«Das Amt gefällt mir nach wie vor»

Ratlosigkeit bei Stadtrat Urs Hunziker (FDP): Nach der erneuten Ablehnung der Schul­leitungen steht er vor einem Scherbenhaufen – Patentlösungen gibt es keine.

Herr Hunziker, nach dem kantonalen Nein zu den Schulleitungen stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Die Schulleitungen wären für viele Projekte wie integrative Schulformen oder die gegliederte Sekundarstufe I die Voraussetzung gewesen.

Urs Hunziker: Ich würde es nicht als Scherbenhaufen bezeichnen. Aber es ist schon sehr ärgerlich. Wenn wir die Schulleitungen hätten einführen können, dann gäbe es sehr viel weniger Probleme.

Erneut sind die Schulleitungen mit einem eher knappen Resultat gescheitert. Bei der letzten Abstimmung – 2008 in der Stadt Schaffhausen – waren es auch Mitglieder aus Ihrer Partei, die sich gegen die Schulleitungen stellten. Konnten Sie die eigenen Mitglieder nicht überzeugen, wie wichtig Schulleitungen sind?

Die Gegenwehr kam nicht nur aus den Reihen unserer Partei, sondern vor allem von der SVP. Das hat dazu beigetragen, dass die städtische Abstimmung gescheitert ist. Am meisten enttäuscht mich, dass dieselben Leute, die damals auf den Kanton warten wollten, jetzt – als der Kanton diesen Schritt machen wollte – erneut gegen die Schulleitungen waren.

Vom Kanton gibt es nun kein Geld für die Schulleitungen. Der Stadtrat hat nicht überzeugt. Lag es an zu schlechter oder zu wenig Öffentlichkeitsarbeit, dass die Bevölkerung die Vorlage abgelehnt hat?

Die Gegner hatten viel mehr finanzielle Mittel, um Anti-Werbung zu machen. Sie sind auf dem Stichwort Bürokratie herumgeritten und haben gebetsmühlenartig Behauptungen aufgestellt, die man ganz klar widerlegen kann. Wenn man mit einer solchen PR-Maschinerie auffährt, sind wir chancenlos. Ich weiss nicht, was die für ein Budget hatten, aber unseres im Pro-Komitee war relativ bescheiden.

Im Abstimmungskampf war auch ihre Jungpartei nicht gerade förderlich.

Nein, natürlich nicht. Das ist auch ein Ärgernis.

Die Vorlage zu den Schulleitungen lag schon seit 2004 vor. Damals wartete man allerdings auf die Schulgesetzrevision des Kantons. Wieso hat Schaffhausen die Schulleitungen angesichts der jetzigen Probleme nicht wie viele andere Gemeinden auf eigene Kosten eingeführt?

Wir hatten das Gefühl, der Kanton ziehe jetzt nach. Der Stadtrat empfahl deshalb, zu warten, und der Grosse Stadtrat folgte unserer Empfehlung. Das war ein demokratischer Prozess. Nachdem das Kantonale Schulgesetz gescheitert war, arbeiteten wir blitzartig eine Vorlage aus. Die Bevölkerung hat dann aber anders entschieden.

Das Thema Schulleitungen hatte erst zusammen mit dem umstrittenen Schulgesetz zu heftigen Diskussionen und Skepsis in der Bevölkerung geführt. War es ein Fehler, dass man zuwartete?

Nein, ich denke, es hätte sich nichts geändert.

Wie geht es ohne Schulleitungen weiter?

Wir haben eine vorbereitende Arbeitsgruppe gebildet und werden jetzt prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, um die Problemstellungen anzugehen.

Werden Sie nun die Pensen der Stadtschulräte massiv aufstocken, damit diese die Aufgaben übernehmen können, die eigentlich von den Schulleitungen hätten gemacht werden sollen?

Es gibt zwei Varianten: Man kann das Gremium von acht auf elf oder dreizehn Personen aufstocken oder die Mitglieder müssen höhere Pensen erhalten. Für mich ist aber keine der beiden Varianten befriedigend. Bei der ersten Variante hätten wir ein riesiges Gremium, das meiner Auffassung nach zu gross wäre. Die Pensenaufstockung wiederum birgt die Gefahr, dass man mit einem 40-Prozent-Pensum vielen, die am Schulwesen interessiert sind, wegen des zeitlichen Aufwandes die Möglichkeit nimmt, sich überhaupt für ein solches Amt zu bewerben.

Eine intelligente Lösung gibt es also nicht. Wir sind in einer Patt­situation.

Das kann man so sagen.

Kommt eine weitere Abstimmung in der Stadt über die Einführung der Schulleitungen noch in Frage?

