150 Wohnungen unter dem Hammer

Nach 50 Jahren gemeinnützigem Wohnungsbau wurde die Genossenschaft Talberg gewinnbringend verkauft. 5 Millionen werden ausgeschüttet.

Bis vor kurzem gehörten diese Liegenschaften an der Furka­strasse in Buchthalen der Genossenschaft Talberg.

Die Liquidation der Wohnbaugenossenschaft Talberg ist beinahe abgeschlossen. Vor drei Jahren entschied die Generalversammlung, die Genossenschaft aufzulösen und die Wohnungen zu verkaufen. Seither zieht sich der Prozess hin, Streitigkeiten zwischen den AnteilseignerInnen haben ihn immer wieder verzögert.

Rund fünf Millionen Franken werden nun gemäss Elisabeth Brandenberger, Präsidentin der Verwaltung und heute Liquidatorin, ausgeschüttet und an die etwa 40 GenossenschafterInnen verteilt. Damit sind aber nicht alle GenossenschafterInnen einverstanden. Die Gewerkschaften Unia und vpod und die Deutschschweizer Wohnbaugenossenschaft Logis Suisse – allesamt Anteilseigner – haben sich gegen den Verkauf und die Ausschüttung der Gewinne gewehrt.

In den Statuten war nämlich verankert, dass eigene Mittel in gemeinnützigen Wohnraum fliessen sollen. Werde liquidiert, müsse wenigstens der Gewinn (nach Abzug der Anteilsscheine) weiterhin dem gemeinnützigen Wohnungsbau bereitgestellt werden. Unia, vpod und Logis Suisse waren bei der entscheidenden Generalversammlung aber chancenlos.

Rechtliche Schritte hätten offenbar keinen Erfolg gebracht. Juristische Abklärungen von Logis Suisse ergaben, dass der Passus nie bindend gewesen war.

In der Gründerzeit in den 60er Jahren habe man sich genau darum bemüht und einen langen Streit mit der Steuerbehörde ausgefochten, berichtet Liquidatorin Brandenberger. Diese habe der Talberg-Genossenschaft partout keine Steuererleichterung wegen Gemeinnützigkeit gewähren wollen.

Das Interesse hat gefehlt

Die Talberg-Genossenschaft wurde allerdings auch nicht mit dem Ziel gegründet, gemeinnützigen Wohnraum zu schaffen. Es ging den Gründern – allesamt Handwerker und Unternehmer – in erster Linie darum, Arbeit für sich zu beschaffen. Sie kauften Liegenschaften und bauten eine nach der anderen um.

In der Zwischenzeit sind die Anteilsscheine auf die Söhne und Töchter der Gründer übergegangen, vorwiegend erfolgreiche UnternehmerInnen. Zu ihnen zählen beispielsweise auch Malermeister Peter Dreher, Pro-City-Chef Ernst Gründler und Immobilienmakler Aniello Fontana.

Ein echtes Interesse an der Genossenschaft hätten viele ErbInnen aber nicht gehabt, berichten mehrere AnteilseignerInnen. Elisabeth Brandenberger drückt es diplomatischer aus: Es habe schon lange Zeit Probleme gegeben, Leute zu finden, die sich einsetzen wollten.

Zum fehlenden Interesse an der Genossenschaft kam dringender Investitionsbedarf hinzu. Die insgesamt 150 Wohnungen (eine Siedlung im Birch, eine an der Furkastrasse und ein Block in der Breite) seien in einem schlechten Zustand und renovationsbedürftig, die Räume in vielen Wohnungen für heutige Standards zu klein, so Brandenberger. Für die Renovation hätte man viel Geld aufwenden müssen, die Renditeaussichten schienen dagegen bescheiden.

Plötzlich ging es schnell

Als die Unia und der vpod in den 80er Jahren zu ihren Anteilsscheinen kamen, sah die Situation für die Talberg-Genossenschaft allerdings auch schon wenig rosig aus. Damals geriet die Genossenschaft in finanzielle Schieflage. Die Gewerkschaften sprangen in die Bresche, pumpten Geld hinein und konnten den drohenden Niedergang abwenden. Zumindest vorläufig.

Vor einigen Jahren setzte sich die Talberg-Verwaltung zusammen und liess einen Businessplan erstellen. Es sollte ausgelotet werden, was man zu welchem Preis sanieren müsste. Der Businessplan zeigte auch, dass der Wert der Liegenschaften den der Anteilsscheine um ein Vielfaches übersteigt. Es seien für rund 500’000 Franken Anteilsscheine gezeichnet gewesen, so Brandenberger. Der Wert der Liegenschaften bezifferte sich aber auf etwa fünf Millionen Franken.

