Karst, Kripo, Kamera und eine Kampagne

Die Staatsanwaltschaft will bald über die Ermittlungen zur Causa der Silvesterparty in der Karstgasse 1 informieren. In der bisherigen Berichterstattung gingen einige Fakten vergessen.

So sieht die «KONSTANZER AMTSSCHÜTTE» heute aus. Bild: ya.

In der Silvesternacht stieg in der «Konstanzer Amtsschütte», einem Gebäude an der Ecke Platz/Karstgässchen, eine Party ohne Bewilligung der Eigentümer. Nachdem Feuerwerk aus dem Gebäude in Richtung der Feiernden auf dem Platz und Flaschen in die umgekehrte Richtung geflogen waren, beendete die Polizei die Party, nahm die Personalien von rund 20 Personen auf und konfiszierte laut Augenzeugenberichten auch ein Mobiltelefon.

Die Interessengesellschaft Altstadt Schaffhausen (Igas) erstattete Anzeige gegen unbekannt, worauf die Polizei die Partyteilnehmer zur Erfassung von DNA-Proben und Fingerabdrücken vorlud.

Das allein fand in der lokalen Presse wenig Echo. Erst nachdem die Alternative Liste sich in einer Stellungnahme äusserte, wurde das Thema viral, insbesondere für die «Schaffhauser Nachrichten». Die AL kritisierte die aus ihrer Sicht unverhältnismässige Aufnahme von DNA-Proben ebenso wie die Hauseigentümer, die das denkmalgeschützte Gebäude seit Jahren verkommen liessen.

Dies rief den Hauseigentümerverband auf den Plan, der die AL in den «SN» angriff: «Was haben diese Exponenten einer politischen Partei, die in unsere Legislative und Exekutive eingebunden ist und eigentlich Mitverantwortung tragen müsste, für irregeleitete Ansichten von unserem Rechtsstaat und unserer Rechtsordnung? Wie steht es mit der Respektierung des verfassungsmässig garantierten Eigentums anderer?»

So sah es NACH DER PARTY in der Liegenschaft aus (zVg).
Dieses Bild druckte der Hauseigentümerverband mit der Bildunterschrift: «SO ÄHNLICH wüteten die Hausbesetzer in der Sylvesternacht.»

Die «SN» druckten zahlreiche Leserbriefe, verfassten Artikel und Kommentare. Unverhohlen nutzte die rechtsbürgerliche Tageszeitung die Kontroverse für einen Angriff auf AL-­Stadtrat und Sicherheitsreferent Simon Stocker (siehe «Bisher unbeachtete Fakten zur Party»).

Der Fall liegt nach gut drei Monaten noch immer bei der Staatsanwaltschaft. Diese musste innerhalb von drei Monaten entscheiden, ob die DNA-Proben und Fingerabdrücke zur Erstellung eines Profils ausgewertet und in den Ermittlungen verwendet werden sollen. Wenn nicht, hätten sie per Gesetz inzwischen vernichtet werden müssen. Staatsanwalt Thomas Rapold will sich während des laufenden Verfahrens nicht dazu äussern, ob die Daten verwendet werden oder wurden.

Hingegen bestätigt er auf Anfrage des Lappi, dass die Staatsanwaltschaft die Aufnahmen der Überwachungskamera am Platz, welche auch die «Konsenstanzer Amtsschütte» filmt, als Beweismittel beigezogen habe. Über das Ergebnis will Rapold noch nichts sagen, kündet aber an, die Öffentlichkeit werde in den kommenden Wochen über den Stand der Ermittlungen informiert.

Dreieinhalb Monate nach der Party ist klar: Die Polizei hat korrekt gehandelt. Sie betrat das Gebäude nur, weil Feuerwerk und fliegende Bierflaschen eine Gefahr für Feiernde und Passanten darstellten. Die Entnahme von DNA-Proben und Fingerabdrücken ist rechtlich legitim, deren Verhältnismässigkeit bleibt hingegen fraglich – ebenso der Nutzen für die Ermittlungen.

Mit grosser Wahrscheinlichkeit müssen sich die Partyteilnehmer, deren Personalien aufgenommen wurden, wegen Hausfriedensbruchs verantworten. Sofern sie nicht vorbestraft sind, dürften sie mit einer Busse und/oder einer bedingten Geldstrafe davonkommen. Für den Tatbestand des Hausfriedensbruchs reicht die Anwesenheit in der Liegenschaft, und diese ist mit der polizeilichen Aufnahme der Personalien vor Ort bewiesen. Fingerabdrücke und DNA-Proben braucht es dafür nicht.

