Ohne Weichspüler

Filmverführung

In von Männern dominierten Genres realisiert Kathryn Bigelow seit über 30 Jahren starke und erfolgreiche Filme.

Rosa Porten. Ida Lupino. Alice Guy. Kaum jemand erinnert sich an die Pionierinnen des Films, einzig Leni Riefenstahl ist noch im Gedächtnis, allerdings nicht zwangsweise für ihre Regiearbeiten. Noch immer sind Regisseurinnen in der Filmwelt rar und werden meist mit Kopfkino (Sophia Coppola, Jane Campion und Julie Taymor) und Schmonzetten (Nora Ephron) in Verbindung gebracht.

Seltener sind Ausflüge in den Horror- und Action-Bereich wie beispielsweise «Friedhof der Kuscheltiere» von Mary Lambert, «Deep Impact» und «Projekt Peacemaker» von Mimi Leder.

Eine Frau jedoch hält sich seit Jahrzehnten hartnäckig in der männlich dominierten Welt des Testosteronfilms: Kathryn Bigelow, Jahrgang ’51.

Biker, Horror, Science Fiction, Copthriller, Kriegsfilm und Terrordrama – Frau Bigelow ist nicht zimperlich. Ihr 1982er Film «The Loveless» ist noch eine Fingerübung, mehr Stil als Substanz – schwitzende Kerle in Lederjacken auf Motorrädern rufen sowohl Marlon Brando in «Der Wilde» als auch homoerotische Fantasien aus Kenneth Angers «Scorpio Rising» in Erinnerung. Übrigens einer der ersten Leinwandauftritte von Willem Dafoe.

Bereits ihr zweiter Streifen jedoch schlägt ein: «Near Dark» (1987) ist einer der originellsten Horrorfilme überhaupt. Das finstere Machwerk verbindet den Vampirmythos mit dem Roadmovie, staubig, blutig, hart, nimmt teilweise vorweg, wofür Jahre später «Natural Born Killers» gefeiert wird. Das «Twilight»-Publikum würde sich vor Angst einnässen.

Es folgt 1990 der mit Jamie Lee Curtis in der Hauptrolle glänzende Thriller «Blue Steel», der mit Waffen- und Uniformfetischismus und Machtfantasien eines Psychopathen aufwartet. Beklemmend.

Leichtere Action dann in «Gefährliche Brandung» 1991. Keanu Reeves ist einer Surfergang auf der Spur, die bösen Buben finanzieren ihren teuren Lebenswandel mit Banküberfällen. Selbst Patrick Swayze ist hier erträglich! Schön gefilmt, spannend, lässt aber irgendwie Tiefgang vermissen.

FRANK KAY WINDELBAND ist Barkeeper in der «Schäferei». Seine Leidenschaft ist die Cinematografie. Frank besitzt über 6’000 Filme, ausgewählte Perlen zeigt er monatlich anlässlich der «Camera Obscura» im TapTab.

Den gibt es jedoch umso mehr in «Strange Days» (1995). Der Cyberpunk-Thriller mit Angela Bassett und Ralph Fiennes zitiert u.a. die Riots in Los Angeles, entwirft ein düsteres Zukunftsbild einer durch technische Gadgets überstimulierten Gesellschaft. Science Fiction?

Bigelows Umsetzung von Anita Shreves gemeinhin als unverfilmbar geltenden Roman «Das Gewicht des Wassers» ist dann eher ein Schlag in selbiges und stösst auf allgemeines Unverständnis. Zu verquast ist die auf zwei Zeitebenen spielende Parabel über Eifersucht und Gewalt.

Auch ihr nächster Streifen hat mit Wasser zu tun und ist ebenfalls keine Glanzleistung. «K-19 – Showdown in der Tiefe» aus dem Jahr 2002 ist spannend und mit Liam Neeson und Harrison Ford trefflich besetzt, verfremdet aber die Tatsachen um den Kernreaktorunfall eines sowjetischen U-Bootes 1961 zu sehr, um sich noch mit Authentizität schmücken zu können. Das Lexikon des internationalen Films kritisiert: «Konventioneller U-Boot-Thriller aus den Zeiten des Kalten Krieges, der mit geradezu grotesken Klischees aufwartet und den Stoff nach altbekannten Konventionen durchdekliniert. Ärgerlich daran ist die undifferenzierte Apologie soldatischer Tugenden und seine Reverenz an die militärische Logik.»

Ganz anders dagegen geht es 2008 in «Tödliches Kommando – The Hurt Locker» zu. Das beklemmend realistische Drama um Bombenentschärfer im Irak mutet fast dokumentarisch an, und der Film wurde mit sechs Oscars ausgezeichnet. Bigelow erhält als erste Frau überhaupt die Trophäe für die beste Regie. Pikanterweise bekommt James Cameron, mit dem Bigelow von 1989 bis 1991 verheiratet war, im selben Jahr nur drei Oscars.

Ebenfalls semidokumentarisch dann 2012 der wuchtige «Zero Dark Thirty». Geschildert wird die jahrelange Jagd auf Osama Bin Laden und seine anschliessende Erschiessung. Ein Film, der unbequeme Fragen stellt, polarisiert. Was ist erlaubt im Kampf gegen den Terrorismus? Was macht Gewalt aus Menschen? Ein grosser, wichtiger Film.

Auch ihr nächstes Projekt «Triple Frontier» verspricht kontrovers zu werden, wird wieder die Lager spalten. Recht so, Frau Bigelow. Danke für spannende Themen, für wildes Kino!