Das Geschäft mit der Musik

Auslese

Berthold Seliger hat einen Insiderbericht über die finanziellen Mechanismen der Musikbranche vorgelegt.

Im September 2013 ist Berthold Seligers «Das Geschäft mit der Musik – ein Insiderbericht» erschienen. Die Erstauflage war schnell vergriffen, inzwischen ist die dritte Auflage im Handel. Vom deutschen Feuilleton im Print- und Radiobereich sehr ausführlich und wohlwollend besprochen, ebenso in der einschlägigen Musikpresse wie «Spex», «Musikexpress», «Rolling Stone», obwohl letztere im Kapitel über den Musikjounalismus nicht besonders gut wegkommen – ein chart- und marketingtechnisch gelungener Release.

Muss man den Berliner Autor kennen, wenn man kein Insider ist? Eher nein. Er schreibt unter anderem für «konkret», «Der Freitag» und die «WOZ».

Die Innenansicht, aus der Berthold Seliger berichtet, sind seine 25 Jahre Erfahrung als Konzertagent. Er ist Europaagent für Bands wie Calexico, Lambchop, Pere Ubu oder The Residents und hat als Tournee­veranstalter Konzerte für Patti Smith und Lou Reed in Deutschland durchgeführt.

In insgesamt neun Kapiteln rollt der Autor aus Sicht eines Praktikers das Feld auf. Er erklärt, wie das Tourneegeschäft mittlerweile von sehr wenigen Monopolisten dominiert wird, wie die wichtigsten Plattenfirmen zunächst vieles verschlafen haben, aber die drei grossen (Universal, Sony, Warner) dennoch 80 Prozent des Musikmarktes beherrschen, auch dank eines Urheberrechts, welches die grossen Verwerter bevorteilt. Seliger diskutiert die aktuellen Geschäftsmodelle und befasst sich mit der Rolle der Künstlerinnen und Kulturarbeiter, aber auch mit ihrer miserablen sozialen Situation.

Berthold Seliger versteht sein Buch aber auch als Streitschrift für eine andere Kultur. Denn fast alle Bereiche des Musikgeschäfts werden heute von Grosskonzernen dominiert. Er analysiert den Quotenterror – es zählt nur noch, was sich «verkauft». Er sieht die Vielfalt der Kultur in Gefahr. Dem setzt Seliger ein Plädoyer für eine selbstbestimmte Kunst entgegen, die nach anderen Kriterien als denen des «Marktes» bewertet werden sollte.

Seine Konzertagentur hängt Berthold Seliger wohl auch deshalb nach 25 Jahren an den Nagel, nicht aus Erfolgslosigkeit, wie er in einem Interview mit dem «Stern» erläutert, sondern weil die Bedingungen immer unerträglicher geworden sind – zumindest für ihn, der nicht mehr ausführendes Organ für einige wenige, das Live-Geschäft dominierende Konzerne und Manager sein will, sondern sich als Kulturarbeiter versteht. Der als Musikliebhaber Bands wie Calexico in Europa überhaupt erst bekannt gemacht hat.

FRANK WILL ist Jugendbeauftragter für sechs Klettgauer Gemeinden und dreifacher Vater.

Berthold Seligers Innenansicht auf das Musikgeschäft ist fundiert und quellenreich belegt, vielleicht etwas mit Zahlen überladen, aber immer wieder aufgelockert um anekdotische Spitzen, die den Band insgesamt gut lesbar halten und sehr lesenswert machen.

Fazit: Ein Muss für «Kulturarbeiter» und für Leute, die Musik «nur» konsumieren, empfehlenswert, bevor sie das nächste Mal bei «Stars in Town», am «St.Gallen Open-Air» oder am «Greenfield» (überteuert) abfeiern wollen.

Berthold Seliger ist mit dem Buch im Januar 2014 auch in der Schweiz unterwegs (Tourdaten und lesenswerter Blog unter: www.bseliger.de). Er wird zum Teil daraus lesen, aber zum grösseren Teil frei vortragen, hin und wieder auch zu Themen, die nicht im Buch vorkommen. Am Mittwoch, 22. Januar, ist er im Cardinal zu Gast.

Ein Gastbeitrag von Frank Will