Arbeit hat nicht nur ökonomische Aspekte. Ich hatte einmal eine Arbeit, die ich liebte. Auf die ich stolz war. Für die ich Wertschätzung erhielt. Die mich forderte. Die mich auslaugte. Die mir Depressionen bescherte. Die mich eines Tages mit einem Nervenzusammenbruch in die Notfallstation brachte. Ich hatte eine Arbeit, die ich hasste. Ich kündigte.
Am ersten Tag meiner selbst gewählten Arbeitslosigkeit fühlte ich mich unfassbar befreit. Am zweiten Tag merkte ich, dass ich todunglücklich war. Ich vermisste meine Arbeit, die ich liebte und hasste. Ich vermisste die Befriedigung, etwas erschaffen zu haben, worauf ich stolz sein konnte. Ich vermisste sogar den Stress und die permanente Belastung. Denn ohne all dies kam ich mir wertlos vor. Der Wert der Arbeit bemass sich in diesem Fall offenbar nicht nach der relativ geringen Lohnsumme, die Ende Monat auf meinem Konto landete. Und das, so musste ich mir im Nachhinein eingestehen, war ein Privileg.
Warum Arbeit mehr ist – oder zumindest mehr sein sollte – als blosser Broterwerb und warum sich politische Diskussionen über Arbeit nicht in Lohnforderungen erschöpfen sollten, ergründet der Lappi im Gespräch mit dem Arbeitspsychologen Ueli Kraft auf Seite 34.
Die Arbeit von Karina Kaminska aus Polen beruht indes hauptsächlich auf ökonomischen Aspekten (Seite 30). Sie pflegt – durchwegs nicht immer pflegeleichte – Schweizer RentnerInnen, um ihrer Familie zu Hause den Lebensunterhalt zu finanzieren.
Ungeachtet aller immateriellen Werte, die unsere Arbeit beinhaltet: Ohne angemessenen Lohn geht es nicht. Auf Seite 26 reist der Lappi in die Vergangenheit und erzählt von Arbeitskämpfen in der Schaffhauser Geschichte des letzten Jahrhunderts.
Die Arbeit für diesen Lappi hätte bei einem Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde, wie ihn die Gewerkschaften fordern, übrigens mit rund 10’000 Franken entlöhnt werden müssen, denn hier drin stecken mehr als 450 freiwillige Arbeitsstunden, wovon zwei allein dieser Text beansprucht hat. Beim Lappi spielt der ökonomische Aspekt der Arbeit eine untergeordnete Rolle. Wir lieben die Arbeit für ihn, und manchmal hassen wir sie auch. Vielleicht verhält es sich beim Lappi ja so, wie es Psychologe Ueli Kraft sagt: «Ich bin dann motiviert, wenn ich eine Perspektive habe, wenn ich eine Möglichkeit habe, zu zeigen, was ich kann, wenn ich Anerkennung bekomme und Wertschätzung erfahre, wenn man das Produkt auch brauchen kann.» Und dies wagen wir in aller Bescheidenheit zu hoffen.