Von einer Sanierung sprach wenig später keiner mehr, stattdessen wurde die Liquidation vorbereitet. Bald war diese auch bereits beschlossene Sache. Böse Zungen behaupten, die GenossenschafterInnen hätten es nur noch auf das Geld abgesehen gehabt, von der Gegenseite heisst es, die Liquidation sei nach Prüfung aller Alternativen als Letzte übrig geblieben.

Für die Liegenschaften der Genossenschaft gab es drei Käufer. Als erstes wurden die Liegenschaften im Birch zum Verkauf ausgeschrieben. Den Zuschlag bekam ein Immobilienspekulant aus Israel. «Das war ganz klar ein Fehlgriff», gibt Brandenberger heute zu.

Den Block in der Breite kaufte ein Handwerker aus der Genossenschaft, der die Wohnungen weiter vermieten will. Bei der Liegenschaft an der Furkastrasse nahm die Stadt ihr Vorkaufsrecht wahr. Derzeit verwaltet die Stadt die Liegenschaft selbstständig. Laut Stadtrat eine Übergangslösung.

Elisabeth Brandenberger empört sich über die Gewerkschaften, die eine geordnete Auflösung verhindern würden. Vpod und Unia hätten sich nie für die Genossenschaft interessiert und wollten nun den Erlös für ihre eigenen Zwecke, also gemeinnützigen Wohnungsbau, abzweigen. «Die Leute, die spät dazugestossen sind, wollen Geld abholen, das sie nicht verdient haben», sagt sie.

Einige haben «Glück gehabt»

Die Gewinnspanne ist tatsächlich verlockend, wenn man für einen Anteilsschein den zehnfachen Preis wieder ausbezahlt bekommt. Einige Leute hätten «Glück gehabt» und sich mit Zukäufen kurz vor der Liquidation eine goldene Nase verdient, geben GenossenschafterInnen zu Protokoll. Sie sagen auch, dass Aniello Fontana von allen Genossenschaftern das höchste Anteilsscheinkapital besessen habe. Fontana, dessen Firma Ritter Immobilien-Treuhand AG mit der Liquidation betraut ist, ist Mitglied der Verwaltung der Wohnbaurgenossenschaft Talberg.

Gegenüber dem «Lappi» weicht Fontana auf die Fragen nach seinen Anteilsscheinen aus. «Ich habe keine Anteilscheine der Wohnbaugenossenschaft Talberg», gibt er zur Antwort. Erst auf die akkurate Nachfrage nach den Besitzerverhältnissen, gibt er an, dass «Fontana Invest ihre Anteile vor etwa sechs Jahren zum Nennwert verkauft» habe. Ob er der grösste Anteilseigner gewesen sei, will der Immobilienunternehmer nicht sagen. Auch auf die Frage, wie er in den Besitz der Anteilsscheine kam und wem er sie verkaufte, schweigt er beharrlich. Die Anteilsscheine könnten demnach gut in einem seiner Firmenkonstrukte verschwunden sein, um den Liquidator aus der Schusslinie zu manövrieren. Dass der erfahrene Makler Fontana seine Anteilsscheine kurz vor der gewinnversprechenden Liquidation einfach so abstösst, scheint jedenfalls wenig wahrscheinlich.

Suisse Logis, die sich zusammen mit Unia und vpod gegen die Auflösung gewehrt hatte, kündigte nach Bekanntwerden der Liquidation die Zusammenarbeit mit Fontana Invest auf. Dass dies mit Aniello Fontana und seiner Rolle bei der Liquidation zu tun hatte, will man bei der Logis Suisse allerdings nicht bestätigen. Sie habe lediglich sicherstellen wollen, dass ihre Liegenschaften der Spekulation entzogen werden.

Wer am Ende das viele Geld bekam, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Auch die GewerkschafterInnen können heute nur bruchstückhaft erzählen, was sich in den letzten Jahren tatsächlich abgespielt hat. Die Präsenz an Generalversammlungen sei nicht überragend gewesen und einen Überblick über das Geschehen habe zuletzt niemand mehr gehabt, gestehen einige der GewerkschafterInnen ein. Das Kapitel ist für sie beendet, die Protokolle der Generalversammlungen sind im Schredder gelandet.