Die Wunderpille

ADHS ist bei den Schaffhauser Kindern die meist diagnostizierte Verhaltensstörung. Bei dieser Diagnose lautet die Lösung oft Ritalin.

METHYLPHENIDAT – besser bekannt unter dem von Novartis produzierten Präparat Ritalin – ist eine psychoaktive Substanz, die in der Schweiz als Betäubungsmittel gilt und somit verschreibungspflichtig ist.

Das Medikament Ritalin wird auch im Kanton Schaffhausen regelmässig verschrieben. Viele Kinder und Jugendliche sollen damit den Alltag besser bewältigen können.

Gemäss einer internen Statistik der Schaffhauser Spitäler erfolgen etwa 30 Prozent der Anmeldungen zu einer Abklärung durch den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst (KJPD) aufgrund von Konzentrationsproblemen. Verschiedene Studien schätzen, dass 12 Prozent aller Kinder im Schulalter davon betroffen sind. Die Diagnose ADHS ist mittlerweile die häufigste unter den Verhaltensstörungen, Tendenz steigend.

ADHS: Ursache unklar

Die Ursachen sind nicht immer klar, allerdings spielen die Hektik und die Geschwindigkeit im Alltag eine grosse Rolle. Der Stundenplan vieler Kinder und Jugendlicher beschränkt sich nicht nur auf die Schulstunden. Vorher und nachher sind viele Aktivitäten eingeplant, die Aufmerksamkeit fordern und öfters wenig Platz lassen für die eigene Fantasie, Kreativität und Langeweile. Bereits im Kindergarten wird über die Zukunftsaussichten der Kinder diskutiert und ob sie in eine Förderklasse müssen oder die Regelschule besuchen können.

Christian Begemann, Chefarzt des KJPD, erklärt, dass die Diagnose ADHS durch das Vorliegen von definierten Symptomen gestellt wird, es aber keine Erklärung für die Ursachen gibt: «ADHS wird jedoch oft als Erklärung genommen, obwohl es sehr verschiedene, für die Entwicklung eines Kindes wichtige Gründe geben kann, warum sie Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren, sich selbst zu steuern und auf Dinge zu fokussieren.»

Ritalin kann äusserst hilfreich sein, weil es die Konzentrationsfähigkeit und die Selbststeuerung fördert. Allerdings bringt es keine Heilung und lindert nur die Symptome. Novartis macht jährlich weltweit einen UMSATZ VON RUND EINER HALBEN MILLIARDE DOLLAR mit dem Präparat.

Diese Schwierigkeiten können laut Begemann durch viele Faktoren ausgelöst werden. Bei der Abklärung gehe es darum, diese zu erkennen und entsprechende Unterstützungsmassnahmen zu treffen. «Oft können schon genug Schlaf, weniger Reizüberflutung und Möglichkeiten, sich motorisch ‹austoben› zu können, viel bringen. Die Beratung der Eltern und der Einbezug der Lehrerinnen und Lehrer sind wichtig, um eine längerfristige Besserung zu erzielen.»

Jeden Fall einzeln abklären

Leidet ein Kind stark unter Konzentrationsschwierigkeiten, kann das zu Überforderung und damit zu weiteren, gravierenden Problemen führen. In solchen Fällen ist der Einsatz von Ritalin angebracht, weil es rasch wirkt und stabilisiert.

Für Christian Begemann ist klar, dass jeder Fall individuell beurteilt werden muss und der Rezeptblock nicht zu schnell gezückt werden sollte. «Eine fachärztliche Untersuchung ist sehr sinnvoll, damit die Diagnose stimmt, Fördermassnahmen geplant werden können und eine allfällige medikamentöse Behandlung gezielt und richtig dosiert ist.»

ADHS scheint eine Diagnose unserer Zeit zu sein. Einem Teil der Kinder muss Hilfestellung durch Ritalin und therapeutischen Massnahmen geleistet werden, damit sie den gestiegenen Anforderungen gerecht werden können.