den Naturschutz

Natur- und Umweltschützer geraten sich über die wenigen geeigeneten Standorte für Grosswindkrafwerke in die Haare.

Im Konzept Windenergie Schweiz des Bundes (BFE, BUWAL und ARE) tritt Schaffhausen nicht als geeigneter Standort für Windkraftanlagen auf. Die nationale Windkarte unterstützt diese Einschätzung und verzeichnet für Schaffhausen durchschnittliche Jahreswindgeschwindigkeiten zwischen 3.5 und 4.5 m/s. Wenige Orte weisen Geschwindigkeiten bis zu 5.5 m/s auf. Generell können Grosswindkraftanlagen erst ab durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von 5 bis 6 m/s wirtschaftlich betrieben werden. Die Verfasser der Windpotentialstudie Kanton Schaffhausen kommen zum Schluss, dass Grosswindanlagen im Kanton wirtschaftlich betrieben werden können. Doch die möglichen Standorte liegen entweder im Wald oder in Gebieten, die im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) verzeichnet sind.

Bei Kleinwindanlagen, wie zum Beispiel bei der in Thayngen (Bild) von Robert Spichiger, ist die Situation weit weniger dramatisch. Diese sind was die Stromproduktion betrifft weniger relevant, dagegen sind die Konflikte mit dem Natur- und Heimatschutz deutlich kleiner. Spichigers Anlage ist in dieser Hinsicht besonders revolutionär: Die Bauweise mit vertikal angeordneten Rotorblättern verursacht praktisch keinen Lärm, produziert schon bei wenig Wind Strom und hat eine verhältnismässig geringe Höhe.

Bei einer maximalen Nutzung des Potentials im Kanton Schaffhausen, wenn man also auch Windenergieanlagen in Schutzgebieten oder im Wald bauen würde, könnten laut der Studie 70 Prozent aller Haushalte mit Strom aus Windenergie versorgt werden. Das ist jedoch kaum durchzusetzen. Umwelt- und Naturschutzverbände wehren sich regelmässig mit Verbandsbeschwerden gegen Eingriffe in die Landschaft.

Daher ist Nihat Tektas, Kantonalpräsident der FDP, der Ansicht, dass zuerst das Verhältnis zwischen Umweltschutz und Natur- und Heimatschutz bereinigt werden müsse. Er sagt: «Es kann nicht sein, dass sich gewisse Kreise für mehr Umweltschutz durch Förderung erneuerbarer Energien einsetzen, sich gleichzeitig aber aus Gründen des Natur- und Heimatschutzes dagegen wehren.» Deshalb fordert er eine Prioritätenordnung. Auch Markus Bührer, Präsident des Schaffhauser Jungfreisinns, fordert eine Klärung und weist darauf hin, dass sich seine Partei in der Vergangenheit dafür eingesetzt habe, dass man das Verbandsbeschwerderecht abschaffe. Das hätte unter anderem die Nutzung erneuerbarer Energien erleichtert.

Etwas weniger radikal sieht es SP-Präsidentin Martina Munz: «Die Windstudie hat gezeigt, dass allein mit Windenergie 70 Prozent der Haushalte mit Strom versorgt werden könnten.» Dabei legt sie Wert auf das «könnten». Sie wolle keinesfalls den Natur- und Heimatschutz bagatellisieren, hält aber fest, dass Standorte, nur weil sie in BLN-Gebieten liegen, nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden dürfen. Nach ihrer Ansicht sei der Einfluss von Windturbinen auf die Habitate der Tiere nicht vollständig geklärt. Und beim Heimatschutz verweist sie auf die Fernsehantennen, die vor Jahren die Dorfbilder verändert haben und stark umstritten gewesen seien: «Heute haben wir eine neue Technologie und die Antennen wurden vollständig entfernt.» Dass ein solcher Prozess bei Windturbinen ähnlich ablaufen könnte, ist für Munz denkbar: «Sobald es eine neue Technologie gibt, um alternative Energieformen zu nutzen, können die Windkraftanlagen, im Gegensatz zu Atomkraftwerken und den damit einhergehenden Endlagern, vollständig entfernt werden.» Für die SP-Präsidentin ist es auch nicht zwingend, dass alle vier potentiellen Standorte genutzt werden. Wenn man aber den Fokus auf einen Standort richten und dort ein Projekt umsetzen könnte, wäre in ihren Augen schon viel gewonnen. «Es gibt auch noch andere Formen erneuerbarer Energien – zum Beispiel Photovoltaikanlagen. Ein gesunder Mix kann die Wogen im Konflikt um Heimat- und Naturschutz sicher glätten.»

Stefan Kunz vom Rheinaubund kennt das Problem ebenfalls und meint: «Das ist wohl der grösste Spagat, den der Naturschutz in den nächsten Jahren machen muss.» Bei der Windenergie sieht er, obwohl er zugibt, dass er die aktuelle Studie für den Kanton Schaffhausen nicht kennt, ein geringeres Potential als bei der Photovoltaik. «Der Preis, den man für die Nutzung der Windenergie bezahlen müsste, ist aus naturschützerischer Sicht einfach zu hoch.» Dennoch ist er daran interessiert, dass die Nutzung alternativer Energien auch im Kanton Schaffhausen diskutiert wird.

Wenig offen für Diskussionen scheint Barbara Gehring, Geschäftsführerin des WWF, die als Einzige der angeschriebenen Naturschutzorganisationen auf die Anfrage des Lappis antwortete: «Der WWF wird sich zu gegebener Zeit zum Thema Windkraft im Kanton Schaffhausen äussern.» Wann dieser Zeitpunkt ist, bleibt offen. Eine solche Antwort trägt wenig zur Diskussion der anstehenden Probleme bei und der Naturschutz setzt sich immer härterer Kritik aus.