Wo kein Wille, da kein Platz

Der Kanton Schaffhausen hat nach elf Jahren immer noch keinen festen Durchgangsplatz für Jenische.

Jenische sind NACHKOMMEN WESTEUROPÄISCHER FAHRENDER. 35’000 SchweizerInnen zählen sich zu den Jenischen. Rund 4’000 von ihnen führen ein Nomadenleben.

«Wir müssen die Schweizer nicht sensibilisieren, wir müssen sie von Grund auf aufklären. Es herrscht Nichtwissen par excellence, durch sämtliche Bevölkerungsschichten.» Das sagt Reto Moser, Aktuar und Vorstandsmitglied der Bewegung Schweizer Reisenden über die Vorurteile in der Bevölkerung, mit denen er als Jenischer täglich konfrontiert wird. Denn er weiss: Erst wenn die Jenischen nicht nur auf dem Papier akzeptiert sind, sondern auch von den Menschen, wird sein Volk zu seinen Rechten kommen. Auch in Schaffhausen.

Am 30. Mai machten es die Medien einer breiten Öffentlichkeit bekannt: Die Jenischen wollen nun endlich im Kanton Schaffhausen einen festen Durchgangsplatz. Der Lappi war zwei Wochen zuvor auf dem Verkehrsgarten im Langriet, wo die Jenischen vorübergehend ihr Quartier aufschlagen konnten. Dass sie diesen Platz nutzen durften, war eine Ausnahme und dem Entgegenkommen der Gemeinde Neuhausen zu verdanken.

Die Kantone sind in der Pflicht

Damals traf sich Reto Moser mit den Gemeindepräsidenten von Neuhausen und Beringen, Stephan Rawyler und Hansruedi Schuler. Das Gespräch zwischen den Herren drehte sich dabei auch um einen möglichen ständigen Durchgangsplatz in Beringen. Denn einen solchen Platz muss der Kanton Schaffhausen den Jenischen zwingend anbieten.

Grundsatzentscheid wurde 2003 gefällt

Wir blenden zurück: Am 1. Februar 1999 war das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten in Kraft getreten. Darin anerkennt die Schweiz die Fahrenden als eine solche Minderheit und verpflichtet sich, «Bedingungen zu fördern, die es Angehörigen nationaler Minderheiten ermöglichen, ihre Kultur zu pflegen und weiterzuentwickeln und die wesentlichen Bestandteile ihrer Identität, nämlich ihre Religion, ihre Sprache, ihre Traditionen und ihr kulturelles Erbe zu bewahren.» (Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten. Art. 5, Abs. 1)

Am 28. März 2003 fällte das Bundesgericht einen Grundsatzentscheid über die Rechte der Jenischen in der Schweiz. Er lautet wie folgt: «Die Nutzungsplanung muss Zonen und geeignete Plätze vorsehen, die für den Aufenthalt von Schweizer Fahrenden geeignet sind und deren traditioneller Lebensweise entsprechen (…).» Weil die Raumplanung eine Kompetenz der Kantone ist, wird damit auch Schaffhausen in die Pflicht genommen.

Ein Platz in Beringen?

Zurück ins Langriet. Der Beringer Gemeindepräsident Hansruedi Schuler zeigte im Gespräch Verständnis für die Jenischen und kündigte an, mögliche Standorte in seiner Gemeinde zu prüfen. Erste Gespräche zwischen Beringen, dem Kanton und der Bewegung der Schweizer Reisenden haben bereits stattgefunden. «Dabei ging es um grundsätzliche Abklärungen, ob ein Platz für die Schweizer Fahrenden gefunden werden könnte», so Schuler. «Es wurden auch mögliche Gebiete angeschaut, konkrete Standorte sind jedoch noch nicht definiert worden. Im Moment prüfen die kantonalen Stellen, wie es konkret weiter gehen könnte.»

Nachdem die Vertreter von Kanton und Gemeinden abgezogen waren, verschaffte Reto Moser gegenüber dem Lappi-Journalisten seinem Ärger Luft: «Offiziell gibt es hierzulande 43 Plätze, wo wir unsere Wohnwagen abstellen können. Aber diese Zahlen entsprechen nicht der Realität. Viele Plätze, die aufgeführt werden, verfügen über keine genügende Infrastruktur.»

Dabei seien die Anforderungen gering, monierte er. «Wir benötigen lediglich Wasser, Strom und eine sanitäre Anlage. Zudem sollte ein Platz schon über die Grösse verfügen, dass man sicher 10 bis 15 Wohnwagen abstellen kann. Schweizweit gibt es weniger als 20 solcher Plätze. Das heisst, dass die publizierte Liste nicht den Tatsachen entspricht und somit der Bevölkerung falsche Zahlen vorgegaukelt werden.

Diese falschen Aussagen erschweren unsere Bemühungen für zusätzliche Plätze.»