Der Lappi übt sich in Spiritualität. Die Esoterikmesse in Olten bietet EinsteigerInnen einen umfassenden Einblick.
Irgendwo in der Schweiz findet immer eine Esoterikmesse statt. Der Markt scheint riesig zu sein, wobei allerdings noch abzuklären wäre, ob wirklich in jeder Stadt, wo eine solche Messe stattfindet, genügend Interessierte leben, oder ob die esoterisch angehauchte Kundschaft einfach im Schlepptau der Standbetreiber von einer Messe zur nächsten zieht.
Der Lappi hat die «Esoterik & Naturamesse» in Olten für einen Besuch ausgewählt. Laut Flyer wird an 57 Ständen alles von Heilung durch Handauflegen über Aurafotografie bis zum türkischen Kaffeesatzlesen angeboten. Daneben gibt es zahlreiche Vorträge von Gurus der Szene zu hören, besonders gespannt sind wir auf das Referat «Maitreya, der Weltenlehrer, ist an die Öffentlichkeit getreten».
«Es wirkt, auch wenn man nicht daran glaubt»
Nach zehn Minuten Handlesen für zwanzig Franken bescheinigen dem Autor ein Scanner, ein Bildschirm und ein Drucker, allesamt AUS DEN 90ERN: «Sie sind freundlich und intelligent und haben eine Antenne für das Metaphysische» und «Sie besitzen einen sehr starken Sexualtrieb.» Aber: «Nutzen Sie Ihre Fähigkeiten zur Förderung Ihrer Karriere und nicht bloss zu zweifelhaftem persönlichen Vergnügen». Schade nur: «Die Aussagen dieses Druckes sind unverbindlich. Der Verfasser übernimmt keinerlei Haftung.»
In Olten angekommen, schlendern die Lappi-Redaktoren, halbherzig als unvoreingenommene Besucher getarnt, durch die Messe. Sie ist überraschend klein, das reiche Angebot findet in zwei Räumen Platz. Den grössten Stand hat die Versandbuchhandlung «Artha» gemietet. Zwischen Hunderten von Büchern über Meditation, Engel und Astrologie entdecken wir einige Trouvaillen.
Uns interessiert zum Beispiel, was man sich unter «Yoga für Katzen» vorstellen muss, und wir stellen überrascht fest, dass ein mehrere hundert Seiten starkes Buch mit dem Titel «Die Lingam-Massage» genau das lehrt, was das ekstatisch verzerrte Männergesicht auf dem Cover vermuten lässt: die alte indische Kunst der manuellen Befriedigung eines männlichen Partners. Etwas irritiert sind wir angesichts mehrerer Titel, die offenbaren, dass Adolf Hitler nicht im Führerbunker gestorben, sondern nach Südamerika geflüchtet ist.
Weiter zum nächsten Stand: Auf nur einem Quadratmeter verkauft eine Frau, die sich nicht für wehende Tücher in Aquarellfarben, sondern für ein adrettes Deux-Pièces entschieden hat, «Biochips». Es handelt sich dabei nicht um frittiertes Kartoffelgebäck, sondern um ein dreieckiges Kärtchen aus Plastik, in das ein Magnetstreifen wie bei einer Bankkarte eingelassen ist und das man an einem schlichten Band um den Hals trägt. Auf dem Magnetstreifen sind, wie uns die Dame erklärt, die Informationen von Kräutern wie Lavendel und Rosmarin abgespeichert. Diese dringen über den Solarplexus in den Körper und bringen die körpereigenen Schwingungen ins Lot, helfen beim Abnehmen oder bei der Rauchentwöhnung. «Das wirkt auch, wenn man nicht daran glaubt», versichert uns die Verkäuferin.
«Der Stern von Bethlehem war auch ein Ufo»
Wir schlendern noch ein wenig an heilsamen Steinen aus der Sahara und bewusstseinserweiternden Brillen vorbei, bis es Zeit ist für den Vortrag von Maitreya, dem Weltenlehrer. Doch der Erhabene selbst ist nicht anwesend, das Referat wird von einem seiner Jünger gehalten. Der Weltenlehrer habe sich schon offenbart, in dem er in Spanien einen Handabdruck auf einem Spiegel hinterliess, lebe in London und kommuniziere über den Buchautor Benjamin Creme mit der Welt.