Was die Sachbeschädigungen angeht, dürfte es schwierig bis unmöglich sein, einzelnen Personen etwas nachzuweisen. DNA-Spuren und Fingerabdrücke im Haus beweisen nicht mehr als die Anwesenheit der betroffenen Person. Selbst wenn ein Fingerabdruck auf einer Spraydose gefunden wird, beweist dies nicht, dass die betreffende Person Sprayereien hinterlassen hat – der Bericht der Staatsanwaltschaft wird zeigen, ob diese Einschätzung richtig ist.

Die Party war ohne Zweifel eine schlechte Idee, und die Sachbeschädigungen lassen sich nicht dadurch rechtfertigen, dass die Eigentümer das Gebäude jahrelang verkommen liessen. Fest steht aber auch: Bei der aktuellen Wohnungsnot wäre ein solches Haus an prominentester Lage in einer grösseren Stadt als dem provinziellen Schaffhausen schon längst besetzt worden, und zwar nicht nur für eine Nacht.

SO ÄHNLICH lässt die Igas ein denkmalgeschütztes Haus an bester Lage zerfallen. Bild: Wikicommons, User «Nicor»

Bisher unbeachtete Fakten zur Party

  • Als die letzten Bewohner der Liegenschaft an der Karstgasse vor mehreren Jahren ausziehen mussten, gab es eine «ABRISSPARTY» – die damalige Vermieterschaft erlaubte Sprayereien ausserhalb des Täfers explizit.
  • In den Tagen nach Silvester war die unerlaubte Party in zwei Artikeln der «SCHAFFHAUSER NACHRICHTEN» erwähnt.
  • Nachdem sich die AL kritisch zum Vorgehen der Polizei (DNA-Proben, Fingerabdrücke) und zum im Verfallen begriffenen Gebäude geäussert hatten, erscheinen in den «SN» SIEBEN WEITERE ARTIKEL, darunter ein Interview von Dani Jung mit AL-Stadtrat Simon Stocker. ROBIN BLANCK doppelte im Schaffhauser Fernsehen nach und versuchte, einen Interessenskonflikt in Stockers Funktion als AL-Politiker und Sicherheitsreferent zu evozieren. Link zur Aufzeichnung des Gesprächs: tinyurl.com/blanckalteshaus
  • Stocker teilte die Kritik seiner Partei nicht, was das Vorgehen der Polizei und die Rolle der Igas anging. Hingegen äusserte er sich auch kritisch über die VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT VON DNA-PROBEN und Fingerabdrücken. Daraufhin trat Blanck in einem «SN»-Leitartikel mit dem Titel «Manöver ins Abseits» nach, in dem er Stocker und die AL kritisierte.
  • Die Stellungnahme der AL wurde von den «SN» nur auszugsweise zitiert, die Eigentümerschaft erhielt im gleichen Text Gelegenheit zu einer Gegendarstellung. Die Stellungnahme des Hauseigentümerverbandes hingegen, in welcher die AL scharf kritisiert wurde, wurde UNGEKÜRZT UND UNKOMMENTIERT in der Rubrik «Fakten und Ansichten» abgedruckt.
  • Mehrere Zeugen der Vorkommnisse in der Silvesternacht gaben an, die Fensterscheiben seien zerbrochen, als Feiernde auf dem Platz FLASCHEN UND ÄHNLICHES in die Liegenschaft hinein warfen.
  • Es gibt Hinweise darauf, dass die «Besetzer» die Tür zur Liegenschaft NICHT AUFBRACHEN. Dies wussten die «SN» im ersten Artikel, vergassen es aber wieder. Partyteilnehmer, die von Anfang an dabei waren, sagten gegenüber dem Lappi, niemand habe die Tür aufgebrochen und sie hätten im Haus Sprayereien vorgefunden, die in der Zeit zwischen dem Auszug der letzten Bewohner und der Silvesternacht entstanden sein mussten. Auch die Polizei bestätigt, es gebe Hinweise darauf, dass die Tür zu einem früheren Zeitpunkt aufgebrochen worden sei.
  • Einer der Teilnehmer meldete sich nach der Party mit einem Angebot bei Erich Bolz, dem Präsidenten der Interessengesellschaft Altstadt Schaffhausen (Igas), welche das Haus besitzt: Einige Partyteilnehmer seien bereit, in der LIEGENSCHAFT AUFZURÄUMEN und finanziell für einen Teil der Schäden aufzukommen. Bolz reagierte interessiert, sprach sich jedoch mit anderen Igas-Vertretern ab und schlug das Angebot aus.
  • Die «Konstanzer Amtsschütte» ist seit vielen Jahren in einem miserablen Zustand. Ein ehemaliger Mieter berichtet, er habe mehrere Wassereimer aufstellen müssen, weil es DURCH DIE DECKE GEREGNET habe. Ein Nachbar hat die Besitzer schon mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass Ziegel fehlen, einmal sei auch die Tür offengestanden. Gegenüber den «SN» sagte Erich Bolz, die Schäden, welche die Partyteilnehmer verursachten, hätten eine «sanfte Renovation stark erschwert».