Profit geht vor

Leerstehende Gebäude gibt es immer wieder. Kulturschaffende, die diese Räume nutzen wollen, werden selten berücksichtigt.

Das HOTEL TANNE ist seit zwei Jahren geschlossen und steht leer – genau so wie die angrenzende «untere Tanne.» Bilder: ya.

Das ehemalige Hotel Tanne mit seiner legendären Schankstube gehört seit kurzem der Stadt. Jetzt steht das Gebäude leer und es ist unklar, was daraus werden soll. Das Sommertheater wird anlässlich seines 30-Jahr-Jubiläums in der «Tanne» eine Produktion aufführen – ein beispielhafter Fall einer originellen Zwischennutzung. Danach wird es in der bis weit über Schaffhausen hinaus bekannten Gaststube aber vorerst still und dunkel sein.

Die Stadt hat noch nicht entschieden, wie sie das Gebäude nutzen will. «Der Stadtbaumeister ist zurzeit an der Vorbereitung der Grundlagenpapiere», berichtet Baureferent Raphaël Rohner. Ein Grundsatzentscheid soll im März fallen, im Herbst soll nach weiteren Abklärungen ein Nutzungskonzept beschlussfähig sein. Auf die Frage, ob man die Gebäude für eine Zwischennutzung freigeben könnte, antwortet Rohner: «Eine Zwischenvermietung ist aus Sicht des Stadtbaumeisters nicht möglich. Die Gebäude befinden sich in einem teilweise schlechten Zustand und erfüllen die feuerpolizeilichen Auflagen nicht.»

Kaum eine Chance für die Kultur

Die «Tanne»-Gebäude sind nicht die einzigen städtischen Liegenschaften, die aufgrund ihres schlechten Zustandes nach Einschätzung der Stadt nicht zwischengenutzt werden können. Die weiteren Beispiele sind Häuser im Stadthausgeviert, an der Safran- und der Krummgasse – an attraktiven Lagen also. Finanzreferent Peter Neukomm, der für die Vermietung von städtischen Liegenschaften zuständig ist, versichert jedoch: «Wir sind darum bemüht, alle leerstehenden Räumlichkeiten, die sich für eine Zwischennutzung eignen, einer solchen zuzuführen.» Man sei verpflichtet, mit den Liegenschaften «möglichst marktgerechten Ertrag zu erwirtschaften.» Neukomm nennt zwei Beispiele: Das Grosse Haus, in dem Büros untergebracht sind, und das Wagenareal, das zwischenzeitlich als Lager dient.

Leerstehende Gebäude könnte man auch für kulturelle Projekte zwischennutzen. MusikerInnen sind auch für begrenzte Zeit froh um Bandräume, und KünstlerInnen könnten Ateliers einrichten oder Ausstellungen realisieren. Doch wenn die wenigen leerstehenden Häuser der Stadt entweder baufällig sind oder einen marktgerechten Ertrag erzielen müssen, haben Kulturschaffende kaum eine Chance, obwohl der Stadtrat im August 2007 dazu verpflichtet wurde, etwas zu unternehmen: In einem vom Grossen Stadtrat überwiesenen Postulat von Christoph Lenz (AL) steht: «Der Stadtrat wird aufgefordert, wo möglich, Übungsräume für kulturelles Schaffen in der Stadt Schaffhausen zur Verfügung zu stellen.» Das Postulat ist noch hängig.

Nicht viel besser sieht es bei leerstehenden Gebäuden in Privatbesitz aus: Die EigentümerInnen haben oft keine Motivation, ihre Gebäude für eine temporäre Nutzung zu vermieten. Einerseits können sie bei geringem Komfort und kurzer oder ungewisser Bleibedauer keine besonders hohe Miete verlangen, andererseits befürchten sie, dass junge, alternative «BesetzerInnen» Probleme verursachen könnten.

Gebäude in Privatbesitz wie die STAHLGIESSEREI stehen oft Jahrzehntelang leer.

Hier könnte die Politik Abhilfe schaffen: Eine öffentliche Stelle könnte NutzerInnen für Räume und umgekehrt vermitteln. Die potenziellen ZwischennutzerInnen hätten so eine zentrale Anlaufstelle, müssten nicht auf eigene Faust leerstehende Gebäude ausfindig machen und die BesitzerInnen kontaktieren. Die BesitzerInnen wiederum könnten die Administration in die Hände der Vermittlungsstelle geben und einen kleinen Gewinn erwirtschaften.

Vorbild in Zürich

Für den Raum Zürich gibt es eine solche Stelle. Sie wird nicht vom Staat, sondern von einem privaten Unternehmer betrieben: Steff Fischer, dem der «Tagesanzeiger» den Titel «Der alternative Immobilienkönig» verlieh. Seine Firma, die Fischer AG, ist das Bindeglied zwischen ImmobilienbesitzerInnen und -besetzerInnen. Fischer kommt aus der alternativen Szene und kennt die potenziellen ZwischennutzerInnen. Und er kann den BesitzerInnen die Angst vor einer «wilden Sache» nehmen: «Es handelt sich im Grunde um ein Generationenproblem zwischen alten Eigentümern und jungen Nutzern.» Letztere seien eigentlich nie über 40. Er könne den Besitzern auch aufzeigen, dass tiefe Mieten nicht automatisch eine geringe Rendite bedeuten. Inzwischen ist die Fischer AG so etabliert, dass sowohl die öffentliche Hand als auch Private sich regelmässig an sie wenden, wenn sie Räume zur Zwischennutzung zu vergeben haben – und Steff Fischer vermittelt sie innert kürzester Zeit an KünstlerInnen, MusikerInnen oder Kleinunternehmen.

Um eine lebendige Kultur der Zwischennutzung in anderen Regionen zu etablieren, müsste das Thema von politischer Seite angegangen werden, zeigt sich Fischer überzeugt. Peter Neukomm winkt jedoch ab: «Die Stadt verfügt nicht über die nötigen Ressourcen, eine Vermittlungsrolle für leerstehende private Räumlichkeiten zu übernehmen. Hier sind die potentiellen Zwischennutzer oder Interessenten gefordert.»