Ringen um Rampen und Autonomie

Für eine kleine Gruppe junger Männer bedeutet das Brett mit den vier Rädern die  Welt. Um die wenigen Orte, an denen sie sich entfalten können, müssen sie kämpfen.

Bild: Florian Amsler

Das Skaten – das Fahren auf Rollbrettern – ist in vielerlei Hinsicht eine ambivalente Angelegenheit. Das beginnt schon bei der Einordnung: Ist ein Skater ein Verkehrsteilnehmer? Ist er ein Sportler? Oder ist er gar Künstler? «So einfach lässt sich das nicht definieren», sagt Stefan Brülisauer, 28 Jahre alt und bereits sein halbes Leben auf dem Brett. «Ich nehme oft das Skateboard, um einzukaufen oder zur Arbeit zu gehen.» Das ist aber nur die eine Seite. «Dabei halte ich unbewusst Ausschau nach geeigneten Spots, so unscheinbar diese auch sein mögen», erklärt er. «Die Stadt ist der Spielplatz». Der Vorplatz der Kantonalbank zum Beispiel sei so ein Spot, an dem man wochenlang ausprobieren könne. Der Belag sei perfekt und es gebe verschiedene Niveaus. Das werde aber natürlich nicht gern gesehen. Manchmal will «Brüli» aber auch auf einer Rampe skaten. Dann ist er oft unter der Autobahnbrücke A4 beim Rhypark anzutreffen – bei der «N4», wie die Strasse früher hiess. Damals, als der Zaun noch nicht war, der den Platz geteilt und das Brett ins Rollen gebracht hat.

«Mäuerchen, Bänklein und Rails sind die Basis, aber die Rampen gehören eben auch dazu. Wenn wir einen Ort haben, wo wir geduldet werden und uns entfalten können, bauen wir die verschiedensten Module, über die wir fahren können», erklärt er. Die «N4» sei ein solcher Ort gewesen. Dort werde bereits seit den 90er-Jahren geskatet. Die Stadt habe sich lange nicht dafür interessiert und das kleine Grüppchen gewähren lassen, aber dann habe sie vor ein paar Jahren plötzlich moniert, dass die Skater den Veloweg behindern würden, der dort vorbeiführt. Seither wurde auch beanstandet, dass die handgezimmerten «Obstacles» nicht den Vorgaben der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu entsprechen würden. Den Veloweg habe man dann grossräumig mit einem Zaun abgetrennt und die Skater vor vollendete Tatsachen gestellt. «Damit wurde der Skateplatz, auf dem wir einen Grossteil unserer Freizeit verbracht hatten, skateten, im Sommer grillten und badeten, auf einen Schlag zweigeteilt. Hier vergnügte sich Jung und Alt, blutige Amateure und fortgeschrittene Fahrer übten nebeneinander und hatten zusammen eine gute Zeit.»

Die Stadt sei allgemein nicht nur gut auf sie zu sprechen, sagt er, und man liest aus seinem Gesicht eine gewisse Ohnmacht. Er weiss, dass das kleine Grüppchen an der unglücklichen Situation nicht unschuldig ist. Die Skater sind eben mobil und für die Behörden nicht fassbar. «Dadurch, dass wir keine geschlossene Gruppe sein wollen, sondern offen für Jedermann, wollen wir uns auch nicht in einem Verein organisieren. Jeder soll kommen und gehen, wie es ihm passt. Das Fehlen von Strukturen macht die Kommunikation mit den Behörden aber schwierig und schadet schliesslich uns selbst.» Deshalb haben die Skater auch schon darüber nachgedacht, ob sie den Schritt zum Verein nicht vielleicht doch wagen sollten. Die Unorganisiertheit und mit ihr die mangelnde Kommunikation sei auch mit dafür verantwortlich gewesen, dass sich die Situation bei der «N4» unschön entwickelt habe, gesteht Stefan Brülisauer ein.

