«Jetzt kann man die Stadt räumen»

Die Stadt plante vor dreizehn Jahren, die autofreie Zone in der Altstadt auszuweiten. Der VCS kämpft noch heute dafür. Ein Spaziergang mit Vorstandsmitglied Felix Schweizer.

Hinter uns brummt der Verkehr, die Ampeln stehen auf Grün. Oben am Turm mahnt einer die Lappis dieser Welt zur Vorsicht. Wir wenden uns ab und gehen die Vorstadt hoch. Vor uns, bei der Kantonalbank, kamen die Autos vor dreissig Jahren den Fussgängern noch entgegen, zwischen den Geschäften an der Vorstadt hindurch, vom Fronwagplatz her.

«Ich habe das Lamento des Gewerbes mitbekommen, als die Fussgängerzone eingerichtet wurde», sagt Felix Schweizer. Das Vorstandsmitglied der Schaffhauser Sektion des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) hat damals das Für und Wider mitbekommen, und setzt sich heute selbst für die Fussgängerzonen ein. «Man könnte die Parkplätze in der Stadt jetzt räumen», sagt er.

Wenn es nach ihm ginge, würden Strassencafés ihre Stühle auf dem Kirchhofplatz oder dem Platz ausbreiten und beim Münsterplatz gäbe es ein breites Trottoir und Platz zum Flanieren. Jetzt könnte seine Hoffnung in Erfüllung gehen, denn es gibt konkrete Pläne, die vor 13 Jahren an einem runden Tisch ausgearbeitet wurden und schliesslich in vier Szenarien in den «Richtplan Parkierung» der Stadt aufgenommen wurden. In sämtlichen Szenarien verschwinden alle 47 Parkplätze auf dem Platz und in der Krummgasse, 44 Parkplätze auf dem Münsterplatz und beim Münster, und in drei Szenarien sollen auch 43 Parkplätze auf dem Kirchhofplatz verschwinden. Das würde den Wünschen von Felix Schweizer schon sehr nahe kommen. Doch heftiger Widerstand ist absehbar.

Wir haben die Fussgängerzone erreicht. «Der äussere Teil der Stadt serbelt seit Jahren», sagt er und zeigt zurück in Richtung Schwabentor. «Das Geschäft floriert nicht, denn die Leute sind zum Einkaufen zu Fuss unterwegs.» Kinderwagen, Einkaufstaschen und viele Leute. Es wird enger, je näher man dem Fronwagplatz kommt. Auf dem Platz kreisten früher die Autos, vor dem Fielmann, damals die Papeterie Klingenberg, hielt der Bus. Die Fussgängerzone in Schaffhausen wurde 1972 eingeführt und hat sich seitdem kaum verändert. Die Läden am Fronwagplatz fürchteten wegen der Fussgängerzone erst um Ihre Kundschaft, heute ist er das beliebteste Pflaster in der Stadt.

Wir haben die besetzten Stuhlgarnituren vor dem Santa Lucia, dann den Eisstand passiert und sehen die Vordergasse hinunter. Zur sogenannten «Praliné-Schleife», ein von Autos befahrener Gassenabschnitt, der auch nach der Einführung der Fussgänerzone noch einige Jahre lang von der Bachstrasse aus bis zum St. Johann und wieder zurück reichte. Die Konditoren hatten sich vehement gegen die Fussgängerzone gewehrt. «Einige Geschäfte hatten Angst, dass sie verhungern», meint Schweizer leicht amüsiert. «Die Fussgängerzone ist aber bis heute ein Riesenerfolg.»

Wir gehen nicht die Vordergasse hinunter, sondern in Richtung Münsterplatz. Mehr Strasse als Platz. Im Richtplan ist vorgesehen, die Parkplätze auf der Insel vor dem Restaurant Thiergarten zu entfernen und entlang der Strasse mehr Platz für die Fussgänger zu schaffen. Noch macht die Häuserzeile links einen abgestorbenen Eindruck. Kein Laden, keine Beiz.

Aus Felix Schweizers Ausführungen spricht dennoch keine freudige Erwartung. Er weiss über die Projekte Bescheid, aber er macht sich auch Gedanken über deren Umsetzung. Denn der Richtplan, der die Aufhebung beinhaltet, soll überarbeitet werden. Und darauf ist er nicht gut zu sprechen. «Man müsste den Richtplan nicht neu erfinden», sagt er. Felix Schweizer sass für den VCS vor dreizehn Jahren zusammen mit 51 weiteren Vertretern der Politik, des Gewerbes, des Naturschutzes und weiteren Verbänden am runden Tisch zur Parkraumplanung. «Der Richtplan, der daraus resultierte, ist eine wunderbare Arbeit.»

Darin wurde unter anderem festgehalten, dass eine Aufhebung der Parkplätze in der Altstadt umgesetzt wird, wenn als Ersatz neue Plätze in zentrumsnahen Parkhäusern gebaut worden sind. «Dieser Tatbestand ist jetzt erfüllt», sagt Schweizer. «Die Anlage auf der Bleiche hinter dem Bahnhof ist riesig.» Doch so richtig überzeugt klingt er nicht.

«Es zeichnet sich ein Wortbruch ab», meint er. Auch für diesen Richtplan soll ein runder Tisch gebildet werden, allerdings mit weniger Mitgliedern. Man habe angeboten, dass die IG Velo gleich auch den VCS vertreten könne. Schweizer hat seine Teilnahme abgesagt, für ihn ist das VCS-Vorstandsmitglied Martin Jung eingesprungen.. «Wir streiten wieder um jeden einzelnen Parkplatz, obwohl wir am runden Tisch einen breit gestützten Konsens gefunden hatten», sagt Schweizer.

Im Abschlussbericht dieses runden Tisches heisst es: «Angestrebt werden Umgestaltungen der innerstädtischen Plätze.» Und das wurde auch im Richtplan aus dem Jahr 2001 so festgehalten. «Dass jetzt der Richtplan einfach überarbeitet wird, ist ein durchsichtiges Manöver», sagt Schweizer. «Das Vorgehen lässt nur eines vermuten.» Er geht davon aus, dass die Parkplätze auf den innerstädtischen Plätzen nun doch bleiben sollen, wie sie sind.

Die Bachstrasse ist hinter uns, wir sind auf der Moserstrasse, einem weiteren Parkplatz, wo vor kurzem die Migros den Betrieb eingestellt hat. Noch liegt der neue Richtplan nicht vor, Felix Schweizer ist dennoch enttäuscht. Seine Vermutungen werden erst Anfang 2013 der Wahrheit standhalten müssen. Dann wird der VCS auch über das weitere Vorgehen entscheiden. Mit der kürzlich angekündigten Aufwertung des Freien Platzes an der Schifflände, wo unser kleiner Stadtrundgang endet, gibt er sich bestimmt nicht zufrieden.