Schweizer Schreckschrauben

Filmverführung

Warten auf den grossen Gruselschocker.

Das ist schon so eine Sache mit dem Schweizer Film. Seien wir doch mal ehrlich: das Gros lädt eher zum gemütlichen Kinoschlaf ein, wäre da bloss nicht immer diese lästige Zwangspause mittendrin (die natürlich vom Regisseur so nie gewollt ist und einzig und allein dem Verkauf von Klebrigkeiten und Ekligkeiten dient, egal ob so Erzählfluss und Dramaturgie auf der Strecke bleiben).

Da gibt es zwischen publikumssicheren Gefühlsduseleien und dämlichen Schenkelklopfern wenig Platz für ein Genrekino. Der beinharte Thriller «Strähl», der ähnlich gelagerte «Verso» oder Drogendramen wie «Snow White» sind da eher Ausnahme als Regel. Selbst der viel gelobte «Cargo» konnte die Schweiz nicht zum Science Fiction-Mekka machen.

Da tut es gut, zwischendurch mal einige eigenwillige Produktionen aus dem nebligen Grenzbereich von gepflegtem Grusel, provokantem Holzhammer-Horror und skurriler Fantasykost zu goutieren.

FRANK KAY WINDELBAND ist Barkeeper in der «Schäferei». Seine Leidenschaft ist die Cinematografie. Frank besitzt über 6’000 Filme, ausgewählte Perlen zeigt er monatlich anlässlich der «Camera Obscura» im TapTab.

Den Anfang machen wir mit «Marmorera» von Markus Fischer aus dem Jahre 2007. Ein überflutetes Dorf im titelgebenden Stausee, eine geheimnisvolle Fremde und mysteriöse Morde – da steigt die Erwartungshaltung mit dem Wasserspiegel. Leider aber tapst unser Held, der Zürcher Psychiater Simon, etwas unbeholfen durch das Geschehen und Regisseur Fischer kann das Ganze nicht zu einem zufrieden stellenden Abschluss bringen, so dass unterm Strich ein interessantes Grundthema bleibt, das leider nicht konsequent und stringent genug zur Auflösung gebracht wird.

Etwas lockerer, unverkrampfter dagegen der ebenfalls mit einer wässrigen Figur auftrumpfende «I Was A Swiss Banker» von Thomas Imhof, ebenso aus dem Jahre 2007. Banker Roger schmuggelt. Das Schwarzgeld seiner Kunden muss ja irgendwie auf die allseits beliebten Nummernkonten kommen. Nur läuft das gerade nicht so dolle, und auf seiner Flucht vor eifrigen Zöllnern gumpt er mit seinem Sack voller Devisen lieber in den Bodensee, als sich in den Karzer werfen zu lassen. Dort macht er alsbald die fragwürdige Bekanntschaft der Nixe Heli, die ihn herausfordert seine Qualitäten als Lover unter Beweis zu stellen. Nein, nicht rammeln soll er, er soll beweisen, dass er die grosse, wahre, EINE Liebe wert sei. Aber gerammelt wird dann doch. Viele schöne Bilder und eine märchenhafte Atmosphäre – aber dafür können wir uns auch Swiss View ansehen. Wie schon bei «Marmorera» hapert es hier leider an der Geschichte.

Von den Untiefen von Stau- und Bodensee in höhere Gefilde. Auf einer Bündner Bergalp treibt das «Sennentuntschi» (Michael Steiner, 2007) sein unseliges Unwesen. Von absinthbenebelten Bergbauern dereinst aus Stroh zusammengeschustert und als Pimperpuppe benutzt, soll es zum Leben erwacht sein, sich an seinen Peinigern blutig gerächt haben. Als sich nun im nächsten Dorf der Sigrist ganz unchristlich im Gotteshaus erhängt und kurz darauf eine etwas derangierte Fremde auftaucht, ist schnell klar: Die ist schuld, ganz sicher, des Teufels Konkubine! Das Sennentuntschi ist im Dorf! Nur der Dorfpolizist Reusch ist davon nicht überzeugt und macht sich auf den Weg auf die Alp, um das Geheimnis zu ergründen … Laut, brutal, blutig und zotig geht es zu, der Medienrummel um die Verfilmung der alten Sage war beträchtlich, ist man solcherlei Sauereien doch eher von Christoph Schlingensief und Konsorten gewohnt als aus der züchtigen Schweiz.

Dabei hatte schon fast dreissig Jahre zuvor die Ausstrahlung des gleichnamigen Bühnenstückes von Hansjörg Schneider im Schweizer Fernsehen eine Welle der Empörung hervorgerufen. In der Folge wurde die altehrwürdige Sendeanstalt wegen Gotteslästerung angezeigt. Das blieb Regisseur Michael Steiner glücklicherweise erspart – möglicherweise weil er zuvor «echte» Schweizer Filme wie «Mein Name ist Eugen» und «Grounding» gedreht hatte?

Nun denn, der Schweizer Genrefilm ist nicht tot, er riecht nur streng. Lassen wir uns überraschen, vielleicht kommt ja der ganz grosse Gruselschocker noch. Der Film, von dem die Kritik ausnahmsweise nicht sagt: «Für einen Schweizer Film gar nicht schlecht.» Bis dahin bleibt der Gang in die Freihandbibliothek Agnesenschütte, dort gibt es die hier vorgestellten Filme zur Ausleihe. Ich freue mich derweil auf die DVD von Franz Schnyders 1942er Gruselkomödie «Das Gespensterhaus».