Gelegenheit Macht Braun

Filmverführung

Der ungarische Regisseur István Szabó (geb.1938), überlebte die wahndeutsche Endlösung im Versteck bei Freunden, soll in seiner Studienzeit im «Gulaschkommunismus» der 50er-Jahre Spitzel der ungarischen Geheimpolizei gewesen sein. In den 60ern und 70ern inszenierte er zahlreiche Filme in seiner Heimat und hatte schliesslich 1980 einen Achtungserfolg mit der deutschen Produktion «Der Grüne Vogel».

Dies ebnete den Weg für eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem aufstrebenden Klaus Maria Brandauer, der zuvor hauptsächlich in TV-Serien und Fernsehspielen in Erscheinung getreten war. Gemeinsam zeichneten sie Portraits von Menschen unter Zwang, von Rädchen im System, von Opportunisten, von Rebellen und vom Scheitern unter Staatsgewalt.

FRANK KAY WINDELBAND ist Barkeeper in der «Schäferei». Seine Leidenschaft ist die Cinematografie. Frank besitzt über 6’000 Filme, ausgewählte Perlen zeigt er monatlich anlässlich der «Camera Obscura» im TapTab.

«Mephisto» aus dem Jahre 1981 bildete den Auftakt dieser Allianz. Ein erschreckendes Bild eines ehrgeizigen Schauspielers im Deutschland unter Hitler ist die Darstellung des Hendrik Höfgen, oder aber, nennen wir das Kind beim Namen, Gustaf Gründgens. Der grosse Schauspieler und dessen Umgang mit Kunst, Politik und Macht. Ehrgeizig, opportunistisch, feige und zutiefst menschlich – eine Tour de force für Brandauer und Zuschauer und eine bedrückende Parabel. Die Romanvorlage von Klaus Mann erschien 1936 im Exil und wurde in der BRD erst 1981 aufgelegt.

«Hanussen» (1988) greift erneut das Thema des Emporkömmlings auf, der sich an der Sonne des 1000-jährigen Reiches die Flügel versengt. Nach einer Kopfverletzung scheint Klaus Schneider die Gabe der Hellsicht zu haben. Er nennt sich fortan Erik Jan Hanussen, wird anfänglich als Hochstapler gerichtlich belangt und sagt bald darauf die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler voraus. Da die Nazis für Okkultismus recht empfänglich sind, steigt er trotz jüdischer Herkunft zum persönlichen Wahrsager des Reichskanzlers auf. Die Vorhersage des Reichstagsbrandes lässt ihn aus der Gnade fallen, kurz darauf wird er durch die SA ermordet.

Das Thema des Opportunismus hat Szabó in «Der Fall Furtwängler» (2001) erneut aufgegriffen, jedoch auch denen, die sich wehrten, eine Stimme gegeben: «Oberst Redl», 1985, erneut mit Brandauer. Dieser inszenierte 1989 mit «Georg Elser – Einer aus Deutschland» die Hintergrundgeschichte des Münchner Hitler-Attentates 1939. Weitere Filmtipps zum Thema: «Das Spinnennetz» (Bernhard Wicki, 1988), «Jud Süss – Film ohne Gewissen» (Oskar Roehler, 2010) oder die 1960er «Faust»-Inszenierung am Hamburger Schauspielhaus – zu der Zeit hatte Gründgens den Mephistopheles bereits über 600 Mal gespielt.