Das Übel aus der Wirtsstube

Historique

Die Generation «jung, wild und sexy» ist Ihnen zuwider? Sie haben Angst vor bewaffneten, marodierenden Banden? Sie fürchten Hedonismus, Sittenzerfall und Chaos? Ein Blick in die Vergangenheit zeigt eine einfache Lösung: die Polizeistunde!

Bereits im frühen 18. Jahrhundert haben sich Rat und Kirche in unserem Städtchen zusammengerauft, das Böse zu besiegen und Ruhe und öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Das Böse kam damals in Form von gerösteten Kaffeebohnen aus Übersee nach Schaffhausen. Stein des Anstosses war jedoch nicht das daraus gewonnene Getränk an sich, das Übel verortete die Obrigkeit in den Kaffeehäuser, die bis in die Nacht ausschenkten.

In den «aparten Trink-, Spil- und Schlupfwinkeln», den «Seminaria Atheismi, Epicureismi und aller Ruchlosigkeit» schlugen sich Frauen und Männer zusammen (!)die Nächte um die Ohren und führten «auf Atheisterey ziehlende und zur Ärgernuss der Anwesenden gereichende Discoursen und Gespräche». Obwohl diese Horte des Lasters und der Sünde, diese Quellen der Unruhe und des möglichen Aufruhrs, der Obrigkeit ein Dorn im Auge waren, gestaltete sich ihre Abschaffung oder die Durchsetzung einer Polizeistunde als nicht ganz einfach. Das exotische Bohnengebräu hatte sich nämlich bereits durch alle gesellschaftlichen Schichten etabliert.

Als 1716 Junker Rüeger im Thurn, der Junker zur Königskrone und der Junker zum Thiergarten im Kaffeehaus von Hans Jakob Kohler einkehren wollten und dieser sich weigerte, ihnen das begehrte Getränk auszuschenken, weil ihm dies vom Rat verboten worden sei, hätten sie «ihme den Laden eingerissen und mit Gewalt in das Haus getrungen, denen er endlich Caffée durch die Magd eins machen und geben lassen». Die Obrigkeit schaffte es damals noch nicht, die Polizeistunde nachhaltig durchzusetzen.

200 Jahre später sah das schon anders aus. Der drohende Krieg und die Mobilmachung im Sommer 1914 versetzten die Menschen in Panik. Auch die italienischen Gastarbeiter waren verunsichert. Sie «standen herum, gestikulierten, kauften Waffen», wie das Schaffhauser Tagblatt berichtete. Das verstärkte die Ängste der Einheimischen zusätzlich und es kam zu handfesten Auseinandersetzungen. Der Regierungsrat beschloss die Einführung von Bürgerwehren in den Gemeinden, was die Gewalt und Unordnung allerdings nur noch verstärkte, und eine «Einschränkung des Wirtschaftsbetriebes», faktisch eine Polizeistunde um 23 Uhr. «Kein Schnaps, kein Ärger» war wohl die Devise. Obwohl diese Massnahme selbst in der Regierung nicht unumstritten war, setzte sich die Polizeistunde durch.Jahrzehntelang konnte die Stadt in Ruhe und Frieden schlummern.

Doch dann, 2004, kippten ein paar übermütige Jungparteien diese tragende Säule der Ordnung. Die Nächte gehören seither wieder den Unruhestiftern, Horden von übernächtigten und mit Bierdosen bewaffneten jungen Männern und Frauen, die zusammen (!) Wochenende für Wochenende die Altstadt heimsuchen, herumstehen, wild gestikulieren, sündhafte Gespräche führen und Schaffhausen regelmässig ins Chaos stürzen. Dem ist entschieden und geschlossen Einhalt zu gebieten! Darum fordert die Lappi-Redaktion die umgehende und nachhaltige Wiedereinführung der Polizeistunde. Und eine schlagkräftige Bürgerwehr wäre auch nicht schlecht, wenn wir schon dabei sind.