«SN» ohne «Nobi», geht das?

Überall war vom Verlust zu lesen, den die Schweizer Medienlandschaft mit dem frühen Tod Norbert Neiningers erleide. Deutlich grösser und wohl kaum zu füllen ist die Lücke, die er bei den «Schaffhauser Nachrichten» und im Medienhaus Meier + Cie AG hinterlässt.

Norbert Neiniger (1950-2015) war so etwas wie der Lieblingsfeind des Lappi. Zu sagen, er habe die Schaffhauser Medienlandschaft entscheidend geprägt, wäre aber wohl eine Untertreibung: Denn er verkörperte fast alles, was in ihr geschah. Bild : Peter Pfister

Norbert Neininger, der am 30. Mai kurz vor seinem 65. Geburtstag verstorben ist, hat deutliche Spuren in der Schaffhauser Medienlandschaft hinterlassen. Er wurde vor mehr als dreissig Jahren mit dem Aufbau von Radio Munot beauftragt, gab bei den «Schaffhauser Nachrichten» während vieler Jahre den Ton an, versuchte sich immer wieder an Online-Experimenten und kaufte angeschlagene Zeitungen auf.

Öffentlich betonte Neininger mit Nachdruck, wie wichtig unabhängige Medienunternehmen seien – er sah sich als derjenige, welcher die «Schaffhauser Nachrichten» gegen die Übernahmeversuche grösserer Medienhäuser verteidigte. In Schaffhausen hingegen hatte er die Rolle des Monopolisten inne, integrierte ein unabhängiges Medium nach dem anderen in seine Meier + Cie AG. Damit förderte er die Eigentümer- und Meinungsvielfalt eindeutig nicht.

Fast alles eingesammelt

2011 gelangte Neininger an die Verlagsrechte der «Klettgauer Zeitung» aus Hallau, danach löste der Meier-Verlag mit der «Neuhauser Woche» die Vorgängerpublikation «Rheinfall-Woche» ab und anschliessend mit dem «Thaynger Anzeiger» das «Thaynger Heimatblatt». Zuletzt fusionierte er die eben erst übernommene «Klettgauer Zeitung» mit der bis dahin unabhängigen «Schaffhauser Landzeitung » zum «Klettgauer Boten».

Seit diesem Jahr besitzt das Medienhaus Meier + Cie AG, abgesehen von der «schaffhauser az» sowie vom «Bock», von dessen Aktienkapital es 49 Prozent hält, alle Zeitungen im Kanton. Schon lange in der Hand des Verlages ist der «Steiner Anzeiger» und der «Schaffhauser Bauer». Das Schaffhauser Fernsehen, Radio Munot und die «Schaffhauser Mappe» gehören ebenfalls dazu.

Einmalige Machtposition

Norbert Neininger hatte bei Meier + Cie AG eine Machtposition inne, die nun aufgelöst wird: In Zukunft wird es einen Verleger (Stefan Wabel), einen Unternehmensleiter (Stephan Gasser) und einen Chefredaktor geben – Neininger besetzte alle drei Posten. Als Kopf der einzigen Tageszeitung vereinte er nicht nur innerhalb der Region viel Macht auf sich, er war auch in der ganzen Schweiz gut vernetzt, unter anderem als Mitglied im Präsidium des Verbandes Schweizer Medien oder als Vertreter im Stiftungsausschuss des Presserates, der Schlichtungsstelle für Zeitungen. Mit dem Tod Norbert Neiningers verschwindet auch diese Ausnahmestellung in der Schweizer Medienlandschaft.

In Schaffhausen lässt Norbert Neininger ein Medienhaus zurück, das seine Wurzeln tief in Stadt und Land geschlagen hat: Von Dorfvereinen über RegionalpolitikerInnen bis zu den UnternehmerInnen kommt niemand an der Meier + Cie AG mit ihren zahlreichen Printtiteln vorbei. Diese Monopolstellung wurde immer wieder kritisiert, gerade auch vom Lappi und insbesondere aufgrund der Feststellung, dass die «SN» unter Neiningers Führung von einer liberal orientierten Zeitung zum bürgerlichen Meinungsblatt wurde.

