Ohrenstöpsel statt Bürgerwehr

Der «Altstädtler» will uns das Feiern verbieten. Eine Replik auf die jüngste Entgleisung des Ü60-Vereins.

Bilder: ya.

Das Quartiervereinsblatt «de Altstädtler» sieht die Stadt im Chaos versinken. Unter dem Titel «Die Altstadt leidet weiter» lässt sich Max Baumann über das Nachtleben aus. Er beschreibt «Lärm und Gezänk unter den Wohnungsfenstern mitten in der Nacht, erbrechende (auch Mädchen) und urinierende Betrunkene, Abfall am Boden und auf Schaufenstersimsen».

Und es geht noch weiter: «Zerstörte Fahrräder bei den Veloständern, ausgerissene Blumenarrangements der Stadtgärtnerei auf Brunnen und Plätzen, tätliche Auseinandersetzungen – und das im Sommer Wochenende für Wochenende.» Das Beweisfoto neben dem Artikel zeigt denn auch das Ausmass der Katastrophe: eine zu Boden geworfene Taschentuchverpackung und Zigarettenstummel.

Der Autor weiss jedoch eine ganz einfache Lösung: Weil Kameras und Plakatkampagnen «nutzlos» und die Polizei «‹überqualifiziert› und somit zu teuer» ist, soll ein privater Sicherheitsdienst für Ruhe und Ordnung sorgen. Eine Art Bürgerwehr also.

Im Namen aller, die in der Altstadt nicht nur schlafen, sondern auch leben wollen, teilen wir dem Ü60-Quartierverein mit: Es war nicht unsere Generation, die MacDonalds und Ikea zum Durchbruch verholfen und damit die Wegwerfgesellschaft installiert hat. Wir werden früher oder später nicht nur unseren, sondern auch Euren kumulierten Müll bewältigen müssen.

Also jammert nicht über ein paar Zigarettenstummel und Taschentuchverpackungen in den Gassen. Ihr hinterlasst uns Fässer voller radioaktivem Müll und beklagt euch über ein paar Bierdosen. Ihr seht den Untergang der westlichen Kultur herbeiziehen, wenn nach 22 Uhr noch Lärm in den Gassen nachhallt. Ihr habt die Welt geschunden, wollt nun aber ruhig schlafen.

Nehmt lieber ein zweites Kissen, wenn es abends in den Gassen laut wird. Und seid froh, dass wir nur beim Feiern Lärm machen. Denn die Jugend kann auch anders laut werden. Wie Ihr, als Ihr noch jung wart.

Die Jugend, über deren Sittenzerfall Ihr jammert, wird Euch eines Tages durchfüttern, wenn Ihr nicht jetzt schon darauf angewiesen seid, dass Euch eine Rente überwiesen wird. Zieht in ein Aussenquartier, kauft Euch Ohrstöpsel, lasst uns weiter feiern. Ansonsten wird das nichts mit dem Generationenvertrag. Oder wollt Ihr den Sicherheitsdienst nur, damit Ihr uns in Zukunft unter Kontrolle habt? #

«Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.»

Keilschrifttext aus Ur, um 2000 v. Chr.

«Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.»

Aristoteles, 4. Jh v. Chr

«Die Jugend kennt nur die Verschwendung, (…) Unmässigkeit im Essen, (…) Würfelspiel, Schmausereien, Saufgelage, Liebeshändel mit jungen Mädchen, Schändung verheirateter Frauen.»

Plutarch, 1. Jh.

«Jugend ist beständige Trunkenheit: sie ist das Fieber der Vernunft.»

François VI. Duc de La Rochefoucauld, 17 Jh.

«Lärm und Gezänk unter den Wohnungsfenstern mitten in der Nacht, erbrechende (auch Mädchen) und urinierende Betrunkene, Abfall am Boden und auf Schaufenstersimsen.»

Max Baumann, 2013