Undurchsichtige Privatschule

In Beringen bietet eine Privatschule asiatischen Studierenden einen Einstieg in die Hotelbranche – und weckt Misstrauen. Eine ähnliche Schule in Neuhausen hat vor ein paar Jahren viel ver­sprochen, aber nichts gehalten.

Die 4000-Seelen-Gemeinde Beringen, das Dorf am Eingang zum «Chläggi» hat vier Restaurants und ein Hotel. Es boomt als Wohnort in der Agglomeration von Schaffhausen und hat zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf. Was weniger bekannt ist: Das Dorf beheimatet auch eine Eventmanagement- und Gastronomieschule; die einzige im Kanton. Das «International Center for Meetings and Events Management» (Icmem) verspricht qualitativ hochwertige Ausbildungen für erfolgreiche Berufskarrieren.

Mitten in Beringen, im Gebäude des Restaurants Gemeindehaus ist seit drei Jahren auch die Icmem eingemietet. Ausser einer bescheidenen Tafel, die am Nebengebäude über der hauseigenen Bäckerei hängt, gibt es für RestaurantbesucherInnen keinen Hinweis auf den Schulbetrieb. Der Betreiber heisst Darren Valu und wohnt laut Telefonbuch in Hemmental. Er ist aber meist weder an seiner Wohnadresse noch im Restaurant erreichbar.

AsiatInnen als Zielgruppe

Es ist Sommer 2012, der Lappi möchte sich die Schule, von der nur die BeringerInnen etwas wissen, genauer ansehen. Nachdem erste Mail-Anfragen und Anrufe unbeantwortet bleiben, ist Darren Valu dann doch für ein kurzes Gespräch am Apparat. Man biete in Beringen regelmässig ausschliesslich ausländischen Studenten Kurse an, erklärt er erst gebrochen auf Deutsch, wechselt dann aber ins Englische. Die Schule sei deshalb kaum bekannt, weil die Zielgruppe asiatische Studierende seien; man habe sich nicht bemüht, in der Region wahrgenommen zu werden. Man sei ausserdem immer noch klein und fange erst richtig an zu wachsen.

Die neue Schule in Beringen.

Wir möchten von Valu gerne mehr über die Geschäftsidee und das Angebot erfahren, ein Treffen kommt vorerst aber nicht zu Stande. Die Schule habe Sommerpause und er selbst weile bis im Herbst nicht in der Schweiz, vertröstet Valu am Telefon.

Icmem ist KEINEM BRANCHENVERBAND ANGESCHLOSSEN. Es trägt aber das Qualitätszertifikat für Weiterbildungsinstitutionen Eduqua. Das Label setzt und überprüft Minimalkriterien, kontrolliert etwa, ob die Infrastruktur genügt oder die Dozenten gewissen Qualifikationen genügen. Eine Kontrolle der Unterrichtsqualität vor Ort führt Eduqua jedoch nicht durch.

Darren Valu, nach eigenen Angaben halb Inder halb Australier und seit dreissig Jahren in der Schweiz und im Gastro-Business, hat in der Region bereits vor Icmem Spuren hinterlassen. Er war ab Herbst 2007 für kurze Zeit Geschäftsführer der «Swiss Management Academy» (SMA), die im Hotel Rheinfall untergebracht war. Auch diese Hotelfachschule richtete sich vorwiegend an asiatische Studierende und bot ähnliche Studiengänge an. An der Schule eskalierte jedoch ein Streit. Einige der Studierende, die mit ihrem Bildungsangebot unzufrieden waren, wehrten sich gegen die schlechten Bedingungen in der Schule. In Briefen an die Schulleitung und die Behörden, die dem Lappi vorliegen, beklagen sich die SchülerInnen: «Wir hatten in den letzten Wochen keinen richtigen Unterricht. Es ist kein Lehrer hier und wir erhalten keine Schulunterlagen. Stattdessen werden wir gezwungen, Hausarbeiten zu erledigen, und wenn wir uns beschweren, droht man uns sofort mit dem Rausschmiss.»

Die Studierenden wandten sich schliesslich an das Arbeitersekretariat, und das Erziehungsdepartement leitete ein Verfahren gegen die Schule ein. Weshalb die Untersuchung angeordnet damals wurde, wollte die Staatsanwaltschaft dem Lappi allerdings nicht mitteilen. Die Untersuchung wurde später eingestellt, die Schule ebenfalls. Die Studierenden verloren ihr Geld und die meisten reisten mit leeren Händen nach Hause. Aber auch er habe zu den Opfern und nicht zu den Tätern gehört, wie Darren Valu dem Lappi gegenüber klarstellt. Eine Anklageschrift bestätigt, dass Valu die Inhaber von Neuhausen eingeklagt hat. Geld habe er aber dennoch keines gesehen, sagt Valu.

Valu hat sich kurz darauf im Restaurant Gemeindehaus in Beringen eingemietet. Er erzählt, dass er den betrogenen Studierenden von Neuhausen helfen wollte. Er habe denjenigen, die wollten, ein halbes Jahr lang auf eigene Kosten Unterricht erteilt. So dass sie wenigstens noch ein bisschen etwas gelernt hätten.