Während die «Schaffhauser Nachrichten» als Flaggschiff der Meier + Cie AG unabhängig blieben und auf verhältnismässig sicherem Kurs segelten, war Verleger Norbert Neininger in anderen Bereichen wenig erfolgreich. Im Druckbereich hat die «Meierei» heute nichts mehr zu melden. So wurde Tamedia in die in Schaffhausen ansässige Bogendruckerei eingebunden – in der Folge verlor der Schaffhauser Verlag schrittweise an Einfluss, bis die Druckerei nach Frauenfeld abgezogen und schliesslich eingestellt wurde. Die Zeitungsdruckerei in Herblingen musste ebenfalls dichtmachen, weil die Maschine derart in die Jahre gekommen war, dass auf den Bildern die Augenbrauen schon mal mitten auf die Stirn rutschten.

Gescheiterte Experimente

Zudem verlor die «Meierei» die TV-Konzession, die dem Schaffhauser Fernsehen Bundesgelder in die Kasse spülte, an TeleTop aus Winterthur und blieb im Online-Bereich erfolglos, obwohl sich Norbert Neininger gerne rühmte, der erste
Verleger der Schweiz gewesen zu sein, der einen Online-Auftritt für eine Tageszeitung aufgebaut hatte.

Keinen Erfolg hatte seine Sonntagszeitung, die nur auf dem iPad verfügbar war – angesichts der damals geringen Anzahl iPads im Kanton wenig überraschend. Auch die Bezahlschranke dient den «SN» und «Radio Munot» im Gegensatz zu anderen Medienhäusern nicht als Geschäftsmodell, sondern nur dazu, Zaungästen den Blick auf die Informationen zu verwehren und den Wert der gedruckten Zeitung zu erhalten.

Zuletzt scheiterten die Versuche, die Jugend (Life-Style-Magazin «fashion») und die regionale Wirtschaft (drumschafuuse.ch) mit neuen Produkten anzusprechen. Dafür ist gerade eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung gestartet: Deren Newsletter erscheint neu, ergänzt durch redaktionelle Beiträge, als «SN»-Beilage.

Selbstbewusstsein behalten

Die Meier + Cie AG ist durch und durch auf Zeitungen und Zeitschriften ausgerichtet. Auf gedruckte Produkte, wobei die digitale Welt aussen vor gelassen wird. Unter diesen Voraussetzungen wird es sehr schwierig werden, einen Nachfolger als «SN»-Chefredaktor – wohl keine Frau, angesichts des Impressums – mit zukunftsgerichteten Ideen zu finden.

Immerhin kann auch der künftige Chefredaktor auf die Carl-Oechslin-Stiftung zählen, welche die Mehrheit an der «Meierei» besitzt. Dadurch gewinne die Zeitung «Stabilität und Kontinuität – eine wichtige Konstante nicht zuletzt heute, wo selbst regionale Printmedien zum Spielball blosser ökonomischer Interessen werden können». Diese Passage erschien 2006 zum Tod des Stiftungsmitbegründers und Verleger-Vorgängers Max U. Rapold in den «SN».

Geeignete KandidatInnen für die Nachfolge Norbert Neinigers als Chefredaktor sind jedoch schwer zu finden. Am ehesten entspräche noch Philipp Landmark den Vorgaben: Der jetzige Chefredaktor des «St. Galler Tagblattes» kommt aus Schaffhausen und begann seine Karriere bei den «Schaffhauser Nachrichten». Doch ob Landmark eine Rückkehr in den kleinen Kanton Schaffhausen in Erwägung zieht, ist fraglich.

Sandro Stoll, der zusammen mit Landmark im Jahr 2002 in die Redaktionsleitung wechselte, hat als stellvertretender Chefredaktor theoretisch die besten Aussichten. Auch er ist Schaffhauser, begann seine Karriere bei der «Zürichsee-Zeitung» und ist seit mittlerweile fast 25 Jahren bei den «SN» – daher allerdings nicht gerade ein Kandidat, der frischen Wind verspricht.

Doch den braucht es, den frischen Wind. Die finanzielle Lage der «Meierei» sieht trotz der Monopolstellung alles andere als rosig aus. Der Trend, dass Zeitungen und Zeitschriften deutlich an LeserInnen verlieren, ist auch in Schaffhausen spürbar. Diesem trotzte der «SN»-Verleger mit dem Selbstbewusstsein, das JournalistInnen vor einigen Jahrzehnten noch bilden konnten, als die Auflagen der Printzeitungen stiegen und die Einnahmen sprudelten.

In den vergangenen Jahren und insbesondere nach seinem frühen Tod wurde Norbert Neininger vor allem dafür gelobt, die «Schaffhauser Nachrichten» unabhängig gehalten zu haben. Meier + Cie AG braucht weiterhin eine Leitung mit Selbstbewusstsein, sonst könnte es mit der Unabhängigkeit bald vorbei sein.