Hüsch & Tschüss

Der Mega-Event am anderen Ufer: Eine Erlebnisreise an den Weinländer Hilari.

Es ist zwanzig Uhr ennet der Rheinbrücke. Redaktorin L., die sich mit den örtlichen Gepflogenheiten auskennt, hat drei paar Hosen – zwei sportliche weisse, eine davon mit Mickymaushosenträger und eine weitere in orange und der Haptik eines Frotteeleintuchs – und einen rosafarbenen Hut wie ihn TouristInnen und gelegentlich Dieter Bohlen tragen. Redaktorin L. sagt, unverkleidet an den Hilari zu gehen, sei wie zu Nicht-Hilari-Zeiten verkleidet durch die Stadt zu laufen.

Gesagt getan, in Hut und Hosen warten wir auf den Shuttle-Bus, der dem Vernehmen nach alle Nase lang vorbeikommen soll. Da es jedoch furchtbar kalt ist und der auf Kundschaft wartende Taxifahrer angeblich nicht weiss, wann der Bus fährt, steigen wir in den Wagen. Es gebe noch zwei andere, die heute Abend vornehmlich auf der Route Langwiesen – Feuerthalen – Flurlingen verkehren würden, weiss der Taxifahrer, aber die könnten allesamt sowieso keinen geraden Satz Deutsch.

Pirat, Römer und ­Domina-Polizistin

Auf dem Parkplatz in Langwiesen angekommen, wird die Lappi-Redaktion schon gleich Zeuge der ersten Attraktion. Vor dem Festzelt haben ein paar Luntschen (so heisst die traditionelle Verkleidung, die viel Schminke, aber keine Masken beinhalten darf) eine mobile Soundanlage deponiert und die spielt den Kinder-Schokobon-Song (Donnerwetter / bin ich lecker / schokolicious / Choco-Chica / Milch und Kakao / das ist Wow!), den die Autorin übrigens für eine der grössten kulturellen Errungenschaften im vergangenen Jahr hält. Es werden einige Zebras gesichtet, die offenbar mit Teilen der Redaktion bekannt sind, dann macht sich der Lappi auf ins Festzelt.

Kultur

Der Hilari bringt die Geschlechterforschung einen entscheidenden Schritt weiter. Erstens lernt man, dass, wer eine authentische Frau mimen will, sich folgende wichtige Erkennungsmerkmale aneignet: Lange Haare, unzählige pinke Accessoires, Absatzschuhe und laszive Bewegungen. Und die zweite wichtige Erkenntnis: Männer pinkeln nicht nur mit Vorliebe im Stehen, sondern sie lassen sich auch gerne dabei beobachten: Geschlossene Toi-Toi-Klos gibt es explizit nur für Frauen; den Männern steht bloss ein grünes, von allen Seiten einsehbares Pissoir zu Verfügung.

Nicht in das offensichtliche Festzelt vorne auf dem Parkplatz, sondern in dasjenige, welches sich am Ende des Sägemehlpfads hinter den Toi-Toi-Kabinen versteckt. Hinterm Tresen steht eine Handvoll römischer Legionäre und langweilt sich, denn im Römerzelt tut sich gelinde gesagt nicht viel. An einem Tisch gesellt sich einer der Römer zu einem Piraten und einer Domina-Polizistin. Zwei männliche Individuen in undefinierbarem Kostüm stellen sich als Reporter vor, und die ReporterInnen vom Lappi stellen überrascht fest: So sehen also Journalisten aus.

Demzufolge wird sich die Lappi-Redaktion, um ihre Authentizität aufrecht zu erhalten, im Brockenhaus Schiebermützen, Hosenträger und 50er-Jahre-Sakkos besorgen müssen. Die Reporter interviewen Redaktor L. und Redaktorin S. (die ihre Identität natürlich für sich behalten); was genau sie zu Protokoll gegeben haben, wird im Nachhinein nicht mehr rekonstruierbar sein.

Das Römerzelt verkommt auch nach einer Runde undefinierbarem, klebrigem Alkohol nicht wirklich zum Hort der Bacchanalie. So begibt sich denn das Lappi-Team dennoch ins proppenvolle Hauptzelt. Auf dem Weg dahin treffen sie die überzeugendsten Luntschen des Abends an: Die als Securitas-Mitarbeiter verkleideten Herren gehen voll in ihrer Rolle auf. Gestreng marschieren sie vor den Zelteingängen hin und her und weisen in militärischem Tonfall ausfällige Feiernde zurecht. Wir sind beeindruckt.

Im Hauptzelt sind Wahnsinn und Hölle, Hölle, Hölle los. Steinzeitmädchen tanzen mit als Mädchen verkleideten, nicht mehr so jungen Dorfbuben, überhaupt fällt auf, dass sich die Verkleidung als Frau unter den männlichen Anwesenden grosser Beliebtheit erfreut. Zaghaft mischt sich die Lappi-Redaktion unter die Feiernden. An die fünf spendable Matrosen reichen Gin-Tonic in die Runde und als ein Schlumpf, der heute den DJ mimt, «Das rote Pferd» auflegt, steigt die Stimmung rasant.

Besonders überzeugend: Securitas-Luntschen

Als Redaktor L. und Redaktorin L. nach kurzem Luftschnappen erneut das Zelt betreten wollen, werden sie zuerst vom Securitas-Luntschen daran gehindert, angeblich wegen fehlender Verkleidung. Die beiden können den Breitschultrigen jedoch glaubhaft davon überzeugen, dass sie als «schlecht Verkleidete» verkleidet sind, worauf sie sich wieder zu den Feiernden gesellen dürfen.
Spätestens nach drei Longdrinks und 99 Luftballons ist das Lappi-Team ausser sich und jeglicher journalistischen Objektivität beraubt.

Gemeinsam mit Matrosen, Pharaonen und Steinzeitmädchen wird der Gangam-Style getanzt und das Erinnerungsvermögen brüchig. Während die einen heimlich an einer Truppe Zinnsoldaten vorbei aufs Taxi schleichen, sollen andere noch bis in die frühen Morgenstunden verweilt haben. Was genau da passiert ist, und wie die schwarz-goldene Langhaarperücke in die Redaktionsräumlichkeiten des Lappi gelangt ist, sei der Fantasie der LeserInnen überlassen.