10 Personen kandidieren unfreiwillig für die SVP

Mindestens 10 von 28 KandidatInnen auf der SVP Seniorenliste für den Wahlkreis Schaffhausen wussten selbst nichts von ihrer Kandidatur. Sie erfuhren von Bekannten, Verwandten oder durch die Presse, dass ihr Name bei den anstehenden Kantonsratswahlen auf der Liste 11, SVP Senioren, steht.

Kantonsrätin NELLY DALPIAZ. Bild: www.svp-sh.ch

Ein erster Fall war bereits im August von «Radio Munot» publik gemacht worden. Edgar Tüscher, Inhaber von «Chäs-Tüscher», hörte beim Anruf von Radio-Geschäftsführer Wälz Studer erstmals, dass er auf dem grünen Wahlzettel auf Linie 19 steht, seine Frau auf Linie 20. Die Tüschers wollten nie kandidieren und waren laut eigenen Angaben von Nelly Dalpiaz überrumpelt worden. «Sie hat mich erwischt», sagt Edgar Tüscher dem Lappi. «Sie kam bei mir vorbei und sagte: Unterschreib einfach.» Er hätte besser aufpassen können, räumt Tüscher ein. Doch die Vorgehenswese von Nelly Dalpiaz scheint System zu haben: Tüscher ist nicht der Einzige, der wider Willen kandidiert.

Nur einer der Kandidierenden, bei denen der Lappi am Freitag vor den Wahlen nachhakte, war nicht überrascht, seinen Namen auf der Kandidatenliste zu lesen: Peter Fuchs. «Nelly Dalpiaz hat mich angesprochen, und ich sagte, da mache ich auch mit, am liebsten am Ende der Liste.» Fuchs steht auf dem achten Listenplatz und könnte damit tatsächlich den letzten Platz derjenigen belegen, die wirklich kandidieren wollten. Mit der Hälfte der KandidatInnen, die auf den weniger aussichtsreichen Listenplätzen stehen, hatte der Lappi Kontakt. Keiner konnte sich erinnern, je die Unterschrift für eine Kandidatur geleistet zu haben.

Die Liste der Überlisteten

Einige Plätze unterhalb von Fuchs steht das Ehepaar Adolf Widmer und Alice Leu aus Beringen. «Das ist ja ein Witz», sagt Adolf Widmer erstaunt, als er bei unserem Anruf von seiner Kandidatur erfährt. «Ich bin kein Kandidat.» Er weiss noch, dass er der SVP Unterstützung zugesagt und dies mit einer Unterschrift bestätigt habe, doch von einem Platz auf der Kantonsratsliste sei nie die Rede gewesen.

«Wir haben mal eine Unterschrift gegeben», sagt Marie Egli – ebenfalls aus Beringen –, die zusammen mit ihrem Mann auf der Liste steht. Dass es dabei aber um die Kantonsratswahlen ging, davon wusste sie nichts. Als die Listen gedruckt und verteilt waren, gratulierten Bekannte dem verdutzten Ehepaar zur Kandidatur für den Kantonsrat. Die Frau mit dem Unterschriftenbogen sei etwas aufdringlich gewesen, erzählt Egli. Das war an einem Fest auf dem Schmerlat. «Ich kannte sie nicht und sie hat sich auch nicht vorgestellt.»

Marie Egli macht es nichts aus, dass sie auf der Liste steht. «Mein Mann hingegen war etwas verärgert.» Verärgert waren neben Eglis Ehemann auch andere Personen, die auf der Liste der SVP Senioren stehen. «Frau Dalpiaz sagte, sie brauche die Unterschriften, um die Jungen zu unterstützen», sagt ein weiterer unfreiwilliger Kandidat. Er ist sich sicher: «Dass wir damit kandidieren, das hat sie uns nicht gesagt. Ich würde bestimmt nicht in einem anderen als meinem Wahlkreis antreten.»

Insgesamt fällt auf: Ein Dutzend der Kandidierenden auf der SVP Senioren-Liste im Wahlkreis Schaffhausen wohnen nicht in der Stadt. Die meisten davon sind BeringerInnen – und sie erinnern sich, Nelly Dalpiaz an einem Fest eine Unterschrift gegeben zu haben. Die einen für die Jungen, andere für die Alten, wieder andere für die SVP. In den Kantonsrat wollen sie alle nicht.

Dalpiaz: «Ich habe es ihnen erklärt»

Dalpiaz ist die treibende Kraft bei den SVP Senioren. «Zu einem grossen Teil habe ich die Liste der Stadt Schaffhausen zusammengetragen», bestätigt sie dem Lappi auf Anfrage. «Ich habe dafür geschaut, dass wir endlich jemanden als Sprachrohr für das Alter einsetzen können.» Genügend Leute zu finden, sei kein Problem gewesen, allerdings habe es gegen Ende «plötzlich pressiert».

Auf die Frage, ob alle zehn KandidatInnen entgegen ihren Angaben gegenüber dem Lappi wussten, dass ihr Name auf der Wahlliste stehen würde, sagt Dalpiaz: «Ganz genau. Ich habe es ihnen erklärt und gesagt, das ist die Liste der SVP Senioren und deren Sympathisanten.» Auch dass sie zu wenig deutlich gemacht hatte, worum es bei der Unterschrift geht, wischt sie mit der Bemerkung «so weit müssen die Leute noch denken können» weg.

Überhaupt findet sie die Fragen nach unfreiwilligen KandidatInnen daneben. «Das spielt auch keine Rolle mehr», sagt sie. «Die Listen sind abgeschlossen, fertig Schluss.» Die Staatkanzlei hatte tatsächlich nichts an der Liste der Senioren zu bemängeln, allerdings überprüfen die Behörden nicht, ob alle Kandidierenden wirklich informiert sind. Fest steht, unterschrieben hatten alle – und daran gibt es nichts zu rütteln.

Nach Publikation der Listen – und erst dann erfuhren die KandidatInnen von ihrem zweifelhaften Glück – kann nichts mehr geändert werden. «Juristisch sehe ich keine Handhabe», sagt Staatsschreiber Christian Ritzmann. Es ist folglich Aufgabe der Partei, dass die Kandidaten über ihre Kandidatur Bescheid wissen.

Bolli: «100-prozentig in Ordnung»

Werner Bolli, der SVP-Parteipräsident, steht hinter Nelly Dalpiaz. Der Fall Tüscher ist für ihn abgeschlossen. Dass es weitere geben soll, hört er zum ersten Mal und will er nicht glauben. «Es sind doch alles mündige Bürger», sagt Bolli, «die Listen waren 100-prozentig in Ordnung.» Weitere Nachforschungen oder Konsequenzen sind von der SVP nicht zu erwarten. «Für uns ist die Sache erledigt», sagt der Parteipräsident.

Bei den Wahlen könnten die unfreiwilligen KandidatInnen durchaus eine Rolle spielen. Weil die SVP Senioren in allen Wahlkreisen antreten, ist die Chance auf einen Sitz intakt. Der Spitzenkandidat Werner Schöni könnte am Wochenende also dank den Sympathien, die etwa «Chäs-Tüscher» geniesst, ins Parlament einziehen. Edgar Tüscher meint noch: «Jetzt kenne ich Nelly Dalpiaz, ich unterschreibe auf jeden Fall nichts mehr.»