40 Jahre Warten

Bild: ya.

Mit sechsundsechzig Jahren fängt das Stacheln an – früher besteht kaum eine Chance einen Bootsplatz zu mieten. ­Jungparlamentarier von Links und Rechts wollen das ändern.

Die städtischen Bootsplätze sind heiss begehrt: 276 Pfähle stehen im Wasser, rund 620 Namen auf der Warteliste. Sie warten darauf, für rund 800 Franken einen hölzernen Pfahl zu mieten. Der oder die Oberste auf der Liste hat das Gesuch im Jahr 1971 eingereicht. Wer einen Bootsplatz für einen Weidling ohne Motor will, kommt zuerst. Dies bleibt so, bis die Hälfte aller Boote motorfrei sind; ein Ziel, das gemäss Verwaltungspolizei in den nächsten Jahren erreicht wird.

Frei werden pro Jahr zwei bis vier Bootsplätze, die Liste wächst schneller. Die Tatsache, dass man ein halbes Leben lang auf einen Bootsplatz wartet, ist nicht neu. Konkrete Massnahmen wurden dennoch nie ergriffen.

Vor kurzem forderten die Juso mit einer Volksmotion – vergeblich –, dass die Stadt zwei motorlose Weildinge zur Verfügung stellen soll. Das Anliegen wurde im Grossen Stadtrat abgelehnt. Erfolgreich war dagegen ein Postulat von Grossstadtrat Till Hardmeier (JFSH): Er forderte den Stadtrat auf, mehrere Varianten zu prüfen, wie man den Zugang zum Rhein einem grösseren Publikum ermöglichen könnte.

Hardmeier schlägt vor, beispielsweise Vereine oder Firmen bei der Vergabe von Bootsplätzen zu bevorzugen, zusätzliche Pfosten zu errichten (etwa in einer dritten Reihe), dass private BetreiberInnen Mobility-ähnliche Konzepte oder Bootstrockengaragen anbieten könnten, und, als schärfste Massnahme, dass die Mietdauer verkürzt oder der Pfosten bei zu tiefer Nutzung entzogen würde.

Stadträtin Jeanette Storrer äusserte bereits im Parlament Zweifel an den Massnahmen. Die Vergabe von Pfosten an Vereine, Firmen oder Zweckgesellschaften führe nicht zum gewünschten Ziel, so Storrer, weil dann an den betreffenden Pfosten gar keine Rotation mehr stattfinden würde. Die Nutzungsintensität der PfostenmieterInnen zu überprüfen, um gegebenenfalls einer Person, die ihr Boot kaum nutzt, den Bootsplatz zu entziehen, bezeichnete Storrer als «wenig praktikabel».

Auch eine dritte Pfostenreihe schloss sie praktisch aus, weil der Zugang zum äussersten Weidling schwierig würde und der mittlere Weidling nicht mehr ablegen könne. Das wird jedoch von Weidlingskapitäne in Frage gestellt. Eine Verlängerung der Pfostenreihen wiederum ist gemäss Storrer nur an wenigen Stellen möglich.

Das grösste Hindernis dürfte aber die Frage sein, ob die Stadt überhaupt neue Bootsliegeplätze schaffen darf. Dies liege in der Kompetenz des Kantons, so Storrer. Zudem sei der Kanton an diverse, teilweise internationale Richtlinien gebunden, was diese Variante zumindest erschwere, wenn nicht verhindere.

Tatsächlich steht im kantonalen Richtplan: «In Übereinstimmung mit dem internationalen Bodenseeleitbild ist die Zahl der Boote und Liegeplätze zu begrenzen (maximal heutiger Stand). (…) Die internationalen Vereinbarungen aller Bodenseeanlieger gestatten keine Ausnahmen».

Thomas Hauser (FDP) forderte im Kantonsrat dennoch, diese Passage zu streichen. Der Rat stimmte ihm zu, doch der Passus, der neue Liegeplätze verunmöglicht, blieb im Richtplan, der sich zur Zeit in der Vernehmlassung befindet. Hauser hat das Versäumnis beanstandet. Während er davon überzeugt ist, dass es mehr Weidlingspfosten braucht, ortet der zuständige Stadtrat das Problem anderswo.

Simon Stocker, Jeanette Storrers Nachfolger im Sozial- und Sicherheitsreferat, wird sich in den nächsten Monaten mit Hardmeiers Postulat befassen. Im besten Falle könne schon auf die Weidlingssaison 2014 ein Konzept umgesetzt werden, so Stocker. Aufgrund der Einschränkungen für das Setzen von neuen Bootspfählen scheint es unwahrscheinlich, dass er diese Option weiterverfolgen wird.

