Schaffhausens Angst vor nackter Kunst

Penis-Zensur in Kunst und Werbung.

Zwar haben ihre Bilder Aufsehen erregt, doch Nadja Kirschgartens Aktmalereien zu verbieten, stand nie zur Diskussion. Dass Schaffhausen in der Vergangenheit mit Nacktheit in der Kunst nicht immer so tolerant und verständnisvoll umgegangen ist, zeigen folgende zwei Beispiele.

Schwarz-Weiss-Pornographie

Ende der Achtziger Jahre sollte der international bekannte Künstler und Sammler pornographischer Fotografien aus den Dreissiger- und Vierzigerjahren Erwin Puls im Kulturzentrum Kammgarn einen Teil seiner Sammlung ausstellen. Dazu kam es jedoch nie. Wenige Tage vor der Vernissage erschien ein erboster Stadtrat in der Kammgarn, um mit eigenen Augen den Verdacht auf Pornographie bestätigt zu sehen. So etwas könne man in einer städtischen Liegenschaft nicht tolerieren, wurde Stadtpräsident Hess zitiert. Gar von «Signalwirkung gegen Pornographie» war die Rede.

Hanns Aebli, Mitorganisator der Puls-Ausstellung, bedauert das Verbot noch heute. Er betont, dass es sich bei den Fotografien tatsächlich um Pornographie gehandelt habe, der Künstler damit jedoch nicht schockieren, sondern unsere Gesellschaft abbilden und ein Stück Zeitgeschichte repräsentieren wollte.

Man sei sich der Brisanz der Ausstellung bewusst gewesen und habe sich deshalb um eine ernsthafte Kontextualisierung der Werke bemüht: Es hätten ein evangelischer und ein katholischer Pfarrer an einer Podiumsdiskussion auftreten sollen. Erwin Puls wäre zudem während der ganzen Ausstellung selbst anwesend gewesen, um die Fotografien zu erklären. Nichtsdestotrotz liess sich der Stadtrat nicht erweichen und verhinderte den Zugang der Öffentlichkeit zur Ausstellung.

Die Sammlung von Puls wurde danach in Zürich gezeigt – problemlos, wie zuvor in zahlreichen anderen Städten.

Papp-Pornographie

Im August 2009 war die Vordergasse in Schaffhausen regelmässig mit gaffenden TouristInnen überfüllt, die irritiert oder belustigt am Schaufenster des Schmuckgeschäfts «C’est brillant» stehen blieben. Grund der Aufregung war die Installation «Swiss Fuck Fuck Clock» des Schaffhauser Künstlers Remo Keller, der regelmässig kreativ die Schaufenster des Schmuckgeschäfts dekoriert. Zu sehen war eine rotierende Scheibe, auf der eine nackte Pappfrau und ein nackter Pappmann mit erigiertem Penis einander zu jagen schienen.

Viele empfanden die Figürchen als amüsant, jedoch längst nicht alle: Eine Kundin habe sogleich mit einem empörten Brief die Kundschaft gekündigt, PassantInnen hätten sich beschwert und kurz darauf sei auch schon die Verwaltungspolizei vor der Tür gestanden und habe eine Zensur dieser pornographischen Darstellung gefordert, erzählt «C’est brillant»-Inhaber Jonas Maggiori.

Darauf wurde der Penis des Anstosses zensiert und die Installation mit weiteren Akteuren ausgestattet: Mit ordnungsliebenden Sittenwächtern, die ein Schild mit der Aufschrift «Zensur» trugen. Die Zensur wurde aber nach wenigen Tagen wieder aufgehoben, fügt Maggiori an: Für ein Verbot wäre eine richterliche Verfügung nötig gewesen. So konnten sich die beiden neckischen Figürchen noch etwas länger unbeschwert jagen.