Damals beschliesst Valu auch, in Beringen eine eigene Schule zu eröffnen: Die Icmem. Auf dem Internetauftritt (icmem.ch) finden sich ausführliche Angaben zu Angebot und Konditionen. Allerdings ausschliesslich auf Englisch. Die Schule bietet eine ganze Reihe von Abschlüssen an. Neben einem Bachelor in Hotel- und Eventmanagment stehen verschiedene einfache und höhere Diplome zur Auswahl – sogar einen MBA könne man erwerben. ¨Eine Ausbildung am Institut in Beringen kostet inklusive Gebühren und Unterkunft zwischen 19 000 und 28 000 Franken. Die Dauer der Ausbildungen bewegt sich zwischen einem Jahr und 18 Monaten.

Die VISA-ANTRÄGE FÜR AUSLÄNDISCHE STUDIERENDE werden durch die Kantone überprüft. Auf Nachfrage sagt das Schaffhauser Migrationsamt, dass man den Fall der Neuhauser Swiss Management Academy überprüft und Lehren daraus gezogen habe. Bei Verdachtsmomenten werde auch der Bund eingeschaltet. Routinemässigen Kontrollen, ob Visa zweckmässig erfüllt werden, gebe es aber nicht.

Auch Tipps für den Einreiseprozess in die Schweiz und die Aufenthaltsbewilligung sind auf der Webseite zu finden. Prominent platzierte Fotos zeigen herrschaftliche Häuser der Schaffhauser Altstadt, die prächtigen Alpen und viele gut gekleidete, schön frisierte und lächelnde Arbeitskräfte aus der Hotelbranche. Ein uniformierter Portier hält einladend die Türe auf, sechs Köche lachen in die Kamera, der Schriftzug «Front Office» über dem Empfang ist mit Neonlampen ausgeleuchtet. Das alles vermittelt Eleganz oder gar einen Hauch von Glamour. Zumindest im Internet.

Ämtliplan statt Eleganz

Mit der Realität hat dies nur bedingt zu tun. Im schmalen Eingangsbereich des Restaurant Gemeindehaus hängt am Korkbrett der Ämtliplan an der Wand, der Eingang zum Esssaal ist um die Ecke. Keine goldene Theke, kein Portier mit weisser Mütze. Stattdessen gutbürgerliche Küche in einem traditionellen Gemeindehaus im flach-ländlichen Beringen. Die Schule nutzt hier die Räumlichkeiten. Der Saal im ersten Stock, den das Restaurant für Gesellschaften braucht, dient als Unterrichtsraum.

Der Lappi trifft Darren Valu im Februar 2013, sechs Monate nach dem ersten Telefonat, schliesslich doch noch persönlich. Die Verständigung ist nicht ganz einfach. Ein Mitarbeiter von Valu, der nicht mit Namen genannt werden möchte, vermittelt. Valu hat einen grossen Stapel Dokumente vorbereitet. Medienberichte, Protokolle, Briefe. Er zeigt die Klage seines Anwaltes gegen die Inhaber der Schule in Neuhausen, den Briefwechsel mit dem Schaffhauser Migrationsamt. Zu verbergen habe er nichts. Es tue im Leid, sagt Valu, dass ein Treffen nicht früher zustande gekommen sei. Er habe gesundheitliche Probleme, sei im letzten Jahr oft weg gewesen. Er gebe gerne Auskunft, frage sich aber, wieso man auf ihn komme.

Dann erzählt er von seinen Anfängen, seiner Erfahrung. Angefangen habe er als Student in der Hotelfachschule Chur, der Aufbau des ersten Mövenpick-Restaurants in Singapur war sein erstes grosses Projekt. Er wisse unterdessen, und in dieser Frage könne man ihn getrost herausfordern, auf was es in der Gastro- und Hotelbranche ankomme. «Wenn man das Basiswissen nicht hat, wird man nicht erfolgreich sein.» Und das vermittle er in Beringen: «Wir lehren den Studierenden, wie man richtig geht, wie man richtig spricht. Wir lehren sie, wie man richtig isst und wie man mit Leuten aus verschiedenen Kulturen richtig umgeht.» In Indien oder in Pakistan gebe es keine Berufslehre, darum müssten die Leute in die Schweiz. «Wenn einer wirklich gut ist, kann er nachher alles machen», betont Valu. Zuerst ein Diplom in Beringen, dann die Welt.

Der alte Standort der Schule in Neuhausen.

Als wir auf die renommierten Hotelfachschulen in der Schweiz zu sprechen kommen, winkt Valu ab: «Man kann uns nicht damit vergleichen. Wir vermitteln nur einen Einstieg.» Die Ausbildung an der Icmem sei so etwas wie ein Berufattest, eine Anlehre. Eine Anlehre für bis zu 28’000 Franken? «Das ist viel Geld, aber viel günstiger als in Zürich oder Lausanne.» Zwölf SchülerInnen studieren momentan bei Valu in Beringen. Alle streben ein Diplom an, die Bachelorprogramme, die auf der Homepage beworben werden, seien ausgesetzt. Valu unterrichtet selbst, auch die Wirte des Restaurant Gemeindehaus sind als Lehrer angestellt. Die Frage, ob Valu mit der Schule auch gutes Geld verdient, bleibt unbeantwortet. Auf jeden Fall ist der Unternehmer überzeugt, das Richtige zu tun.