Die Welt ist eine andere seit dem 10. Januar. Eine Schülerin hat mit einem Tweet das Bildungssystem aller Länder wie ein Kartenhaus zusammenbrechen lassen, weil sie sich über ihre Schule beschwerte.
Auch in Schaffhausen brodelt es. Sofort, nach fünf Tagen, schnappten die Radio-Munot-RedaktorInnen den Tweet auf und wagten sich an eine investigative Reportage in den Schaffhauser Bildungskreisen.
Die Ergebnisse erschüttern: Ein Schüler bemerkte auf Nachfrage von Radio Munot, dass er bald 18 Jahre alt werden würde und noch keine Ahnung habe, wie er die Steuererklärung ausfüllen soll. Auch andere SchülerInnen sollen – wie sie selbst öffentlich behaupten – nicht wissen, wie beispielsweise ein Mietvertrag aussieht, obwohl sie vielleicht in einigen Jahren eine eigene Wohnung haben würden, berichtet das Investigativ-Radio.
Verzweifelt und ertappt reagierte Christian Amsler auf Nachfrage von Radio Munot. Eigentlich hatte er die Schule in den nächsten Jahren klammheimlich wegsparen und damit privatisieren wollen (Dossier Sparpaket ESH), die Aufmerksamkeit kommt ihm höchst ungelegen. Die Lücken im Bildungssystem müssten von den Eltern geschlossen werden, musste er klarstellen und nutzte die Gelegenheit, um der Bevölkerung damit die Perspektiven in der Bildung für die nächsten Jahre aufzuzeichnen.
Die Eltern wehren sich jedoch vehement dagegen, den Jugendlichen das Versicherungswesen, die Steuern oder Mietverträge erklären zu müssen. «Wir haben doch selbst keine Ahnung, wie das geht», heisst es in einer Stellungnahme der Elternverbände. Auch die LehrerInnen können nicht in die Bresche springen. «Wir haben von der Regierung den Auftrag erhalten, weniger Wissen zu vermitteln», erklärt eine Lehrperson.
Dies ist eine Pattsituation, wie sie nur von einer Person gemeistert werden kann: Stadtrat Urs Hunziker. Der Stadtschaffhauser Bildungschef kann solche Situationen aussitzen, hat in seiner 14-jährigen Amtszeit selbst in problematischen Situationen nie Hektik an den Tag gelegt und kennt die Inneneinrichtung der Amtsstuben mittlerweile gut genug, um genügend Schubladen zu finden, in denen er sämtliche Anträge an seine Adresse verschwinden lassen kann.
Der Noch-Regierungsrat und ehemalige Lehrer Christian Amsler, der seinen Platz bald für Hunziker räumen wird, muss sich neu orientieren. Um im Leben weiterhin bestehen zu können, zieht er eine Weiterbildung in Betracht. «Ich könnte mir gut vorstellen, (…) ins Klassenzimmer zurückzukehren», sagte er in einem Interview mit der «Annabelle». Ob er an der Migros Klubschule den Kurs «Steuererklärung ausfüllen» oder «Krankenkasse – optimal versichert» besucht, hat er noch nicht entschieden.