«Tatsächlich Betroffene sollen mitbestimmen»

Carlos Abad alias Gran Purismo ist der nicht wählbare Kandidat der Alternativen Liste für den Schaffhauser Stadtrat. Der Musiker mit spanischem Pass hat den Abstimmungskampf für das Ausländerstimmrecht eröffnet.

Carlos Abad, ist deine Kandidatur wirklich nur ein «Jux», wie die «Schaffhauser Nachrichten» berichteten?

Carlos Abad: Es war mir klar, dass meine Kandidatur als Jux wahrgenommen werden könnte. Aber auch wenn die Kandidatur an sich nicht ernsthaft war, der Grund, der dahintersteckt, ist es sehr wohl. Ich wollte mit der Kandidatur einen Denkanstoss geben, eine Botschaft vermitteln, und das ist mir gelungen. In den Sozialen Medien wird viel über das Ausländerstimmrecht diskutiert.

Es ist bereits bekannt geworden, dass Du als Ausländer gar nicht wählen und stimmen darfst. Ist die Aktion für dich damit vorbei?

Es hat sich ja durch das Bekanntwerden nichts daran geändert, dass ich etwas zur Zukunft dieser Stadt zu sagen hätte. Ich bin sehr gespannt, ob ich von den Medien weiterhin als Kandidat ernst genommen werde oder ob ich ignoriert werde wegen meines Makels, kein Schweizer zu sein. Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht als Schaffhauser fühlen würde.

Weshalb hast Du dich überhaupt entschieden, Dich zu exponieren und politisch aktiv zu werden?

Ich wurde von der AL angefragt, ob ich kandidieren würde. Der Partei, in der die Leute aktiv sind, die ich kenne. Ich wollte aber nicht einfach mein Gesicht hinhalten, sondern musste mir auch im Klaren sein, ob ich hinter den Zielen der AL stehen kann. Ich selbst bin in der Musik nicht sehr politisch, musste mir also 100-prozentig sicher sein. Ich führte deshalb Gespräche mit den AL-Mitgliedern. Wir kamen auf die Stadt Schaffhausen zu sprechen, und was meine Ideen für die Stadt sind, was mir an ihr gefällt und was nicht. Und ich habe festgestellt, dass es sinnvoll ist, wenn wir uns zusammentun.
Ich habe einige Einblicke in die Politik erhalten und durch meine Kandidatur ein politisches Bewusstsein entwickelt. Zuvor war ich es gewohnt, dass ich – wie viele Secondos – in dieser Stadt nichts zu sagen habe.

Wie sind die Rückmeldungen der SchaffhauserInnen ausgefallen? Was hast Du schon gehört?

Die Leute haben mit viel Wohlwollen und Humor auf meine Kandidatur reagiert. Gerade auch von Secondos und Ausländern habe ich viel Zuspruch erhalten. Ich musste in den letzten Tagen viel über das Thema sprechen und natürlich erhielt ich zum Teil auch kritische Rückmeldungen, wie etwa die Frage, weshalb die Einbürgerung nicht reicht.

Weshalb hältst Du denn das Ausländerstimmrecht für sinnvoll?

Ich gebe Deutschunterricht und habe viel mit Ausländern zu tun. Es gibt unter diesen sicherlich solche, die nach zwei oder drei Jahren wieder weiterziehen und Schaffhausen verlassen. Aber wenn sich jemand entschliesst, hier Fuss zu fassen – etwa weil er sich verliebt oder weil ihm die Arbeitsstelle gefällt – dann ist es sinnvoll, ihm das Angebot zu unterbreiten, dass er hier abstimmen und wählen darf. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Neuzuzüger frühzeitig für die Politik interessieren und sich in die Gesellschaft einbringen.
Es stellt sich doch die Frage, wer unsere Stadt mitgestalten soll. Über die Rahmenbedingungen muss man natürlich diskutieren. Aber nicht so, wie das heute zum Teil passiert: Wenn das Stimm- und Wahlrecht gewissen Nationalitäten vorbehalten werden soll oder wenn davon ausgeschlossen werden soll, wer mal an einen Baum gepinkelt hat.

Was versprichst Du Dir davon, wenn die AusländerInnen mehr Mitbestimmen könnten?

Wir hätten plötzlich den Input von einem Teil der Gesellschaft, der bisher nicht wahrgenommen wurde. Ich denke da an die flächendeckenden Tagesstrukturen. Ausländerfamilien, in denen beide Elternteile arbeiten müssen, sehen diesbezüglich vielleicht mehr Bedarf.
Klar kann man in diesem Beispiel damit argumentieren, dass damit Kosten verursacht würden, die die Allgemeinheit bezahlen müsste. Aber auch die Ausländerfamilien sind Teil der Gesellschaft, der Allgemeinheit. Es wär eine gesündere Gesellschaft, wenn die tatsächlich Betroffenen mitbestimmen könnten.

Du darfst zwar nicht mitbestimmen, aber wirst Du in Zukunft weiterhin politisch aktiv bleiben?

Ich werde mich einbürgern lassen, stimmen gehen und meinen politischen Beitrag leisten. Ich habe einen gewissen Idealismus, und ich weiss nicht, ob sich dieser mit dem Mechanismus der Politik, der auch sehr ernüchternd sein kann, verträgt. Damit werde ich mich noch intensiv beschäftigen.