Viel Tamtam um wenig Innovation

Die Hallen für Neue Kunst hätten das Zeug zum attraktiven Kulturplatz. Fehlender Mut zur Veränderung verhindert dies.

Aufgrund der hohen Kosten für den Prozess im Streit um die Eigentumsrechte an Beuys‘ «Kapital» musste die Stiftung für Neue Kunst KONKURS ANMELDEN, die Hallen sind derzeit geschlossen. Bild: Peter Pfister

Gleich vorweg: Dieser Text wird keine Lobhudelei auf die Hallen für Neue Kunst sein. Und auch kein Lamento über den eventuellen Abzug des Kunstwerkes «Das Kapital» von Joseph Beuys aus den Hallen. Aus der Sicht von «Schaffhausen Tourismus», wie auch in den Augen mancher PolitikerInnen und anderer Prominenz gehören die Hallen zu den Highlights der Region. Man hört Sätze wie: «Wir waren in Chicago und erzählten den Leuten, dass wir aus Schaffhausen seien, wovon diese aber noch nie gehört hatten. Die Hallen für Neue Kunst jedoch waren ihnen ein Begriff.»

Die Episode ist zumindest gut erfunden, doch auch wenn sie wahr ist, dürfte sie nicht gerade exemplarisch für die ganze Welt sein. Jedenfalls führt mich mein Weg oft am Eingang der Hallen vorbei und ich habe noch nie festgestellt, dass sich die Cars davor stauen. Bei meinen gelegentlichen Besuchen war ich jeweils ziemlich alleine und so habe ich das Gefühl – ohne Genaueres zu wissen – dass die Zahl der Eintritte eher mässig ist.

Nicht dass mich das stören würde, denn als Kurator im Forum Vebikus weiss ich durchaus, dass die Welt der Kunst eine kleine ist. Die meisten Ausstellungen – wenn es nicht gerade Anker ist – werden von einer sehr überschaubaren Zahl von Kunstinteressierten gesehen. Ein Qualitätsmerkmal ist die BesucherInnen-Zahl nicht. Erstaunlich ist einzig, dass die Hallen bei den PolitikerInnen nach wie vor so viel gelten.

Grundsätzlich bieten die Hallen grossartige Kunst in prächtigen und luftigen Räumlichkeiten. Ein erstmaliger – allenfalls auch ein zweitmaliger – Besuch beeindruckt und regt an. Für Schaffhauser KunstfreundInnen und natürlich auch für Auswärtige beginnt dann aber das Problem, «dass man es dann mal gesehen hat». Denn die Hallen für Neue Kunst zeichnen sich nicht durch Veränderung aus. Ich bekomme sogar den Eindruck, dass «Veränderung» oder auch «Innovation» dort fast Schimpfwörter sind. Dann und wann wurden gewisse Werke ersetzt oder neu platziert – that’s it. Wobei das jeweils mit viel Tamtam verbunden wurde, wie beispielsweise vor etwa drei Jahren, als die schlichte Neuhängung der Ryman-Bilder lächerlicherweise sogar mit einem eigenen Plakat beworben wurde.

Man setzt also auf Stabilität und nimmt dabei in Kauf, dass viele Leute das Interesse verlieren. Dabei gäbe es ja Potential genug: Man könnte zum Beispiel einen Stock leeren und dort Wechselausstellungen abhalten, zwei oder drei pro Jahr, mit verwandten KünstlerInnen. Es gibt auch diverse Junge mit äusserst interessanten und pfiffigen Ansätzen, die das Erbe der Hallen-Künstler angenommen haben – mit einem zeitgenössischen Blickwinkel. Solcherlei kann zu spannenden Dialogen führen, würde die Hallen aus ihrer statischen Haltung befreien und sicherlich beachtet werden.

Doch ist man immun gegenüber solchen Ideen. Insbesondere Urs Rausmüller, der «Tätschmeister» der Hallen, scheint mir stur, ja geradezu unbeirrbar zu sein. Und in allem, was er öffentlich äussert, macht er es einem wirklich schwer, ihn nicht als selbstherrlichen Egomanen wahrzunehmen. Für ihn zählen nur die «eigenen» Künstler. Symptomatisch dafür die Szene aus dem Dokumentarfilm über ihn, den Paul Riniker vor einigen Jahren gedreht hat. Nachdem sie durch die Schweiz gefahren sind, schlägt Riniker in einer Mailänder Tiefgarage vor, zuerst ein paar Galerien zu besuchen, weil ihn Rausmüllers Meinung zu den diversen Ausstellungen interessiert. Doch Rausmüller blockt ab: «Eh alles nur Mist.» Dazu passt, dass er von niemandem jemals in einer Schaffhauser Ausstellung gesehen wurde. Weder im Museum, noch im Vebikus, noch sonstwo. Auch nervt das Gerede, dass die gesamten ausgestellten Werke eine Einheit darstellen, die quasi unaufbrechbar sei. Mir jedenfalls scheinen beispielsweise Joseph Beuys und Robert Mangold nicht nahe verwandt.

Jetzt die Geschichte mit dem «Kapital» von Beuys. Die Zukunft dieses Aushängeschildes der Hallen ist ungewiss. Gut möglich, dass es aus Schaffhausen verschwinden wird, was vielerseits bedauert werden würde. Damit verknüpft ist unglücklicherweise die Insolvenz der Stiftung, die für den Betrieb zuständig ist, was dazu führte, dass die Hallen momentan gar nicht geöffnet sind. Auch hier herrscht absolute Unklarheit, wie es weitergehen soll.

Wehklagen allerseits, aber niemand kommt auf den Gedanken, dass dies auch eine Chance für einen Neubeginn, oder zumindest für eine sanfte Neuausrichtung sein könnte. Der Mut dazu scheint nicht vorhanden zu sein.

Falls Stadt und Kanton, die das Ganze ohnehin schon massiv subventionieren, nun beabsichtigen, den finanziellen Rettungsring auszuwerfen, plädiere ich dafür, dass damit Auflagen verbunden sind, die die Hallen in eine lebendigere Richtung bringen. Auch wenn diese Gespräche mit Raussmüller nicht lustig sein werden.

Ein Gastbeitrag von Andreas Lüthi, Künstler und Mitglied des Kuratorenteams im Forum Vebikus