Plädoyer für eine EDU-Regierung

Seit 2003 ist die Schaffhauser Stimmbevölkerung öfter den Abstimmungsparolen der EDU gefolgt als jenen der Regierung.

Es ging um Leben und Tod – zumindest für die Äschen. Das suggerierte die Kampagne der Gegner des neuen Wasserwirtschaftsgesetzes. Und weil die Schaffhauser Stimmbevölkerung loyal hinter den Äschen steht, lehnte sie am 18. Mai mit 58,7 Prozent die Revision des Wasserwirtschaftsgesetzes ab und stimmte damit einmal mehr gegen die Empfehlung der Regierung.

Diese Niederlage ist in der laufenden Legislatur der vorläufige Tiefpunkt für den Regierungsrat. Seit den Wahlen vom Herbst 2012 entschied das Schaffhauser Stimmvolk bereits bei den beiden Sparvorlagen (Kieferorthopädie und Landeskirchen), der Prämienverbilligungsinitiative und der Stahlgiesserei-Vorlage anders als von den Regierenden gewünscht. Damit wurden fünf von acht Abstimmungen verloren.

Überhaupt haben die Schaffhauser seit 2003 nur zwei Vorlagen gegen die Empfehlung des Regierungsrates deutlicher verworfen: Das Schulgesetz vom Februar 2009 (71,9%) und die Strassenverkehrssteuer vom Mai 2003 (64,1%). Grund genug, die Abstimmungsempfehlungen von Kantons- und Regierungsrat einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Die «Volkspartei» politisiert am Volk vorbei

Wäre Politik ein Sport, eine Abstimmung ein Spiel und die Parteien je eine Mannschaft, wäre die EDU Schaffhauser Meister – und die Junge SVP verdient sich die rote Loser-Laterne, knapp hinter ihrer Mutterpartei. Das zeigt eine Auswertung aller Parteiparolen seit Beginn des Jahres 2003. Mit 39 von 54 gewonnenen Abstimmungen erreicht die EDU eine Siegquote von 72,2%, höher als jene des Regierungrates (71,7%).

Hinter der Partei mit einem Wähleranteil von 3,53% (Kantonsratswahl 2012) folgen die SP und die CVP, die sich mit 70,4% Rang zwei teilen. Erst dahinter reiht sich der Kantonsrat ein, dessen Abstimmungsempfehlungen jeweils in 68,5% der Fälle befolgt wird. Die unterschiedlichen Werte im Vergleich zum Regierungsrat erklären sich erstens dadurch, dass die Regierung nicht zu allen Vorlagen eine Abstimmungsempfehlung ausgesprochen hat oder diese «nicht (mehr) lückenlos vorhanden» sind, wie Staatsschreiber Christian Ritzmann auf Anfrage schreibt. Zweitens gibt es drei Fälle, in denen die Regierung eine andere Parole als die Mehrheit des Kantonsrates aussprach. Die Volksinitiativen «Bierdeckel», «EKS vors Volk» und «60 Kantonsräte sind genug».

Immerhin folgt die Stimmbevölkerung den Empfehlungen der Exekutive und der Legislative öfter als jenen der meisten Parteien. Hinter der FDP (66,7%), der ÖBS und der EVP (je 64,8%), folgen die Jungfreisinnigen (64%) sowie die AL (59,2%). Auf den letzten Rängen landen die SVP (57,4%) und ihre Jungpartei (56%). Das Schaffhauser «Volk» folgt damit am wenigsten den Parolen der «Volkspartei».

Wer diese tiefe Quote mit der Oppositionsrolle der SVP erklären will, kommt nicht weit. Die Partei, die nämlich am häufigsten eine Parole gegen die Mehrheit des Kantonsrates ausspricht und somit die aktivste Oppositionspartei darstellt, ist die AL. Bei 24 von 49 Abstimmungsvorlagen hat sie die gegenteilige Parole ausgegeben und dabei immerhin neunmal gewonnen. Häufiger hat nur die SP den Kampf gegen die Regierung für sich enschieden. Sie trägt in zehn von 22 Fällen, in denen sie die Oppositionsrolle einnimmt, den Sieg davon. Die SVP ergriff zwar auch häufig eine Parole gegen die Regierung (16 Mal), war dabei aber nur viermal erfolgreich.

Die AL ist faktisch die Jungpartei der SP

In 87,8% fassen die AL und die SP die gleiche Parole. Nur die Junge SVP und die SVP haben mit 88% eine höhere Übereinstimmung. In 86% sind sich die Jungfreisinnigen und die FDP einig.

Grosses Konfliktpotenzial gibt es zwischen der AL und den Jungfreisinnigen. Lediglich 38,8% beträgt die Übereinstimmung zwischen diesen beiden Parteien. Das ist der tiefste Wert überhaupt. Hingegen scheint die CVP mit allen Parteien gut auszukommen. Am tiefsten sind die Gemeinsamkeiten mit der AL (55,1%), am höchsten mit der FDP (83,3%).

Kantonaler Vergleich: Schaffhausen im Mittelfeld

Im kantonalen Vergleich rangiert Schaffhausen in der unteren Tabellenhälfte. Mit einer Siegquote von 71,7% seit 2003 schafft es der Regierungsrat nur auf Platz 15 von 24 mitspielenden Kantonen. Für Glarus und Appenzell Innerrhoden sind keine Daten verfügbar, weil diese andere Spielregeln anwenden (Landsgemeinde). Damit ist Schaffhausen sowohl unter dem kantonalen Durchschnittswert von 75,5% und hinter dem Bundesrat (73,1%).

Immerhin lässt man grosse Namen wie Genf (70%) Basel-Stadt (68,5%), und Bern (47,4%) hinter sich. Und noch wichtiger: Den Thurgau (66,7%). Zu den Spitzenplätzen fehlt aber einiges. Die Nidwaldner Regierungen haben nur eine von 22 Vorlagen verloren, nämlich die Totalrevision des kantonalen Baugesetzes vom 28. September 2008. Das ergibt eine Erfolgsquote von 95,5%. Dahinter folgen Zug (92,3%) und St. Gallen (90%), wobei die St. Galler Regierung erst seit 2010 Abstimmungsempfehlungen ausspricht.

Diese Tabelle muss jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, weil leider einige Kantone im Archivieren der Abstimmungsempfehlungen ihrer Regierungen ziemlich schlampig vorgehen. Vor allem in Bern und im Tessin fehlen im verwendeten Datensatz von «Année Politique Suisse», das vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern herausgegeben wird, relativ viele Parolen.

Quellen: Année Politique Suisse, Staatskanzlei Kanton Schaffhausen, «Schaffhauser Nachrichten»