Im Güterhof verspricht eine Singleparty die ganz schnelle Liebe.
Nachdem sich die Lappis am Entrée als Speeddating-KandidatInnen zu erkennen geben, bekommen sie ein rotes Bändeli um den Arm. Der Farbcode ist so einfach wie einleuchtend: Rot = «Single», weiss = «vergeben» (wer zum Teufel geht mit einem weissen Bändli an eine Singleparty?!) und gelb = «triff mich heimlich» (wir nennen gelb «finde mich unheimlich»). Dann werden die Gefährten getrennt.
Die Lappi-Dame wird diskret durch den Hintereingang in den Bankett-Saal geschleust, während sich die männlichen Lappis an einem Stehtisch mitten in der Höhle des Löwen einfinden müssen. Dort werden sie von einer Mitarbeiterin von «speeddating.ch» empfangen, die ihnen für 35 Franken einen Frauen-Bewertungs-Bogen («Möchtest Du Dein Rendezvous wiedersehen?») und einen Gutschein für einen Welcome-Drink aushändigt. «D Fraue chnöpfed de Mane immer zersch s Geld ab», sagt sie nonchalant und macht den sichtlich angespannten Herren Mut.
Bemerkenswert: Von zwölf Männern heissen drei Christian. Einer schreibt deshalb Christoph auf sein Namensschild-Herzli, ein anderer Ulf. Vier befreundete Jungs (Gehen wohl zusammen pumpen, V-Ausschnitt, Aperol Spritz) mausern sich mit lockeren Sprüchen zu den Anführern der Truppe. Dann aber schlägt es 21 Uhr, die Stunde der Wahrheit. Noch ein paar letzte Tipps der Veranstalterin («Sprecht bloss nicht über eure Gebrechen und über Politik») und dann ist sich plötzlich jeder selbst der Nächste, aus Freunden werden erbitterte Konkurrenten im Kampf um die unschuldigen Frauenherzen.
Mit den roten Herzchen auf der Brust treten die «Herren» den Spiessrutenlauf durch den schon ordentlich gefüllten Güterhof zum Bankett-Saal an, wo die «Ladies» warten. Links und rechts neugierige Blicke, Gekicher («Hihi, das sind die vom Speedflirting, hihi»).
In der Zwischenzeit haben sich die «Ladies» auf ihren hohen Hacken neugierige bis leicht feindselige Blicke zugeworfen und schweigend an ihren Welcome-Drinks genippt (hier ist Prosecco angesagt, denn Bier stösst auf und man will die Männer ja schliesslich nicht anrülpsen). Auf den Tischen stehen Kerzen und Zutaten für den Drink «Sex ufem Munot» (bei den herrschenden Temperaturen etwa gleich bequem wie sein Äquivalent am Strand) – mit dieser erzwungenen Exklusivität wollen die Veranstalter wohl den überrissenen Eintrittspreis und die Take-Away-Aura, die dem Namen «speedflirting » anhaftet, wettmachen. Netter Versuch.
Als eine «Lady» beim Eintreten ihren Mantel eigenhändig an die Garderobe hängt, lobt der Moderator mit einer Stimme, die wirkt, als würde er am liebsten irgendwo reinkriechen: «Es ist gut, Ladies, wenn ihr heute Abend aktiv seid. Denn wer aktiv ist, gewinnt!» So modern ist die Rollenverteilung beim Speeddating dann aber doch nicht: Die Frauen dürfen an den Tischen sitzen bleiben, während die Männer zu ihnen kommen.
Sämtliche verloren geglaubte Geschlechterklischees scheinen sich in diesem einen Raum wiederzufinden – von der Heteronormativität des ganzen Anlasses mal abgesehen. Bevor die inszenierte Balz beginnt, beruhigt der Moderator die gar nicht so beunruhigten Frauen: «Liebe Ladies, alles wird fine. Seid einfach euch selbst!»
Nach einigem Warten (Moderator: «Für einmal haben die Männer länger als die Frauen») treten die gegelten Frisuren und kultivierten Oberarme schliesslich ein. Die Regeln sind einfach: Sieben Dates – sieben Minuten. Der Viehmärit ist eröffnet!
Erlebnisbericht Lady
Damit nicht auffällt, dass die Farbe meines Armbandes eigentlich weiss und nicht rot sein sollte, ist meine Devise heute Abend: So wenig wie möglich von mir preisgeben und dafür viele Fragen stellen. Das ist nicht ganz einfach.
