Fussball und Kneipen sind in Deutschland unzertrennlich. In Schaffhausen gibt es auch Beizen, in denen Fussball gross geschrieben wird: Zum Beispiel das Centro Andaluz und die Colonia Libera.
Italien, Weltmeister 2006. Spanien, Europameister 2008, Weltmeister 2010. Brasilien? Argentinien? Nichts da. Die Südeuropäer dominieren das Spiel mit dem runden Leder. Wer sich die Spiele in Schaffhausen in authentischer Atmosphäre anschauen möchte, der sollte das Centro Andaluz oder die Colonia Libera besuchen.
«Goooaal! Goal, Goal, Goal, Barcelonaaa!» Der Kommentator des spanischen Fernsehens flippt aus, als Dani Alves, der brasilianische Aussenverteidiger der Katalanen, die Kugel nach einem Freistoss von der Seite volley in die entfernte obere Torecke drischt.
Während die Barcelona-Fans jubeln, haut ein Anhänger von Real Madrid mit der Faust auf den Bartresen. Andere lassen spanische Schimpftiraden los. Der Erzfeind führt zwei zu null. Und das in diesem Match, dem Spiel aller Spiele, FC Barcelona gegen Real Madrid, «el clásico».
Das Centro Andaluz ist gut gefüllt an diesem Abend. Die Mischung zwischen den SupporterInnen von Real und jenen von Barca ist ausgeglichen. Die Stimmung angespannt, aber friedlich, ganz im Gegensatz zum Spiel auf dem grünen Rasen, wo sich die rüden Fouls mit dem Fortschreiten der Matchuhr häufen. Eigentlich hätte das
Centro Andaluz heute geschlossen. Aber heute ist eben kein normaler Tag. Wenn in Spanien Fussball gespielt wird, versammeln sich Fans des runden Leders auch unter der Woche im Lokal an der Schlagbaumstrasse 6, das sonst nur von Freitag bis Sonntag geöffnet ist.
Der Mann hinter dem Bartresen ist José Rosado. Seit 20 Jahren ist er Mitglied im Verein Centro Andaluz, der das gleichnamige Lokal betreibt. Er erzählt, dass der Verein vor ungefähr 35 Jahren von Spaniern gegründet wurde, die als Gastarbeiter in die Schweiz kamen: «Viele von ihnen haben die Familie in Spanien zurückgelassen. Im kleinen Kreis unter Landsmännern konnten sie sich ein Stück Heimat erhalten und Freuden oder Sorgen miteinander teilen.» Von einem Ort, wo die SpanierInnen unter sich sein konnten, hat sich das Centro Andaluz aber im Verlauf der Jahre zu einem Lokal gewandelt, dessen Türen für jeden geöffnet sind. Dementsprechend setzt sich die Mitgliedschaft mittlerweile nicht mehr nur aus Spaniern zusammen, sondern auch aus SchweizerInnen, TürkInnen, ItalienerInnen. Aktuell hat der Verein ungefähr 150 Mitglieder. Sie kommen in den Genuss von Festen wie dem «DÃa de AndalucÃa» und dem Flamencoabend, der jährlich in der Kammgarn stattfindet.
Der Betrieb des Lokals ist ein Hobby der Vereinsmitglieder. Am Wochenende treffen sich viele von ihnen im Centro Andaluz. Dazu gesellen sich aber jedes Wochenende auch eine grosse Anzahl Gäste, die nicht dem Verein angehören. José Rosado schätzt ihre Zahl auf etwa achtzig Prozent. Viele davon kommen schon seit Jahren regelmässig am Freitag oder Samstag zum Abendessen. Die Speisekarte des Restaurants ist vielfältig und beinhaltet spanische Spezialitäten wie Paella und Tapas ebenso wie Fisch und Fleisch. Dazu gibt es spanisches Bier und einen verblüffend guten Hauswein. Und den Fussballfans sei gesagt: Der nächste «clásico» kommt bestimmt.
Die Fussballbegeisterung kennt natürlich auch in Italien keine Grenzen. Die Schaffhauser Sektion des italienischen Vereins Colonia Libera zeigt alle Spiele der italienischen Meisterschaft, der Nationalmannschaft und der Champions League in ihrem Lokal am Birchweg auf Grossleinwand. Wer sich dorthin aufmacht, der trifft mit Sicherheit auf ältere Senioren beim Boccia-Spiel, denn der Verein teilt sich die Räumlichkeiten mit dem Boccia Club.
Präsident der Schaffhauser Colonia Libera, die 1944 ins Leben gerufen wurde, ist Michele Iacicco. Er erklärt, dass es in der Schweiz 52 Gruppen des Vereins Colonia Libera gibt. Die erste entstand 1925 in Genf, gegründet von Antifaschisten, die aus Italien geflüchtet waren. Heute ist der Hauptsitz des Vereins in Zürich. «Präsident von allen Colonie Libere ist Claudio Micheloni, der auch von den Auslanditalienern zum Senator gewählt wurde», erzählt Michele Iacicco.
Die Schaffhauser Gruppe zählt derzeit ungefähr 200 bis 220 Mitglieder. Dazu gehört seit über 60 Jahren eine eigene Fussballmannschaft, die bei der Spielvereinigung integriert ist. Ein fester Bestandteil des Vereinslebens sind diverse Veranstaltungen wie die «Festa della mamma». Am Muttertag offeriert der Verein allen Müttern ein selbst gekochtes Essen, ob sie nun Mitglied sind oder nicht. Ausserdem wird im Oktober jeweils das Kastanienfest «Castagnata» gefeiert. An diesem Tag rösten die Mitglieder des Vereins selber Marroni und organisieren eine Tombola. Eine weitere Dienstleistung, die der Verein seit vielen Jahren anbietet, ist die Hilfe für italienische BürgerInnen bei Problemen aller Art mit den Behörden. Der Kontakt der Colonia Libera zur offiziellen Vertretung Italiens in der Schweiz ist äusserst intensiv.
Wer dem Verein beitreten will, muss aber keinesfalls Italiener sein. Genauso wie der Verein ist auch das Lokal vom Dienstagabend an für alle offen. Neben einer Bar, die der Verein bewirtschaftet, hat er in den Räumlichkeiten am Birchweg auch Billardtische eingerichtet. Und wer nach dem Boccia- oder Billardspielen Hunger bekommt, kann bei frühzeitiger Anmeldung sogar eine Portion Spaghetti bestellen.
Allerdings hat der Verein in letzter Zeit etwas Mühe mit dem Nachwuchs. Michele Iacicco wünscht sich, dass mehr junge Leute dem Verein beitreten. Das sei jedoch schwierig: «Die Jungen sind mittlerweile so gut integriert, dass sie kein Interesse mehr an einem italienischen Verein haben. Sie sind praktisch Schweizer und keine Italiener mehr.» Das scheint den Präsidenten doch ein wenig zu schmerzen, besonders wenn er an die geliebte Fussballmannschaft denkt, die Verstärkungen dringend gebrauchen könnte, dümpelt sie doch mittlerweile wenig erfolgreich in der fünften Liga umher. Das ist wahrlich ein Graus für jeden Italiener.