Zurück zur Kutsche

Historique

Es werden immer wieder Stimmen laut, die eine Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit auf unseren Strassen fordern. Man kommt schneller von A nach B, kann sich an der Geschwindigkeit erquicken und erst noch die Überlegenheit des eigenen Autos demonstrieren. Doch es wird auch mehr Sprit verbraucht und die Unfälle enden öfters tödlich. Dieser Diskussion soll nun durch eine radikale Forderung endlich ein Ende gesetzt werden, indem wir – was sowieso viel zu selten geschieht – aus der Geschichte lernen.

Anfangs des 20. Jahrhunderts hatte man Zeit, man konnte sich die Langsamkeit leisten. Die Luft war frisch und die Strassen friedlich. Gerade einmal 10 Kilometer in der Stunde durfte man innerorts fahren, ausserorts 30. Das Strassenbild war in Schaffhausen noch mehrheitlich von Kutschen geprägt, es verbreiteten aber auch schon die ersten Kraftfahrzeuge ungemütliche Hektik, Lärm, Fein- und Grobstaub. Wenige Jahrzehnte später wird das Automobil die Kutsche fast vollends ersetzt haben.

Die Regierung vermochte es nicht, diese Entwicklung vorauszusehen: In einem Konkordat aus dem Jahre 1914 wurde festgelegt, dass dem Kanton Schaffhausen 200 Nummern für «Motorwagen und Motorfahrräder», der Schweiz insgesamt 9999 Nummern zugeteilt werden sollen. Im selben Jahr wurden die Geschwindigkeitsbegrenzungen angehoben: «Beim Durchfahren von Städten, Dörfern und Weilern darf die Schnelligkeit auf keinen Fall die Geschwindigkeit eines trabenden Pferdes (18 Kilometer per Stunde) überschreiten.» Ausserorts durfte die Geschwindigkeit 40 Kilometer in der Stunde niemals überschreiten. Und vorbei war es mit der idyllischen Ruhe. Es häuften sich Klagen über arrogante, neureiche AutolenkerInnen, die Lärm und Schmutz verbreiteten.

Mit der starken Verdichtung des Verkehrs ging eine Steigerung der Verkehrsunfälle und -vergehen einher. So merkte 1927 auch die Regierung, dass es an der Zeit wäre, dass die Polizeibeamten ein Auto bedienen können. «Streng genommen sollte sogar der Polizeidirektor Automobil fahren können, weil er ja die Bussen auszufällen habe», so die überlieferte Ratsdebatte, «man vermisse beim Regierungsrat sehr oft die praktische Veranlagung». 1928 ging die Regierung – geistesgegenwärtig wie sie war – noch einen Schritt weiter: Für die Polizei wurde ein eigenes Auto angeschafft. Dieser Tatendrang gipfelte 1932 in einer Schulung des Polizeikorps im Schätzen von Geschwindigkeiten.

Seit der Aufhebung aller Geschwindigkeitslimiten in den Dreissigerjahren wurde nach einigen Anpassungen über die Jahrzehnte 1989 die bis heute geltende Regelung eingeführt. Doch alle Massnahmen waren vergebens; der Verkehr wächst weiter an, es gibt weiter Unfälle und es wird weiter Krach gemacht. Mit welcher Geschwindigkeit das geschieht, so haben wir gesehen, spielt eigentlich keine Rolle. Darum und in Anbetracht der ohnehin schon viel zu hektischen Gesellschaft, ein Plädoyer für eine Rückbesinnung aufs Alte: Weg mit den Autos, freie Fahrt für Kutschen!