Warten bis die Hoffnung stirbt

Die zukünftigen SchaffhauserInnen warten und warten. Einbürgerungsgesuche liegen bei den Beamten oft Jahre auf dem Tisch, bevor der Pass ausgehändigt wird. Man gelobt Besserung.

Einen kleinen Posten im Budget 2011 wünschte sich AL-Kantonsrat und Bürgerrat Florian Keller für das Amt für Justiz und Gemeinden, damit die Einbürgerungen speditiver erledigt werden können. Das Budget für die Besoldung solle um 60’000 Franken erhöht werden. «Zurzeit haben wir im Bürgerrat vermehrt Einbürgerungsgesuche, die bereits zweieinhalb oder drei Jahre alt sind und somit verschleppt wurden», ärgerte er sich an der Debatte zum Staatsvoranschlag 2011. Die Gesuche, die von der Gemeinde über den Kanton zum Bund und wieder zurückgereicht werden, würden vor allem auf dem Hinweg zum Bund auf den kantonalen Bürotischen liegenbleiben. «Ausgerechnet beim Kanton, der in dieser Sache über die kleinsten Kompetenzen verfügt.»

Der zuständige Regierungsrat Erhard Meister wusste zwar von Engpässen im Amt für Justiz und Gemeinden, allerdings in anderen Bereichen. «Auf den von Florian Keller beschriebenen Zustand bin ich bislang von niemandem aufmerksam gemacht worden». Er könne deshalb auch keine Stellung beziehen, aber «wir werden hier über die Bücher gehen müssen und das auch tun». Der Antrag hatte aber keine Chance und wurde mit 36 zu 12 Stimmen abgelehnt.Die Kantonsratsdebatte fand im November statt.

Das Amt bezieht Stellung

Erhard Meister ist unterdessen Ex-Regierungsrat, ein Nachtragskredit ist nicht eingegangen und sein Nachfolger Ernst Landolt arbeitet sich gerade ins Amt ein. Selbst als liberaler SVP-Politiker wird sich Landolt hüten, als eine der ersten Amtshandlungen ein Anliegen der linken Ratsseite aufzugreifen.

Immerhin hat in der Zwischenzeit das Amt für Justiz und Gemeinden klar Stellung bezogen, wie es um die Einbürgerungsgesuche steht. «Wir diskutieren den Rückstand bei der Bearbeitung nicht weg», sagt Amtsleiter Andreas Jenni. «Bei uns erfüllt jede Person verschiedene Aufgaben, da kann es schon sein, dass es im einen oder anderen Bereich zu Rückständen kommt.» Die Spitzen abzufangen, sei deshalb nicht immer möglich. Jenni wehrt sich aber gegen die Darstellung von Florian Keller, dass der Kanton nur einen Verwaltungsakt vollziehe, bei dem ein Formular abgestempelt und durchgewinkt werde. «Wir prüfen unter anderem, ob die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt sind, ob die Dokumente vollständig sind (inklusive Überprüfung der korrekten Namen) und ob ein vereinfachtes Verfahren möglich ist. Die Verfahren sind teilweise sehr komplex, was dazu führen kann, dass die Bearbeitung länger dauert.» Offizielle Bearbeitungsfristen gibt es bei den Gesuchen nicht. Allerdings meint Jenni: «Beim Amt für Justiz und Gemeinden sollte ein Gesuch innert drei Monaten behandelt werden und insgesamt innerhalb eines Jahres über die Bühne gegangen sein. Diese Gesamtdauer liegt aber nicht allein in unserem Zuständigkeitsbereich.»

«Man fühlt sich nicht willkommen»

Die Diskussionen im Kantonsrat hat der Dörflinger Faton Topalli verpasst, aber der Fall ist seiner Meinung nach klar. «Wenn es eine administrative Frage ist, stellt man Leute ein, bis die Pendenzen erledigt sind.» Er hat mehr als zwei Jahre auf seine Einbürgerung gewartet und hat wenig Verständnis für die Dauer der Bearbeitung. «Wenn man so lange warten muss, hinterlässt das den Eindruck, dass man eigentlich gar nicht willkommen ist.»

