Ein Lied zum Wegschmeissen

Kennst Du das «Rhyfall-Lied»? Eben. Trotz prominentem Taufpaten lässt die Vermarktung zu wünschen übrig – eine ganz, ganz vorsichtige Annäherung.

Der Lappi haftet nicht für ALLFÄLLIGE RECHTLICHE KONSEQUENZEN UND FOLGEKOSTEN, die aus der Veröffentlichung dieses Textes für Thomas Minder wegen eines Verstosses gegen das Gewässerschutzgesetz entstehen könnten.

Ein kühler Tag am Rheinfall, der Himmel wolkenverhangen. Auf dem gelben Mändli-Boot sitzt nur ein einziger Passagier. Ernst und nachdenklich blickt er durch den Dunst der Gischt zum Felsen. Thomas Minder, Ständerat und Vater der Abzockerinitiative, ist in wichtiger Mission zum Zentrum des grössten Wasserfalls Europas unterwegs: Er wird das «Rhyfall-Lied» taufen.

Es ist verzeihlich, wenn Du nicht weisst, was das Rheinfalllied ist, denn kaum jemand kennt es. Aber wer es kennt, liebt es: Nach der Ausstrahlung von «SRF bi de Lüt» aus Neuhausen empörten sich mehrere Leserbriefschreiberinnen in den «Schaffhauser Nachrichten darüber, dass in der Sendung das Rheinfallied nicht gespielt wurde: «Das Rheinfalllied hätte perfekt in die Sendung gepasst», «Zu einer Rheinfallsendung gehört das wunderschöne Rheinfalllied» und «Hätte diese Sendung auf dem Munot stattgefunden, bestimmt hätte das SRF das Munotglöggli ausgestrahlt», wurde kritisiert.

Das geheimnisvolle Lied kennenzulernen, ist gar nicht so einfach. Es hat zwar eine eigene Webseite, doch das vollständige Lied oder zumindest einen Text sucht man dort vergeblich. Nur eine Tonspur des Refrains und einzelne Textpassagen sollen gluschtig machen. Wer das Lied hören will, muss schon die DVD kaufen. Bei Schaffhauserland Tourismus ist man sich zuerst nicht sicher, ob sie noch erhältlich oder bereits vergriffen ist. Offenbar ist diese DVD heiss begehrt. Schliesslich wird noch ein Exemplar gefunden, es kostet 20 Franken.

Natürlich singt der Rheinfall

Der Clip «Die Geschichte des Rheinfalllieds» schildert, wie die Idee für das Lied in den Sechzigerzigerjahren bei einem Glas Wein entstand, das Lied aber nach seiner Vollendung jahrzehntelang in einer Schublade schlummerte. Vor zwei Jahren wurde dem Lied mit einer neuen Fassung in Schweizerdeutsch und der filmischen Bearbeitung neues Leben eingehaucht. Nach diesen Erklärungen kann der geduld­strapazierte Musikfreund endlich das eigentliche Lied hören. Ein gemischter Chor in leuchtend farbigen Kleidern singt es an den verschiedenen touristischen Hotspots rund um den Rheinfall.

Zur Sicherheit gibt es englische Untertitel des Textes. Dieser scheint ganz eindeutig von Gerhard Blochers unsterblichem Satz «De Riifall ruuschet nid, er singt!» inspiriert. Der Rheinfall erscheint im Text nicht als visuelles Schauspiel, sondern als reines Geräuscherlebnis. Er spricht, ruft uns zu, begleitet uns, vor allem aber singt er.

Die DVD hat noch mehr zu bieten: Zwei Clips in bestem Achzigerjahre-Stil schildern eine Chorprobe und die Aufnahme im Studio. Das eigentliche Highlight ist jedoch der Taufakt mit Thomas Minder.

Auf der Spitze des Rheinfallfelsens angelangt, blickt der Taufpate erneut mit ernster Miene in die Gischt. Er geht in sich, lässt die unbändige Kraft des Wasserfalls auf sich wirken. Dann holt er tief Luft und kräht in breitem Schaffhauserdeutsch gegen das tosende Rauschen an: «Liebs Rhyfall-Lied, ich tauf dich hüt mit Rhyfallwasser. Und schick di uf di langi, grossi Reis i d’Welt use. Gang, suech ä Huufe Lüüt, chliini, grossi, jungi, alti. Und sing mit ihne zäme dis Lied und gäbeds wiiter.» (sic!) Man hat es befürchtet und kann es doch kaum glauben: Während die Klavierbegleitung des Lieds erklingt, schleudert Thomas Minder die DVD schwungvoll in die Wassermassen.

DER TEXT DES «RHYFALL-LIEDS»
(Text: Georges Müller, Melodie: Heinz Kriesinger, Schweizerdeutsche Umsetzung: Evelyne Leutwyler)

Refrain
Du herrliche Rhyfall
Ich lose dim Rusche,
Ich ghöre dis Lied, dis Lied
Und verstohn was du säge tuesch.
Oh herrliche Rhyfall,
Ich ghöre dis Lied, dis Lied,
Wo mit dine Wälle a mir verbii zieht.

1. Strophe
Wie mängsmol scho bin ich versunke
Am Ufer gstande und ha dänkt,
Wie früener ich em Schiff ha gwunke,
Dur d’Wälle pflüeget, sicher glänkt.
Bi Tag und Nacht ghör ich di Ruusche,
Es isch als rüeftisch du mir zue:
Chum los, was ich dir wett verzelle,
Chum los mer zue, chum los mir doch zue.

2. Strophe
Ich ghöre dini Stimm mir säge:
Chum mit und blib doch nid do stoh.
Begleit mich doch uf mine Wäge,
Chum mit zum Meer, lo alles do.
Uf dinem Weg, de du jetzt go wirsch,
Grüess mir de alti Vater Rii.
Ich bliibe do und los dis Ruusche,
So mueses sii, so mueses doch sii.