Auf Anfrage sagte Stocker auch: «Nicht die Anzahl Liegeplätze ist das Problem, sondern die geringe Nutzung vieler Boote.» Er werde sich deshalb eher auf Lösungsansätze konzentrieren, die auf Weidlingssharing abzielen. Auch die Idee der Juso, dass die öffentliche Hand Weidlinge zur Miete anbieten könnte, ist für Stocker durchaus denkbar. Ausserdem könnte man laut Stocker Personen, die bereits auf der Warteliste stehen, dazu anregen, sich zu Nutzungsgemeinschaften zusammenzuschliessen, die dann bei der Vergabe der Liegeplätze bevorzugt behandelt würden.

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Till Hardmeier, JFSH-Grossstadtrat

Die Wartezeit für einen Bootspfosten beträgt über 40 Jahre. Wer sich mit 18 für einen Weidling ohne Motor angemeldet hat, wird beim Zuschlag als PensionärIn vielleicht gar nicht genug Power haben, sein Boot hinaufzustacheln. Das ist störend.
Die Problempunkte sind schnell aufgezählt: Es hat zu wenig Pfosten und die Boote werden zu wenig genutzt. Es gibt zwar Mietbootangebote, die sind aber nicht gerade billig, weil die Boote zuerst mit Anhängern zum Wasser gefahren werden müssen. Ein- und Auswassern braucht auch Zeit und muss mitbezahlt werden.

Die beste Lösung wäre deshalb eine Art Mobility-Konzept für die Boote. Für Segelboote bietet Sailcom.ch einen solchen Service schon auf zahlreichen Schweizer Seen an. Warum also nicht mal anfragen, ob sie Interesse an Rheinbooten hätten? Oder bei den lokalen BootsvermieterInnen anklopfen? Die Stadt müsste nur ein paar Pfosten dafür aussondern und man könnte im nächsten Sommer starten. Die Stadt soll die Vermietung aber nicht selber machen; das hat das Stadtparlament abgelehnt.
Haltergruppen oder Vereine ab zehn Personen bei der Vergabe zu bevorzugen, wäre eine andere Möglichkeit, um schnell Zugang zum Rhein zu schaffen. Beschränkte man die Haltedauer auf beispielsweise 20 Jahre, wäre eine Rotation der Pfosten möglich.

Die Möglichkeit zusätzlicher Pfosten sollte man zumindest abklären. Denn gemäss Thomas Hauser (FDP) wird in Arbon, Altenrhein oder auf der deutschen Seite erfolgreich praktiziert, was bei uns gemäss Richtplan (in Überarbeitung) nicht geht: Ein paar neue Pfosten setzen.

Sogar originelles Standortmarketing wäre möglich: Warum nicht einen Bootspfosten unter den NeuzuzügerInnen verlosen?

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Patrick Simmler, Juso-Grossstadtrat

Die Freude einer Weidlingfahrt bleibt leider nur einigen Wenigen vorbehalten. Nur wer schon seit grauen Urzeiten hier ansässig ist, hat eventuell das Glück, einen Anlegeplatz mieten zu können. Zu wenige Bootsplätze und zu lange Wartezeiten führen zu einer unbefriedigenden Situa­tion. Stacheln ist eine Schaffhauser Tradition – es ist schade, dass einem Grossteil der EinwohnerInnen dieses Vergnügen vorenthalten bleibt.

Die Juso stellte deshalb mit ihrer Weidlings-Motion einen unkonventionellen und unkomplizierten Lösungsvorschlag zur Diskussion: Die Stadt Schaffhausen soll zwei Weidlinge zur Vermietung anbieten – so könnte man mit geringen Mitteln einen grossen NutzerInnenkreis bedienen. Eine Vermietung von Weidlingen macht Sinn, da so GelegenheitsnutzerInnen bedient werden und damit das Problem der knappen Anzahl an Anlegeplätzen zumindest teilweise entschärft werden kann. Dieses Angebot sehen wir als Bestandteil des Service Publics, darum ziehen wir auch die Stadt privaten AnbieterInnen vor.

Da die Schifffahrt auf dem Rhein nicht gänzlich risikofrei ist, müssten MietinteressentInnen einen Weidlingskurs absolvieren. Diesen Ansatz unterstützen übrigens die Pontoniere in Schaffhausen, auch weil sie potentielle Anbieter solcher Kurse sind.

Die Stärke unserer Lösung gegenüber dem Vorschlag von Till Hardmeier sehe ich darin, dass bei unserem Weidling-Sharing-Modell der Stadt die direkte Kontrolle unterliegt. So wird garantiert, dass die Idee im Sinne der MotionärInnen umgesetzt wird. Nämlich, dass die Freude am Rhein und die Tradition der Weidlings-Schifffahrt auf erschwingliche Art auch jenen ermöglicht wird, welche sich nicht schon vor 40 Jahren für einen Bootsplatz angemeldet haben.