Lektionen bei der kleinen Schwester

Schafhausen im Berner Emmental hat zwar ein F weniger, dafür aber währschaftes Essen, ein noch währschafteres Asylanten-Problem und gratis Likör-Shots.

Diese drei Schafe halten den Namen der Gemeinde Schafhausen i. E. hoch – und haben erst noch KEINE GOLDENEN HODEN. Bilder: aw.

Es sieht aus wie ein Schreibfehler, wenn im Zug auf der Anzeige das Wort «Schafhausen» eingeblendet wird. Erreichbar via Bern, nur grob drei Stunden entfernt von seiner grossen Schwester mit den zwei F.

Auf dieses Detail kann es durchaus ankommen, wie unwissende TouristInnen regelmässig am eigenen Leib erfahren. Nicht selten kommt es vor, dass sie den weiten Weg ins Berner Emmental auf sich nehmen, um auf der Suche nach dem Rheinfall auszusteigen – und dort zwar passenderweise Schafe, aber keinen Munot vorfinden. «Wir erkennen die Verirrten jeweils daran, dass sie etwas verloren gen Bach wandern, auf der Suche nach dem Rheinfall», erzählt eine Schafhauserin.

Kultur und Politik

Im leerstehenden Schulhaus sollen künftig 150 ASYLSUCHENDE untergebracht werden. Vergangenen Oktober demonstrierten ungefähr 160 Personen gegen den Entscheid. Derweil brodelt die Volksseele auch im Netz: Die Facebook-Gruppe «Gegen das Asylzentrum in Schafhausen i. E.» hatte bei Redaktionsschluss über 3200 Likes. Aufgrund rassistischer Kommentare auf der Seite ermittelt unterdessen die Justiz.

Das Gewerbe erhält Aufschwung

Eines der stattlichsten Gebäude Schafhausens ist das Schulhaus, das seit zwei Jahren nicht mehr genutzt wird. Künftig sollen 150 Asylsuchende hier untergebracht werden. Also ebenso viele, wie es Schafhauser­Innen gibt. Und 50 mal mehr, als es Schafe hat.

«Die Asylanten müssen doch auch irgendwo leben», sagt der Bayer, ein gutmütig ruppiger Mann, der in Schafhausen dadurch bekannt ist, dass er erstens nicht hier geboren wurde und zweitens Vater des hier ansässigen Schweizer Dachdecker-Meisters ist. Der Bayer weist darauf hin, dass die Gemeinde von der Renovation des Gebäudes profitiert; eine nötige Investition. Im vergangenen Jahrzehnt serbelten die Dorflädeli eins nach dem anderen dahin. Heute gibt es noch einen Coiffeur und einen Dekoladen; gewissermassen also ein Pendant zur Schaffhauser Webergasse.

Als die Lappis ein paar Schritte ins Dorf wagen, prangt da eine eindrückliche Tierstatue: Die Vorderhufen in der Luft, erinnert es an den goldhödigen Bock beim Allerheiligen. Allerdings ist es ein Pferd, ein Rössli vielmehr. Es gehört zum gleichnamigen Gasthaus. Hier befindet sich das pulsierende Zentrum des Dorfes, Kerze, Fassbeiz und Schäferei in einem, denn hier wird gejasst, Musik gehört und gegessen. Und wie hier gegessen wird! Die Lappis bestellen währschafte Herbstteller, die «Waudmannli» und «Beerefroueli» im Namen tragen.

Hot Spots

Gleich beim Bahnhof fliesst er, der Biglenbach. Sein naturbelassenes Ufer kann es LOCKER MIT DEM LINDLI AUFNEHMEN: keine saufenden Jungs, keine kotzenden Mädchen und nicht mal einen überteuerten Crèpes-Stand gibt’s. Dafür ab und zu TouristInnen, die verwirrt den Rheinfall suchen.

Besitzer des Landgasthofs «zum Rössli» ist schon seit ungefähr tausend Jahren Fritz Schweizer. Er verrät dem Lappi-Rechercheteam: Unter dem Restaurant ist eine Bar, «da gehen auch die Jungen hin», da treffen sich die Coolen Schafhausens jeden Abend – Bahnhofhänger hat’s nämlich keine. Für die drei Journalistinnen werden die Tore der Schafhauser Underground-Beiz ausnahmsweise bei Tageslicht geöffnet, und siehe da: eine überraschend ansprechende Bar! Als Fritz den Backstage-Bereich aufschliesst, hängt da ausserdem, als wär’s das Normalste der Welt, ein Schafhauser Erotikkalender. Genau, Schaffhausen: Unsere kleine Schwester hat einen Erotikkalender, und wir nicht.

Gastronomie

Der Landgasthof «zum Rössli» ist das EPIZENTRUM SCHAFHAUSENS und mit Baujahr 1828 ein traditionsreiches Lokal. Es ist Restaurant, Beiz, Herberge und Bar in einem: im oberen Stock kann übernachtet werden, im Erdgeschoss gibt’s Essen und im Untergeschoss eine Bar. Besitzer ist Fritz Schweizer, seines Zeichens lebenslanger Schafhauser, der auch mal den einen oder anderen Likörshot ausgibt. Er ist auch beim Jass dabei, der unter anderem am Wochenende im gemütlichen Rahmen stattfindet («statt Kirche», lacht man am Stammtisch). Die Mahlzeiten im «Rössli» sind währschaft und traditionell – aber auch VegetarierInnen werden glücklich. Ein weiterer Höhepunkt ist das Riesenfass in der Bar, in das man reinsitzen kann. Und der Schafhauser Erotikkalender, der im Lagerraum hängt.

Nur Minuten später kriegt das Lappi-Trio je einen Likör-Shot in die Hand gedrückt, zwar nicht aus Bern, sondern Italien, aber das ist gerade ein bisschen egal. Runter damit. In Schaffhausen verschenkt ein älterer Mann Lollis, in Schafhausen sind es Likör-Shots.

Wir haben Nachholbedarf

Die Parallelen zu unserer Munotstadt werden auch bei einem Blick auf die Landkarte ersichtlich: Tatsächlich gibt’s gleich neben Schafhausen ein Neuhaus und in der Nähe ausserdem eine Ortschaft namens Herbligen. Mind blown!

Nach eingehender Recherche und Besichtigung (samt obligatem Selfie mit den drei Schafhauser Schafen) ist sich das Lappiteam sicher: Schaffhausen muss mächtig was nachholen. Als Erstes brauchen wir einen stadteigenen Erotikkalender. Ein Heim für Asylsuchende, deren Zahl die BewohnerInnenschaft der Stadt verdoppelt, kann bestimmt auch nicht schaden – und Likör-Shot sticht Schleckstengel! Einzig das zweite F behalten wir. Die Anzeige im Zug sieht auch auf der Heimfahrt noch aus wie ein Schreibfehler.