Unsichtbar und wirkungslos

Seit zwei Jahren werden «Brennpunkte» des Schaffhauser Nacht­lebens mit ­Kameras überwacht. Die erwartete Wirkung bleibt aus.

Vor dem TapTab herrscht Hochbetrieb. Musik lässt die Scheiben erzittern, die dumpfen Beats mischen sich mit dem Gegröle und Gekreische junger Männer und Frauen. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Im Eingangsbereich steht ein Türsteher, der das Geschehen mit Gelassenheit überwacht. Den wenigsten fällt die kleine Kamera auf, die das Treiben beobachtet.

FINDE DAS SCHILD, das auf die Videoüberwachung hinweist. Bild: ya.

Diese Kamera wurde zusammen mit knapp zwanzig anderen als Massnahme zur «Wahrung und Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit» installiert. Seit Anfang 2011 wird jeweils von 18 Uhr abends bis 7 Uhr morgens Videomaterial gesammelt, das im Fall eines Verbrechens als Beweismaterial beigezogen werden kann. Die Kriminalität ist bis Ende 2011 in den videoüberwachten Bereichen gemäss eines Zwischenberichts jedoch nicht signifikant zurückgegangen. Anfang des nächsten Jahres soll eine erstmalige, detaillierte Auswertung der Wirksamkeit der Kameras vorgelegt werden.

Patrick Caprez, Sprecher der Schaffhauser Polizei, sieht in der punktuellen Überwachung eine positive Entwicklung. Die Verfügbarkeit von Videoaufnahmen erleichtere die Ermittlungen, aber vor allem die präventive Wirkung sei der Polizei wichtig, so Caprez. Diese kann jedoch nicht mit Zahlen untermauert werden. Kein Wunder: Die Bevölkerung ist nur schlecht über die Videoüberwachung informiert. Gerade die schlecht sichtbare Beschilderung ist wohl einer der Hauptgründe für diesen Missstand.

Die Überwachten sind ahnungslos

«Ich weiss nichts von Kameras», wimmelt mich ein Angetrunkener auf dem Heimweg ab. Ich befinde mich vor dem Orient an der Stadthausgasse. Einer Gruppe junger Frauen, die gerade den Club verlassen hat, geht es genauso. «Hier sind wir von Securitas umgeben und die Polizei schaut auch oft nach dem Rechten.» Von Überwachungskameras haben sie alle noch nie gehört. «Nach Hause gehen wir aber nicht gern alleine. Es kann schon vorkommen, dass man in den dunklen Gassen belästigt wird. Dort wären Kameras wünschenswert.»

Auch Christian Erne, Veranstalter im TapTab, ärgert sich über die Platzierung der Kameras. «Sie sind auf die Eingänge ausgerichtet, dort wo es hell ist und die Türsteher die Lage weitgehend im Griff haben. An abgelegenen Orten, wo es dunkel ist und man auf dem Nachhauseweg alleine durch dunkle Gassen geht, wären die Kameras effizienter.» Erne ist der Meinung, dass er und andere Clubbesitzer und Mitarbeiter dank ihrer langjährigen Erfahrung wertvolle Inputs für die Umsetzung der Videoüberwachung hätten beisteuern können. «Von Seiten der Entscheidungsträger findet aber keine Kommunikation mit uns statt.» Auch in die Evaluation, die Anfang nächsten Jahres fällig ist, wurden die Clubbetreiber bis jetzt nicht mit einbezogen.

Metin Demiral, Eigentümer des Orient, schreibt den Kameras keine besondere Wirkung zu. «Die Zusammenarbeit mit der Polizei hat sich zwar in den letzten Jahren massiv verbessert.» Für die Arbeit und die Sicherheitsbemühungen von Demiral und seinem Team hätten die Kameras aber keine Auswirkungen. Die meisten Probleme könnten sie ohnehin selbst lösen, in schwierigeren Fällen werde die Polizei gerufen. Demiral weiss nur von einem Fall, bei dem die Videoaufnahmen ausgewertet wurden – sie konnten jedoch nicht zur Aufklärung beitragen.

Bis Ende 2011 gingen zwölf Gesuche zur Auswertung von Videomaterial bei der Strafverfolgungsbehörde ein, von denen vier «sachdienliche Hinweise» gaben und zu einer «erfolgreichen Ermittlung» führten. Die Daten dürfen jedoch nur bei gröberen Vergehen ausgewertet werden.

Genau das stört Res Hauser, Grossstadtrat der Jungfreisinnigen Schaffhausen. Wenn schon Geld für die Installation und Instandhaltung der Kameras ausgegeben werde, so Hauser, dann sollen diese auch genutzt werden. Hauser ist der Meinung, auch kleinere Delikte sollten per Videoüberwachung aufgeklärt werden. Die magere Bilanz, die bis jetzt gezogen werden könne, rechtfertige die Kosten nicht, so der Grossstadtrat.

Der Abend neigt sich dem Ende zu. Vor dem Cuba Club torkeln und lallen noch die letzten Gestalten. Zum Glück werden die Daten nach zwei Wochen automatisch gelöscht.