Die Stadt hat schliesslich 25’000 Franken für professionelle Module gesprochen. Eigentlich eine tolle Geste, wie «Brüli» findet, aber nötig wäre das eigentlich nicht gewesen. Er vermutet, dass die Stadt damit wohl primär die Kontrolle über die kleine Gruppe erlangen wollte. Die angebliche Gefahr für die Velofahrer ist in seinen Augen indes nicht gebannt, sondern verlagert worden. Ein zweiter Veloweg, der vom Rheinpark herkommt, ende nun mitten im Skatepark. Wichtiger als Infrastruktur – und erst noch billiger für die Stadt – wären mehr Freiräume, mehr Nischen, in denen sich die Skater selbst organisieren könnten.

«Diesbezüglich gibt es immer wieder mal Versuche. Erst kürzlich haben sich einige Skater in einem unbewohnten und heruntergekommenen Haus in der Altstadt installiert. Das gehört auch zum Skaten, das Nutzen von brachliegenden Orten. Der Spot wurde aber bald entdeckt und unzugänglich gemacht.» Ein weiteres Problem sind die kalten Jahreszeiten, in denen man nicht draussen skaten kann. Da würden sie mangels Alternativen oft in Parkhäuser gehen. Auf die Dauer sei das aber unbefriedigend und werde von Autobesitzern und Polizei nicht gerne gesehen. Die Skater haben bereits den Kontakt mit der Stadt und den SBB gesucht, um an geeignete Lokalitäten zu kommen. Aber Hallen würden nur zu fixen Quadratmeterpreisen abgegeben, was wiederum einen Verein mit einem Mitgliederbeitrag voraussetzen würde. «Dann müssten wir den Zugang limitieren, müssten Eintritt verlangen oder uns sonst irgendwie finanzieren.»

Ganz so sicher, ob man das Engagement der Stadt bei der «N4» nicht doch eher positiv werten müsse, ist «Brüli» nicht. Zum einen könne die Stadt so zwar mehr kontrollieren, zum anderen seien die professionellen Module aber schon recht komfortabel. «Wir sollten doch eigentlich die gleichen Möglichkeiten haben wie Leute, die in ihrer Freizeit Ping-Pong oder Basketball spielen wollen und für die auch in der ganzen Stadt geeignete Plätze mit Infrastruktur bereitstehen. Diese Leute sind ja auch nicht organisiert. «Wahrscheinlich werden wir früher oder später halt wirklich einen Verein gründen müssen», resümiert er.

Aber auch jetzt schon sind im Gespräch mit den Behörden erste Erfolge zu verzeichnen: Kurz vor Lappi-Redaktionsschluss wurde klar, dass der Dreispitz, vor vielen Jahren als Skateplatz konzipiert, mit der Zeit aber heruntergekommen und aktuell nicht befahrbar, aufgewertet werden soll. Die Stadt hat neu geteert und wird eventuell einen Beitrag sprechen, um die verlotterten Module zu ersetzen. Es geht also was. Und auch das rundum gelungene zweite «N4»-Fest, das erst kürzlich über die Bühne gegangen ist, stimmt positiv.

Vor einem Jahr wurde die offizielle Einweihung des «N4»-Parks mit einem grossen Fest gefeiert. Schon dieser erste Anlass war ein voller Erfolg: «Es kamen viel mehr Leute, als wir erwartet hatten, und sie waren bunt durchmischt. Skater kamen ebenso wie Familien mit Kindern. Die Stimmung war gut, es gab eine selbstgekochte asiatische Nudelpfanne, Konzerte und natürlich auch einen Skate-Contest.» Auch mit dem zweiten Fest waren die Veranstalter rundum zufrieden. Und auch von den Anwohnern gab es viel positives Feedback, beispielsweise vom Tauch-Club.

Dieser, ebenfalls unter der Brücke einquartiert und direkter Nachbar, ist der «N4»-Crew allgemein wohl gesonnen. Die Taucher würden es schätzen, dass die Skater penibel darauf achten, dass keine Scherben auf dem Platz landen würden. Der Müll werde auch jeweils zügig weggeräumt. Die Skater als Saubermänner. Das dürfte doch auch der Stadt gefallen.