Am Stand von Maharaa lockt DER DUFT VON TÜRKISCHEM KAFFEE. Er kostet läppische 120 Franken, Kartenlegen, Namensanalysen und natürlich die professionelle Lektüre des Kaffeesatzes gibt’s gratis dazu. Maharaa ist nach eigenen Angaben in ganz Europa bekannt und wurde im Alter von 25 Jahren zum Zigeuner-Orakel ernannt. Damit gehört sie zu einem Kreis der zwölf stärksten Medien, der schon seit 1407 besteht. Eine kürzere und günstigere Behandlung möchte sie nicht anbieten. «Es wäre nicht fair gegenüber meinen Kolleginnen, die ähnliche Dienste anbieten, wenn ich günstiger wäre.» Preisabsprache? Auf jeden Fall herrscht zwischen den AnbieterInnen eine freundliche Atmosphäre ohne sichtbare Konkurrenz-Ängste.
Günstigere Getränke ohne spiritistische Ausführungen des Servierpersonals, dafür MIT SPIRITUÖSEM INHALT, gibt es an der Bar vor dem Eingang zum Messeraum.
Maitreya ist, wie wir lernen, einer von 63 kosmischen Meistern, die peÂriodisch aus ihrer geistlichen Hierarchie auf die physische Erde kommen. «Die beiden Grossen, Buddha und Christus, haben den nächsten Lichtbringer angekündet», erklärt der Referent verzückt, nach der Detonation der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki sei die Ankunft des Meisters erneut vorausgesagt worden. Die Lehre von Maitreya verbindet alles, was Religion oder Esotherik ist, zu einem grossen, verwirrenden Ganzen. Wir lernen unter anderem: «Unser höchstes Selbst hat eine so hohe Schwingung, dass es eine Seele braucht, damit wir eins werden mit dem, was wir sind», oder «Elvis stand kurz vor der ersten Stufe der Einweihung, Einstein war auf der dritten Stufe und Buddha auf der fünften». Sokrates, Platon, Jeanne d’Arc und Marie Curie waren in der Lage, die Energien der Meister zu verstehen, und dies nur als Nebensatz erwähnt: «Der Stern von Bethlehem war auch ein Ufo.»
Ja, plötzlich geht es auch um Ufos. Eine ganze Flotte davon fliegt nämlich ständig um die Erde herum, um die Atmosphäre von den schädlichen Auswirkungen der Atomkraftwerke zu säubern. Und irgendwie haben die Tierkreiszeichen, der Untergang von Atlantis und Tränen weinende Madonna-Statuen auch etwas mit dem Ganzen zu tun. Zum Schluss verspricht uns der Referent mit strahlenden Augen: «Der Tag der Erklärung kommt bald. Dann wird Maitreya gleichzeitig auf allen Fernsehschirmen der Welt erscheinen und zu uns sprechen. Jeder, der über vierzehn Jahre alt ist, wird ihn auf telepathische Weise verstehen.»
Etwas verwirrt erholen wir uns bei einer Zigarette, als uns ein freundlicher, rundlicher Herr Mitte fünfzig anspricht. Wie sich herausstellt, handelt es sich um Peter Kapfer, den Messeleiter. Ein Stand könne alles in allem bis zu 3’000 Franken kosten, dennoch seien die Preise der Beratungen und Produkte tiefer als früher, vor allem aber tiefer als an grösseren Messen. Dennoch müsse er als Messeleiter auf der Hut sein vor Scharlatanen. «Vor kurzem hat an einer Messe in Basel ein Hellseher einer alten Dame 3’500 Franken abgeluchst. Solche Abzockerei dulden wir nicht.» Und noch etwas mag der Messeleiter nicht: kritische Journalisten. Am Vortag habe er das Team eines lokalen, christlichen Fernsehsenders rausschmeissen müssen. «Die haben gesagt, Tarot-Karten seien Teufelszeug und überhaupt alles schlecht gemacht, so etwas mag ich gar nicht.» Die Lappi-Redaktion versteht die sanfte Drohung und macht sich aus dem Staub, geistig nicht viel reicher, aber im Portemonnaie auch nicht viel ärmer.