Die Welt mit Kinderaugen

Filmverführung

Die cineastische Welt des Filmtüftlers Karel Zeman inspirierte Grössen wie Tim Burton und Wes Anderson.

Es soll doch tatsächlich eine Zeit gegeben haben, in der es noch keine CGI-Effekte gab. In der Filmschaffende ihre Fantasien mit Einfallsreichtum und handwerklichem Geschick umgesetzt haben! Kaum vorstellbar heutzutage, oder? Speziell in der heutigen Tschechischen Republik sind gar wunderbare Filme und TV-Serien entstanden: der kleine Maulwurf, Pan Tau, Das Mädchen auf dem Besenstiel, Die Märchenbraut – herrje, Erinnerungen werden wach …

Ganz besonders im Gedächtnis geblieben sind dem Verfasser die Werke von Karel Zeman, einem im damaligen Österreich/Ungarn geborenen Tausendsassa, der 1945 seinen ersten Trickfilm drehte. Seine Glanzzeit begann 1955 mit «Die Reise in die Urzeit», in dem er reale Schauspieler und Stop-Motion-Modelle von Mammuts und Sauriern auf liebevolle Art zusammenführte und damit einen Jugendfilmklassiker schuf, der sich vor den Arbeiten seines amerikanischen Zeitgenossen Ray Harryhausen nicht verstecken musste. Es folgten diverse, teils recht freie Jules-Verne-Adaptionen und «Baron Münchhausen», allesamt gradezu berstend vor Kreativität, liebevoller Animationsarbeit und Trickfotografie.

FRANK KAY WINDELBAND ist Barkeeper in der «Schäferei». Seine Leidenschaft ist die Cinematografie. Frank besitzt über 6’000 Filme, ausgewählte Perlen zeigt er monatlich anlässlich der «Camera Obscura» im TapTab.

Ein absoluter Höhepunkt war dann sein 1978er Spätwerk «Krabat» nach dem gleichnamigen Buch von Otfried Preussler: die Geschichte eines Wanderburschen, der unter die Fittiche eines bösen Zauberers gerät und mit allerlei List sein Leben und seine Liebe retten kann. Verhältnismässig zurückhaltend als eher grobe Animation umgesetzt ist der Film auch heute noch ein (leicht grusliges) Vergnügen.

Vor den realsozialistischen Karren hat er sich nie spannen lassen, trotzdem wurde er 1961 und 1971 in die Jury des Internationalen Filmfestivals Moskau berufen und zu seinem siebzigsten Geburtstag mit dem Orden der Republik ausgezeichnet. Viele seiner fast 30 Kurz- und Langfilme gerieten nur über den Umweg über die DDR in den Westen. Karel Zeman hat die samtene Revolution in seiner tschechischen Heimat nicht mehr erlebt, er starb im April 1989 in Prag.

Sowohl der tschechische Regisseur Jan Svankmajer als auch Hollwood-Regisseure wie Tim Burton, Terry Gilliam und Wes Anderson haben Zeman als wichtige Inspiration bestätigt, selbst sein weltberühmter Zeit- und Berufsgenosse Ray Harryhausen bewunderte ihn. Er gilt in Fachkreisen als einziger wahrer Nachfolger des Pioniers der Filmeffekte, Georges Méliès (von dem Martin Scorceses «Hugo Cabret» handelt).

Eine weitere späte Würdigung erfuhr er mit der Eröffnung des Karel Zeman-Museums, zu dessen zweijährigen Jubiläum der Verfasser flugs ins wunderbare Prag eilte. Modelle, Requisiten, Kostüme, liebevoll rekonstruierte Kulissen, Erläuterungen der Techniken sowie natürlich ein Shop mit DVDs und allerlei Souvenirs – ein ganz spezieller Entdeckungstrip für grosse und kleine Kinder!