Seit Oktober kommen erwischte KifferInnen mit einer Ordnungsbusse davon – das begrüssen auch Fachleute.
Vage erinnert sich H.* zurück. Geschätzte acht Jahre ist es her. Unzählige Stunden verbrachte er damals auf der Munotwiese, am Lindli oder beim Windegghüsli. Mit dabei hatte er immer ein Säckchen Gras. Zusammen mit Kumpels wurde kräftig gequalmt. Aus Spass, aus Genuss, aus Langeweile. Ein wenig auch, um still gegen das System zu rebellieren. Die Polizei war selten ein Problem.
«Meistens war sie von weit her zu sehen. Zum Beispiel auf der Munotwiese, wenn die Patrouille mit dem Auto vom Künzleheim her Richtung Munot fuhr. Bevor wir uns überhaupt aufrafften, um das Marihuana zu verstecken, warteten wir erst mal ab, ob die Beamten überhaupt ausstiegen und in unsere Richtung kamen. Oft war es dann ganz lustig, wenn die Polizisten unsere Rucksäcke und Taschen durchsuchten, aber nichts fanden ausser den üblichen legalen Zutaten.»
Polizei: von Weitem sichtbar
Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und KifferInnen ist auch heute noch Praxis. Die Initiative zur Legalisierung von Cannabis erlitt Ende 2008 Schiffbruch. 63 Prozent lehnten sie ab. Trotzdem hat sich die Gesetzeslage aber vor kurzem leicht verändert. Eine parlamentarische Initiative der CVP-Fraktion brachte den Vorschlag eines schweizweit einheitlichen Ordnungsbussensystems auf den Tisch.
Der Nationalrat trat darauf ein und sprach sich dafür aus, Cannabis-KonsumentInnen, die mit weniger als 10 Gramm erwischt werden, mit 200 Franken zu büssen. Dagegen war vor allem die SVP. Von Verharmlosung und einer scheibchenweisen Legalisierung gegen den Volkswillen war die Rede. Damit fand die Volkspartei aber kein Gehör.
Schaffhausen: keine Statistik
Die Diskussion drehte sich fortan noch über mehrere Sessionen hinweg um die Höhe der Busse. Andrea Geissbühler, Polizistin und SVP-Nationalrätin aus Bern, argumentierte, dass der Zusatzaufwand für die Polizei nur mit einer Busse von 200 Franken gedeckt werden könne.
Aber, welcher Zusatzaufwand? Patrick Caprez, Kommunikationsbeauftragter der Schaffhauser Polizei, verneint jedenfalls, dass das neue Gesetz für die Schaffhauser Polizei einen zusätzlichen Arbeitsaufwand verursacht. Weniger Arbeit gebe es deswegen aber auch nicht.
Beim langwierigen Gezänk um die Bussenhöhe zwischen National- und Ständerat setzte sich zum Schluss die kleine Kammer durch, die auf hundert Franken beharrte. Wie viele Bussen die Schaffhauser Polizei seit dem 1. Oktober 2013, als das Gesetz in Kraft trat, verteilt hat, weiss Patrick Caprez nicht.
«Darüber führen wir keine Statistik.» Auch eine Einschätzung, ob es ähnlich viele wie im Kanton Basel-Stadt (fünf Bussen im Monat Oktober) oder im Kanton Zürich (110) waren, will Patrick Caprez nicht geben. Ein paar werden es aber schon gewesen sein, weil die Sünder immerhin teilweise vom neuen Bussensystem Gebrauch machten und die hundert Stutz gleich bar den Polizisten in die Hand drückten.
In den Räten wurde aber nicht nur über die Höhe der Bussen diskutiert, sondern auch über die Menge des erlaubten Haschisch- und Cannabis-Besitzes. Der Schwyzer SVP-Ständerat Peter Föhn meinte, dass mit zehn Gramm 100 Joints gedreht werden könnten.
Sprach er da etwa aus eigener Erfahrung? Falls ja, scheint es ziemlich starkes Gras gewesen zu sein, das Peter Föhn da geraucht hatte. Die Lappi-Redaktion kommt nach intensiver Recherche zum Schluss, dass 0.25 Gramm Marihuana pro Joint annehmbar sind. Aus zehn Gramm ungefähr 40 Joints zu drehen, scheint somit realistisch, wobei es natürlich auf Lust und Laune der KonsumentInnenen ankommt.
Spricht Peter Föhn aus Erfahrung?
Bleibt zu klären, was die Vorteile des neuen Gesetzes sind. Peter Sticher, erster Staatsanwalt des Kantons Schaffhausen, und Patrick Dörflinger vom Verein für Jugendfragen, Prävention und Suchthilfe (VJPS) begrüssen unisono das Ordnungsbussenmodell für Erwachsene.
Für Patrick Dörflinger trägt der Verzicht auf ein Strafverfahren zur Entstigmatisierung der Konsumierenden bei. Auch Peter Sticher ist der Meinung, dass die bisherige Bekämpfung des Cannabiskonsums mit strafrechtlichen Mitteln für die Justiz mit erheblichem Aufwand verbunden war, welcher im Verhältnis zur Schwere des Delikts nicht immer im gleichen Masse als angemessen empfunden wurde.
«Mit dem Bussenmodell werden die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen entlastet und Kosten eingespart. Ausserdem existiert nun eine schweizweit einheitliche Sanktionspraxis», sagt Peter Sticher.
Gleichzeitig findet es Patrick Dörflinger wichtig, dass mit Jugendlichen anders umgegangen wird. Er unterstützt deshalb die Einführung der Meldebefugnis. Dadurch kann die Gefährdung von suchtmittelkonsumierenden Jugendlichen vom VJPS abgeklärt werden, bevor eine Behörde eingeschaltet wird.
«Wenn es lediglich um eine geringfügige Problematik geht, reichen oftmals flankierende Massnahmen aus. In diesen Fällen wird der Jugendliche nicht behördlich erfasst und er hat zusätzlich eine Stelle kennengelernt, die ihm unter Umständen in künftigen Krisen wieder beratend und unterstützend zur Verfügung stehen kann.»
Diese Ansicht vertritt auch Peter Sticher: «Die Einführung eines Bussensystems für Jugendliche ist aus Gründen des Jugendschutzes kein Thema.» Und er hält fest: «Der Cannabiskonsum ist mit der Gesetzesänderung – aus meiner Sicht zu Recht – nicht entkriminalisiert worden.»
Für H., der längst erwachsen geworden ist, hat sich somit nicht viel verändert. «Die hundert Stutz kann ich auch sinnvoller ausgeben, als sie einem Polizisten in die Hand drücken. Zum Beispiel für mehr Gras.»
* Den Namen hat die Redaktion vergessen.