Farbe zur Beruhigung

Die Schaffhauser Polizei hat für renitente Gäste zwei Warteräume in Cool Down Pink gestrichen. Und sie ist von der beruhigenden Wirkung so überzeugt, dass die Farbe auch im neuen Polizei- und Sicherheitszentrum zum Einsatz kommen soll.

Bilder: Elisabeth Leuzinger

In einer der Garagen im Innenhof der Schaffhauser Polizei steht seit zwei Jahren ein Provisorium. Es ist ein länglicher Bau an der Seitenwand, mit fünf Zellen darin. Zuvorderst die abflusslose Toilette für die Body-Packer – Personen, die in ihrem Körper Drogen schmuggeln –, dahinter fünf «Warteräume», wie die Polizei sie nennt.

Die «Warteräume» sind etwa gleich gross wie die Body-Packer-Toilette, in den Ecken sind zwei Klötze mit abgerundeten Kanten wie an die Wand gebaut. Licht und Heizung gibt es, mehr nicht – wenn man die Farbe der Wände nicht mitzählt. Denn zwei der fünf Zellen sind in Cool Down Pink gestrichen.

Hier werden die aggressiveren Personen während der Abklärungsarbeiten der Polizei einquartiert, bevor sie wieder gehen oder allenfalls in Haft genommen werden. Beispielsweise Hooligans, die nach einem Fussballspiel Radau gemacht haben. «Die Warteräume, die mit Cool Down Pink gestrichen sind, sollen renitente Personen beruhigen», sagt Polizeisprecher Patrick Caprez. Gestrichen wurden die Räume im September 2011, kurz vor deren Eröffnung.

Auf die Idee kamen die Schaffhauser durch ihre Kollegen von der Stadtpolizei Zürich, die die Farbe ebenfalls einsetzen und deren Wirkung loben. Ob die Farbe aber tatsächlich etwas bringt, wird nicht ausgewertet. «Wir stützen uns diesbezüglich auf Erfahrungswerte anderer Polizeikorps und eine Pilotstudie der Farbpsychologin Daniela Späth ab», sagt Caprez.

«Hochsignifikante» Blutdrucksenkung

Daniela Späth, die Verfasserin der Pilotstudie, ist selbst die «Erfinderin» der Farbe, die Zellenwände in Polizeistationen von Zürich bis Düsseldorf ziert. Als Forschungspartner nennt sie die Dold AG, die Cool Down Pink europaweit als Lizenznehmerin verkauft, und das Paracelsus-Spital in Richterswil, dessen Forschungsleiterin bei der Auswertung der Studie behilflich gewesen sei und die die wissenschaftliche Korrektheit der Studie überwacht und bestätigt habe. Das Spital bietet Schulmedizin an und preist die Komplementärmedizin mit dem Schwerpunkt anthroposophische Medizin als Spezialität des Hauses an.

Cool Down Pink ist europaweit ALS MARKE EINGETRAGEN und nach Immaterialgüterrecht international geschützt. «Sie können auch nicht einen BMW nachbauen und diesen dann unter einem anderen Namen verkaufen», sagt die «Erfinderin» der Farbe, «das gibt Ärger.»

«Wir konnten anhand von Messungen bei 193 Probanden in Einkaufsmalls die hochsignifikante Senkung des Blutdrucks belegen», meinte Späth gegenüber dem Lappi. Und: «Die beruhigende Wirkung wurde bei unstrukturierten Beobachtungen in vielen Justizvollzugsanstalten wie auch in Psychiatrien, Schulen und anderen sozialen Einrichtungen festgestellt.»

«Ob es etwas bringt, ist unklar»

Mehr wissenschaftliche Arbeiten als ihre Pilotstudie gibt es allerdings noch nicht. Mehrere Hochschulen, Psychiatrien, Spitäler und andere Einrichtungen würden die Wirkung ebenfalls untersuchen, so Späth, aber ihres Wissens lägen noch keine konkreten Ergebnisse vor.

Bekannt ist die beruhigende Wirkung des speziellen Farbtons, den Späth europaweit als Marke Cool Down Pink eintragen liess, allerdings bereits seit den 70er-Jahren unter dem Namen Baker Miller Pink. Wie genau dieser Farbton aussehe, sei nicht zu evaluieren und ihr nicht bekannt, meinte Späth. Das New Yorker Magazin Cabinet nennt jedoch einen konkreten Farbton (RGB-Farbraum: R 255, G 145, B 175). Auch meint Späth, dass Alexander Schauss mit wissenschaftlich empirischen Methoden nie eine Wirkung habe nachweisen und auch nie signifikante Messergebnisse habe vorlegen können. Sie habe deshalb herausfinden wollen, ob sich der beruhigende Effekt verifizieren liesse.

Der amerikanische Forscher Alexander Schauss führte unter Berufung auf den Schweizer Psychologen Max Lüscher, der den höchst umstrittenen «Lüscher-Test» erfunden hat, in den 70er-Jahren ein Experiment in einem US-Gefängnis durch, mit dem er ermitteln wollte, ob Farben die Psyche beeinflussen könnten. Während der erste Versuch laut den BetreiberInnen erfolgreich verlief, berichtete das Magazin Cabinet über ein weiteres Gefängnis, indem sich die Insassen nicht beruhigt, sondern die Farbe mit den Fingernägeln von den Wänden gekratzt haben.

«Nicht wesentlich teurer» als Weiss

Das könnte teuer werden. Doch wie viel sich die Schaffhauser Polizei den Farbanstrich hat kosten lassen, das will Patrick Caprez nicht genau sagen. «Der Anstrich mit Cool Down Pink war im Vergleich zu einem Weissanstrich nicht wesentlich teurer», sagt er. Auch Daniela Späth macht keine Angabe. «Die konkreten Preise sind mir auch nicht bekannt, da der Verkauf europaweit über Dold läuft», sagt sie.

Bei der Schaffhauser Polizei will man sich die Farbe auch in Zukunft leisten, wenn die Provisorien aus der Garage in der Stadt ins neue Polizei- und Sicherheitszentrum verlegt werden. «Aller Wahrscheinlichkeit nach dürften wiederum etwa zwei bis fünf Warteräume mit Cool Down Pink angestrichen werden», so Caprez.