Schuld und Sühne

Filmverführung

Die Anti-Western des Tommy Lee Jones.

Melquiades Estrada stinkt. Nicht etwa, weil er ein Wetback ist, ein Border Jumper, illegal aus Mexiko in die USA eingereist. Nicht, weil er auf der Farm von Pete so hart arbeiten musste. Nein, Pete ist sogar sein bester Freund geworden. Melquiades Estrada stinkt, weil er schon halb verwest ist, von Koyoten angefressen, notdürftig verscharrt.

FRANK KAY WINDELBAND ist Barkeeper in der «Schäferei». Seine Leidenschaft ist die Cinematografie. Frank besitzt über 6’000 Filme, ausgewählte Perlen zeigt er monatlich anlässlich der «Camera Obscura» im TapTab.

Pete ist traurig. Mehr noch, Pete ist stinksauer. Nicht nur weil Melquiades ohne sein Wissen und Zutun begraben wurde, vielmehr weil er unter dubiosen Umständen um sein armseliges Leben gekommen ist, mit Projektilen der Grenzwacht im Wanst. Und die örtlichen Behörden und Würdenträger verspüren wenig Lust, den Mord an einem ärmlichen Mexikaner aufzuklären. So nimmt der wortkarge Pete die Sache selbst in die Hand, buddelt seinen Freund wieder aus und bringt ihn zurück nach Mexiko, zurück zur Familie. Und Alles kommt ganz anders …

Tommy Lee Jones? War das nicht der übelgelaunte Grantler aus «Men In Black»? Das bärbeissige Ledergesicht aus «Auf der Flucht»? «Die Drei Begräbnisse Des Melquiades Estrada» (2005) ist der erste Kinofi lm von Tommy Lee Jones. Das Drehbuch stammt von Guillermo Arriaga, der die Scripts zu «Amores Perros», «21 Grams» und «Babel» verfasste. Die Hauptrolle des Pete hat Jones gleich selbst übernommen, ihm zur Seite stehen u.a. Barry Pepper, Melissa Leo und Country-Star Dwight Yoakam.

Fast zehn Jahre später. Die zweite Kinoregie, «The Homesman» (2014). Mitte des 19. Jahrhunderts. Im kargen Nebraska der Pionierzeit verlieren drei Frauen den Verstand. Kindstod, Einsamkeit und harte Arbeit haben sie in den Wahnsinn getrieben.

Mary Bee Cuddy lebt hier allein auf ihrer Farm. Zäh ist sie, fest entschlossen eine Familie zu gründen. Doch der benachbarte Junggeselle schlägt die Zweckheirat aus. Zu herrisch sei sie, zu «plain», entspräche nicht seinem Bild einer Frau. Verbittert willigt sie ein, die drei Irren ins entfernte Iowa zu bringen, in Institutionen oder zu Familien.

Da begegnet sie unter abenteuerlichen Umständen dem Drifter Briggs, einer äusserst zwielichtigen Gestalt. Briggs soll ihr helfen, hält sie doch sein Leben am sprichwörtlichen seidenen Faden. Eine Odyssee durch ein wildes Land beginnt, deren Ende ist tragisch, stimmt letztendlich aber auch zuversichtlich. Hilary Swank und Jones in den Hauptrollen glänzen mit ergreifend eindrücklichen Leistungen.

Nicht immer ist es eine gute Idee, einen Schauspieler auf dem Regiesessel zu platzieren. Im Falle von Jones jedoch sind Vergleiche mit Meisterwerken wie Sam Peckinpahs «Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia» und Clint Eastwoods «Erbarmungslos» nicht aus der Luft gegriffen. Beeindruckende Bilder und bewegende Geschichten, Filme die im Gedächtnis bleiben. Kann eine grössere Empfehlung ausgesprochen werden?