Topalli kam 1983 in die Schweiz und entschloss sich nach zwölf Jahren, ein Einbürgerungsgesuch zu stellen. «Ich wollte das Recht haben, politisch tätig zu sein und wählen zu dürfen. Ich fühle mich integriert.» Zwölf Jahre lang muss man mindestens in der Schweiz gewohnt haben, ehe man ein Gesuch stellen kann; die Zeit zwischen dem 10. und 20. Geburtstag zählt doppelt. Die Einbürgerung selbst dauert dann ebenfalls. «Ich habe mich bereit erklärt, aber die andere Seite zögerte», sagt er und meint dabei die kantonalen Stellen. Ansonsten habe er den Umgang mit den Behörden als sehr angenehm empfunden. «Für die Wartezeit aber sah ich keinen Grund und es gab nie eine Erklärung. Da beginnt man sich zu fragen, woran das wohl liegen mag.» Die Ungewissheit darüber, weshalb es zu den Wartezeiten gekommen war, sei das Schlimmste gewesen. «Man kann ja oder nein sagen. Aber einfach so lange zu warten, das geht nicht.»

Ähnliches ist auch einer anderen Gesuchstellerin passiert, die beinahe drei Jahre auf ihren Bescheid wartete und anonym bleiben möchte. Sie hat sich im Januar 2008 angemeldet. «Dann ging alles sehr schnell bis im September und wir freuten uns auf die Staatsbürgerschaft», sagt sie. Doch ab September herrschte Funkstille. Erst im April 2010 schickte der Kanton das Gesuch schliesslich zum Bund. Weshalb es zu den Wartezeiten kam, das wurde ihr nicht mitgeteilt. Sie hatte die Hoffnung zwischenzeitlich aufgegeben. Beim Bund dauerte es dann gerade einmal einen Monat und das Gesuch wurde zurück nach Schaffhausen geschickt. Erst im September 2010 erhielt sie auf Nachfrage Bescheid, wie es um ihre Einbürgerung steht. Dann wurde ihr Gesuch nochmals verschoben, diesmal allerdings in der Stadt und nicht von den kantonalen Ämtern, bevor hat sie das Bürgerrecht dann Ende letzten Jahres doch noch erhielt. «Meine Söhne erhielten das Bürgerrecht schon im August, weil es bei diesen angeblich nach Gesetz schneller gehen muss», meint sie und fügt an, dass von der Freude nicht mehr viel übrig geblieben sei.

Mehr Stellenprozente für das Amt

«Eventuell sollten mehr Stellenprozente für die Behandlung von Gesuchen verwendet werden, was aber nicht unbedingt eine Aufstockung der Pensen bedeutet», sagt angesichts der Verzögerungen SVP-Grossstadträtin Cornelia Stamm-Hurter. Sie ist Mitglied des Bürgerrats, in welchem die Einbürgerungsgesuche der Stadt behandelt werden. «Dies kann auch durch eine interne Umlagerung der Arbeitspensen erreicht werden.» Sie erklärt, dass einzelne Gesuchsteller noch etwas länger warten müssten, weil der Bürgerrat der Stadt Schaffhausen pro Jahr etwa drei Mal tage, damit möglichst viele Gesuche gemeinsam behandelt werden könnten. Dies bedeute eine Kostenersparnis. Die Verzögerungen würden sich im Extremfall aber auf zwei bis drei Monate belaufen. Es kann also auch in der Stadt zu Verzögerungen kommen, worauf sich die Wartefristen kumulieren. Nur über den Bund beschwert sich niemand.

Das Warten kostet

2000 Franken kostet die Einbürgerung, die Hälfte erhält der Kanton. «Wer diese hohe Gebühr entrichtet, hat Anspruch auf eine speditive Erledigung», meint darum Florian Keller. Faton Topalli geht noch weiter: «Lieber hätte ich dreitausend oder fünftausend Franken bezahlt, wenn ich dafür eine rasche Antwort erhalten hätte.»

Die Gesuche steigen seit einigen Jahren stetig an. Im Jahr 2008 wurden 146 Bürgerrechte erteilt, 2009 waren es 192 und im letzten Jahr 210. Beim Amt für Justiz und Gemeinden gelobt man dennoch Besserung. «Die Pendenzen wachsen momentan nicht an, sondern sind praktisch abgebaut», so Andreas Jenni. «Deshalb wäre es unverhältnismässig, die Stelle aufzustocken. Falls die Pendenzen wieder steigen würden, müsste man die Aufgabe allenfalls intern auf mehrere Personen verteilen, die Aufgabenzuteilung generell prüfen, oder andere Geschäfte etwas zurückstellen.»

Damit könnten sich die Probleme von selbst auflösen – wenn alles gut geht.