Mein erstes Gegenüber ist so nervös, dass er auf jede meiner Fragen nur mit «Ja» antwortet. Mir graut es vor den nächsten sechs Begegnungen. Damit mir das Gesicht nicht schon bei Rendez-vous 2 einschläft, versuche ich die Herren mit persönlichen Fragen aus der Reserve zu locken, doch sie wollen partout nichts anderes verraten als «Ich arbeite im Büro und möchte jetzt eine Weiterbildung machen.» und «Ich gehe gerne aus und treibe viel Sport.» und «Also, Dubai ist geil. Die Araber sind so nett. So voll offen.». Offensichtlich ist ihnen eingebläut worden, über nichts Kompromittierendes zu sprechen.
So sagen sie, an ihre Cola geklammert, Dinge wie «Ich würde mich eher so als normal bezeichnen. Ich mag Käse. Aber keinen Appenzeller, der stinkt so nach Füssen.» und ich sehne mir mit verkrampftem Lächeln den Schluss jedes Gespräches herbei. Wären es nicht genau die sogenannt heikleren Themen, die offenbaren, ob das Gegenüber tatsächlich zu einem passt? Überhaupt ist es erstaunlich, wie wenige Fragen mir die Kandidaten stellen; dass meine Single-Tarnung auffliegen könnte, muss ich nicht ein einziges Mal befürchten.
Je mehr ich mit meinen Rendez-vous rede, desto weniger erfahre ich, desto stärker erhärtet sich der Verdacht, dass es den «speedflirting»-VerantstalterInnen gar nicht darum geht, dass sich Menschen tatsächlich kennenlernen. Dass alles nur eine miese Farce ist, um Amor zu übertölpeln und dabei Geld zu verdienen!
Am nächsten Tag finde ich im Netz von sieben angekreuzten «Ja» ganze sieben Übereinstimmungen, und das, obwohl das Persönlichste, was die Kandidaten von mir erfuhren, mein Lieblingsessen war. Ernüchterndes Fazit: Für die Kandidaten war völlig irrelevant, was ich sagte. Und: Ich bin froh, ist die Partnersuche im richtigen Leben etwas komplizierter.
Erlebnisbericht Herr
Die Einführung hat mir eindrücklich meine Handicaps an diesem Abend aufgezeigt: Weitgeschnittenes Hemd, Wuschelkopf – in diesem Schuppen das Hippie-Penner-Image schlechthin. Will ich hier bestehen, muss ich anders vorgehen als die Konkurrenz. Ich bediene mich also einer alten Guerillataktik: Mache deine Schwäche zu deiner Stärke.
Auf dem klassischen Weg («Was ist dein Lieblingsessen?») werde ich nicht réussieren, also gehe ich als Typ «Exot» hart in die Offensive. Ein paar Strategiebiere haben meine Zunge gelockert, und siehe da: Die Gespräche gestalten sich durchaus amüsant – zumindest für mich. Persönliches preisgegeben habe ich praktisch nichts, dafür habe ich einiges gelernt: Beispielsweise wie man per Lastwagen oder Flugzeug Schmuggelware in die Schweiz einführen kann, ohne erwischt zu werden. Oder dass es tatsächlich stimmt, dass Portugiesen und Spanier oft faul und Deutsche dümmlich sind.
Vier meiner sieben Dates kennen sich. Natürlich sind alle vier nur da, weil sie eine Freundin «mitgeschleppt» hat. Die mit der guten Idee ist jedoch komischerweise unauffindbar. Aus der Reihe tanzen will niemand – bis auf Nummer sieben. Mein letztes Date empfängt mich mit den Worten «Ich kommandiere Männer rum.» Diese Einleitung verspricht erstmals wirklich interessante sieben Minuten.
Als ich mir ihr Proseccoglas schnappe und damit mein leeres Bierglas auffülle, wirft sie postwendend die Orangenstücke aus ihrem Drink nach mir. Eine Minute später fragt sie, ob wir nicht einfach rasch auf die Toilette verschwinden wollen, anstatt diesen blöden Bewertungs-Bogen auszufüllen.
Am nächsten Tag die Ernüchterung, als ich mich mit meinem persönlichen Passwort auf der «speedflirting»-Homepage einlogge. Von sieben angekreuzten «Ja» habe ich lediglich zwei Übereinstimmungen. Fazit: Der Typ «Exot» wird von der weiblichen «Speedflirting»-Klientel eher als «Triff mich heimlich auf dem Scheisshaus»-Option angesehen, als dass echte Ambitionen auf eine Beziehung bestehen würden.