Der Leistungsdruck steigt

Warum auch Erwachsene immer häufiger zu Ritalin greifen. Ein Kommentar von Romina Loliva.

Konzentrationsschwierigkeiten sind auch für Erwachsene ein grosses Problem, vor allem wenn es um den Erfolg in der Ausbildung und im Job geht.

Wir müssen stets erreichbar und flexibel sein. Belastbarkeit, Stressresistenz und Multitasking-Fähigkeiten sind Begriffe, die in jeder Stellenausschreibung unter den Anforderungen zu finden sind. Wir sind Leistungstiere und dürfen nicht müde oder überfordert sein. Hilfsmittel finden sich überall – weil Ritalin so bekannt und effizient ist, liegt der Konsum auch bei Erwachsenen im Trend. Die Pille ist in aller Munde, wird unter der Hand weitergegeben, kann im Internet rezeptfrei bestellt werden und wird als Aufputschmittel missbraucht.

Studierende greifen vor Prüfungen zu Ritalin, aber auch am Arbeitsplatz wird die Pille genommen, um dem Leistungsdruck standzuhalten. Ob Ritalin in solchen Fällen wirklich hilft, ist nicht erwiesen. Momentan gilt der Konsens, dass Personen, die das Medikament hoch dosiert über längere Zeit und ohne ärztliche Kontrolle einnehmen, in eine starke Abhängigkeit fallen können.

ExpertInnen diskutieren die Auswirkungen von psychoaktiven Dopingmitteln und kommen zum Schluss, dass der Konsum solcher Substanzen mit der Idealvorstellung einer leistungsbezogenen und äusserst flexiblen Gesellschaft zusammenhängt. Der Drang, sich selbst zu optimieren, ist gross. BefürworterInnen des freien Konsums von psychoaktiven Mitteln sehen darin eine Möglichkeit der Steigerung der mentalen Fähigkeiten, GegnerInnen die Negierung von Grenzen. Ritalin und weitere ähnlich wirkende Stoffe unterliegen in der Schweiz dem Betäubungsmittelgesetz. Würde man deren Konsum ohne ärztliche Verordnung erlauben, würde man die KonsumentInnen aus der Illegalität holen und sich progressiv zeigen.

Wichtiger erscheint mir aber die Frage, ob wir die Beweggründe der Verbreitung von solchen Substanzen wirklich verstehen und staatlich befürworten wollen. Die Erweiterung des geistigen Potentials ist ein reizvoller Gedanke, der breite Faszination auslöst und zu einem Leitmotiv vieler Wissenschaftszweige geworden ist. Aber Wunderpillen zu schlucken, um die Prüfung zu bestehen oder den Arbeitstag zu überleben, ist zu kurzsichtig. Sobald man diese Perspektive einnimmt, wird die Diskussion politisch und man muss sich fragen, ob die gestellten Ansprüche noch vertretbar sind. Wie viel Leistung nötig und möglich ist, darf nicht zur individuellen Angelegenheit werden.