Das Thema ist für mich in dieser Form vom Tisch, nachdem die Stadt und jetzt auch der Kanton die Einführung abgelehnt hat. Es wäre eine Zumutung für den Stimmbürger, wenn wir nochmals mit der gleichen Vorlage kämen. Wir müssen sicher Massnahmen ergreifen, aber es kann nicht sein, dass wir die Schulleitungen jetzt über die Hintertür einführen.

Das heisst, es wird dabei bleiben, dass die Stadtschulräte beispielsweise gar nicht rechtzeitig vor Ort sein können, wenn es zu Problemen kommt.

Nein, da werden wir sicher andere Lösungen suchen müssen. Wir müssen uns überlegen, ob wir das Pensum der Stadtschulratspräsidentin aufstocken wollen. Damit wäre jeden Tag eine Ansprechperson da, was die Situation ein Stück weit entschärfen könnte. Alternativ könnte man prüfen, ob wir Aufgaben trotz der abgelehnten Schulgesetzrevision an Vorsteher delegieren können.

Man muss also doch so etwas wie Schulleitungen light einführen und Kompetenzen an die Vorsteher delegieren, ähnlich wie es auch bei den Schulleitungen vorgesehen war. Gerade das hatte aber im Vorfeld der Abstimmung für Gesprächsstoff gesorgt.

Nein. Man muss prüfen, was man im Rahmen der geltenden gesetzlichen Grundlagen wie dem Schulgesetz, der Vorsteherverordnung oder dem Gemeindegesetz machen kann. Es kann auch dabei herauskommen, dass man nichts delegieren kann.

Eines der Probleme ist das Lehrerqualifikationssystem (LQS). Dieses Verfahren genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.

So wie der Stadtschulrat jetzt aufgestellt ist, ist er kaum in der Lage, seine Führungsaufgaben vollumfänglich wahrzunehmen. Es gibt manchmal Notfallsituationen, die ein Schulratsmitglied intensiv beschäftigen. Das beansprucht die Kapazitäten und Ressourcen dieser Mitglieder derart, dass es tatsächlich kaum möglich ist, die Qualifikationen zu machen. Ich will die Probleme aber nicht auf das LQS reduzieren, auch die Personalsituation ist in den letzten Jahren sehr anspruchsvoll geworden.

Weshalb das?

Wir haben kaum mehr Lehrpersonen, die zu 100 Prozent unterrichten. Heute schliessen sie ihre Ausbildung mit einer Lehrberechtigung für sieben Fächer ab. Das erfordert einen höheren Koordinationsaufwand, den man nicht unterschätzen darf. Es führt auch ab und an zu Friktionen zwischen Stellenpartnerinnen und Stellenpartnern, wo wiederum der Stadtschulrat gefordert ist.

Das verschärft ja das Problem noch.

Genau.

Auch integrative Schulformen (ISF) lassen sich nun nicht flächendeckend einführen und bei der gegliederten Sekundarstufe I sieht es ebenfalls nicht besser aus. Ist die städtische Bildungspolitik nun total blockiert?

Die integrativen Schulungsformen können wir ohne Schulleitungen sicher nicht flächendeckend einführen. Mittlerweile spüre ich aber, dass die Euphorie für ISF gesamtschweizerisch rückläufig ist. Auch bei der gegliederten Sekundarstufe I wären Schulleitungen sicher sinnvoll, da diese einen erhöhten Verwaltungsaufwand bedeuten. Aber auch hier ist man beispielsweise im Kanton Zürich eher skeptisch geworden.

In den Gemeinden Schleitheim, Neuhausen, Hallau, Wilchingen, Thayngen, Stein am Rhein und Beringen wurden hingegen sowohl Schulleitungen als auch weitergehende Projekte eingeführt. Ist da Schaffhausen nicht zu wenig innovativ?

Der Vorwurf, wir seien nicht innovativ, ist fehl am Platz. Wir hatten in verschiedensten Bereichen eine Schneepflugfunktion. Zum Beispiel bei der musikalischen Grundbildung oder den Mini-Blockzeiten, die vom Kanton in ähnlicher Form übernommen worden sind.

Gefällt Ihnen Ihr Amt oder ziehen Sie bei einer Wiederwahl im Herbst ein anderes Referat in Betracht?

Das Amt gefällt mir nach wie vor. Natürlich beschäftigt uns, dass die Abstimmung um die Schulleitungen gescheitert ist. Die Freude am Beruf hat darunter aber gar nicht gelitten, ein Referatswechsel kommt für mich nicht in Frage. Ich bin in meinen beiden Referaten personell gut aufgestellt und ich habe meine Läden so «büschelet», wie ich es möchte. Herausforderungen gibt es überall.