Ein sicherer Hafen für «Piraten»

Das Herunterladen von Filmen und Musik ist in der Schweiz legal. Auch wer die Daten anbietet, hat im Moment nichts zu befürchten.

Laut einer Schätzung laden in der Schweiz rund ein Drittel der über 15-jährigen Internetnutzer Musik, Filme und Computerspiele herunter, ohne dafür zu bezahlen. Trotzdem herrschen auch zwanzig Jahre nach den ersten Downloads auf Napster Unsicherheit und Halbwissen über die rechtliche Situation und darüber, wie intensiv Nutzer tatsächlich verfolgt werden. Viele laden Musik und Filme deshalb mit einem mulmigen Gefühl herunter.

Es ist noch nicht lange her, als Mega­upload, damals einer der grössten Onli-ne-Speicherdienste, von der US-Justiz geschlossen und ihr Chef «Kim Dotcom» in Neuseeland verhaftet wurde. In den USA soll ihm wegen illegalem Filesharing der Prozess gemacht werden. Die jüngsten Meldungen über flächendeckende Internetüberwachung durch die NSA dürften die Unsicherheit bezüglich Download von Musik und Filmen auch nicht gerade mindern.

Inwieweit muss sich denn nun der Hobby-­Internetpirat tatsächlich vor Konsequenzen fürchten, in einem Zeitalter, in dem sich das Internet vom rechtsfreien internationalen Gewässer hin zum Quartierswimmingpool mit Bademeister zu entwickeln scheint?

Lockere Gesetzgebung

Rechtlich ist der Fall klar: Der Download von Filmen und Songs für den Privatgebrauch ist in der Schweiz legal, auch wenn diese urheberrechtlich geschützt sind. Daran ändert sich – im Gegensatz zu anderen Ländern wie beispielsweise Deutschland – auch nichts, wenn die Datei von einer offensichtlich unberechtigten Quelle heruntergeladen wird. Auch das Streaming ist legal, weil es sich dabei um einen reinen Konsum des Werkes handelt, für den ebenfalls keine Zustimmung des Urhebers nötig ist.

Illegal ist nur der Upload, also die Weitergabe von urheberrechtlich geschütz-ten Inhalten im Internet. Problematisch wird es deshalb, wenn der Nutzer für seine Downloads Internet-Tauschbörsen wie Bittorrent benutzt. Diese funktionieren nach dem sogenannten Peer-to-Peer-Prinzip: Der Nutzer lädt die Film- oder Musikdateien paketchenweise von den Computern anderer Nutzer herunter, gleichzeitig aber werden von seinem Computer Dateipakete für andere Nutzer für den Download zur Verfügung gestellt. Solche Uploads verstossen gegen das Urheberrecht und der Nutzer kann vom Urheber angezeigt und auf Schadenersatz verklagt werden.

Soweit so gut, aber kann ein Nutzer von Internet-Tauschbörsen auch tatsächlich zur Rechenschaft gezogen werden?

2005 startete die Schweizer Landesgruppe des Musik- und Filmbranchenverbandes IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) eine Kampagne mit dem Namen «Game over», um aktiv gegen Filesharing vorzugehen. Neben Aufklärung ging der IFPI auch straf- und zivilrechtlich gegen Privatpersonen vor. Laut der IFPI-Website ergingen in den Jahren darauf «zahlreiche Strafurteile» gegen Filesharer, und «zivilrechtlich mussten erwischte Raubkopierer neben der Löschung aller illegalen Musikfiles vor allem auch Schadenersatz in der Grössenordnung zwischen 3’000 und 10’000 Franken leisten.»

Solche Schadenersatzzahlungen erfolgen im Normalfall aussergerichtlich, wodurch die hohen Verfahrenskosten eingespart werden können. Dabei werden mutmassliche «Raubkopierer» in sogenannten Abmahnbriefen auf die Urheberrechts­verstösse hingewiesen und unter Androhung einer Strafanzeige oder Schadenersatzklage zu einer Ausgleichszahlung aufgefordert.

Keine Anonymität

Die Schwierigkeit für die Rechtsinhaber besteht jedoch darin, die Personen zu identifizieren, über deren Anschluss die Urheberrechtsverletzung erfolgt. Dafür muss zuerst die IP-Adresse des verwendeten Internetanschlusses ermittelt werden. Sie ist der einzige Hinweis auf die Person, da die Nutzer in Internet-Tauschbörsen lediglich mit einem Benutzernamen angemeldet sind.

Zur Ermittlung der IP-Adresse beauftragten die Rechtsinhaber Drittunternehmen, welche speziell dafür entwickelte Software einsetzen. Diese gibt sich als Nutzer von Internet-Tauschbörsen aus und sucht in diesen nach urheberrechtlich geschützten Inhalten. Danach startet sie den Download und speichert die IP-Adresse des Internetanschlusses, von welchem die betreffende Datei hochgeladen wird.

Über den Internetprovider kann dann der jeweilige Anschlussinhaber identifiziert werden. Dazu müssen die Rechtsinhaber aber Strafanzeige gegen unbekannt einreichen, da der Internetprovider die Nutzerdaten nur der Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Strafverfolgung weitergeben darf. Über die Akteneinsicht im Strafverfahren können die Rechtsinhaber dann an die Angaben zum Anschlussinhaber gelangen.

Dieser Vorgehensweise der Musik- und Filmindustrie hat das Bundesgericht 2010 den Riegel vorgeschoben. Die Richter werteten das Sammeln von IP-Adressen in Tauschbörsen durch private Unternehmen als Verstoss gegen das Datenschutzgesetz und erklärten es für unzulässig.
Verfolgt wird niemand

Das bundesgerichtliche Verbot hat die Praxis der Verfolgung von illegalem Filesharing in der Schweiz nachhaltig verändert. Laut Lorenz Haas, Geschäftsführer von IFPI Schweiz, führte das Urteil zu einer Rechtsunsicherheit bezüglich Ermittlung und Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen. Die meisten Schweizer Staatsanwaltschaften hätten die Strafverfahren gegen FilesharerInnen eingestellt, weil sie die ermittelten IP-­Adressen als widerrechtlich erlangt betrachteten. Somit waren die Beweismittel ungültig. Seit 2010 geht die Zahl der verfolgten Internetnutzer deshalb laut Haas «gegen Null». Man sei momentan allerdings im Gespräch mit dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, um über mögliche zulässige Ermittlungsmethoden zu verhandeln.

Im Klartext bedeutet diese Aussage, dass in der Schweiz seit drei Jahren nicht mehr gegen illegales Filesharing vorgegangen wird. Wer in der Schweiz also Filme oder Musik im Internet tauscht hat de facto bereits seit längerem nichts zu befürchten.

Ein Gastbeitrag von Matthias Perrin