Erneutes aus für die Fassbeiz: Dieses Mal lag es an der Art, wie die Pächterin das Lokal geführt hat, und am Laissez-faire der Dachgenossenschaft. Wie kommt das «Fass» wieder auf einen grünen Zweig?
Die tiefe Schramme, die ein Kran im Herbst 2014 in den «Fass»-Schriftzug an der Webergass-Fassade riss, nahm vorweg, was Ende Mai 2015 offiziell wurde: Pächterin Mona Schümperli hat Insolvenz angemeldet. Das neue Fass ist am Ende. Bei näherer Betrachtung offenbart die erneute Schliessung einen Graben zwischen der Beiz und der Dachgenossenschaft, die sich dem Prinzip der Nichteinmischung verschrieben hat. Sie versuchte sich in der Handlungsweise der drei Affen aus dem japanischen Sprichwort: «Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.»
Zum Scheitern verurteilt
Diese Nichteinmischung hat jahrzehntelang gut funktioniert, weil die einzelnen Teile unter der Dachgenossenschaft Selbstläufer waren. Die Fassbeiz war lange ein Wohlfühlort, weil die Leute, die den Karren gezogen hatten, Herzblut und Energie darin investierten. Die Geschäfte liefen aber irgendwann nicht mehr gut. Als die Genossenschaft, welche die Beiz betrieb, schliesslich vor zwei Jahren aufgeben musste, hielt die Dachgenossenschaft an ihrem Credo fest. «Wir sind eine Immobilienverwalterin», liessen sich Exponenten zitieren. So wurde die neu gegründete Fassherz GmbH mit Mona Schümperli als alleinige Inhaberin das neue Gesicht der Beiz. Ein fataler Fehler.
Im Mai 2015 war es soweit. Die Pächterin meldete Insolvenz an und verkündete im letzten Newsletter: «Dafür, dass nach meiner Übernahme der FassBeiz der jährliche Umsatz um 100’000 Franken abgestürzt ist, habe ich recht gut gewirtschaftet, auch im zweiten Jahr.» Wer sich das Verständnis, das diesem Satz zu Grunde liegt, vor Augen führt, fragt sich, ob die Dachgenossenschaft nicht von Anfang an hätte ahnen können, dass das neue Fass von Schümperli zum Scheitern verurteilt war.
Doch nicht nur in wirtschaftlichen Belangen zeigte sie kein glückliches Händchen. Als Grund für ihr Scheitern nennt Schümperli eine «Wolke von Unwohlsein, Boykott, Argwohn und Vorwurf». Dabei ging das Unwohlsein von ihrer Beiz aus. Reihenweise wurden langjährige StammkundInnen durch die unwirsche Art der Wirtin vergrault. Aber nicht nur die Gäste fühlten sich unwohl, auch zwei Mitarbeiterinnen schmissen vor versammelter Gästerunde das Serviertuch hin, weil sie mit der Führung der Beizerin nicht mehr klar kamen.
Diese Entwicklung hat die Dachgenossenschaft mitbekommen. Doch statt entschlossen etwas zu verändern, hat sie Pflästerlipolitik betrieben und wiederholt den Pachtzins reduziert. Man wollte sich halt nicht einmischen. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
Geändert hat sich dies nun, so scheint es, mit der Verjüngung der Dachgenossenschaft. Mona Schümperli kann es denn auch nicht lassen, neben den BeizbesucherInnen auch die Dachgenossenschaft für ihr Scheitern verantwortlich zu machen. Sie schreibt, sie «ziehe die Konsequenzen» aufgrund von «Druck seitens der DG-Mitglieder».
Gefragt ist Lust am Wirten
Die Insolvenzerklärung der FassHerz GmbH ist zwar eine herbe Quittung für die Nichteinmischungs-Strategie der Dachgenossenschaft, sie hat aber nicht nur Nachteile. Auch wenn die Beiz vorübergehend geschlossen bleibt, hat die Dachgenossenschaft die Möglichkeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Und das sollte sie auch. Will die Fassbeiz aus der Abwärtsspirale rauskommen, muss die Dachgenossenschaft über ihre eigene Rolle nachdenken. Zum endgültigen Tod ist das Fass nicht verurteilt, wenn man Altbewährtes – wie genossenschaftliche Strukturen – mit neuem Elan verbinden würde.
Im Dezember 2014 musste gegenüber dem «Fass» ein Patient mit einem Kran aus seiner Wohnung geborgen werden. Beim Abdrehen riss der Kran diese tiefe Scharte in die Fassade – in der Webergasse sah man dies als BÖSES OMEN FÜR DIE FASSBEIZ.
Das Fass braucht vor allem ein Team, das Lust hat, GastgeberIn zu sein, und die Beiz mit Herzlichkeit erneut zu dem Wohlfühlort macht, der es mal war. Die Leute wollen keine ausserordentlich anspruchsvolle Gastronomie. Gutes, einfaches Essen, freundlicher Service und eine gewisse Lockerheit im Umgang mit den Leuten würden genügen.
Die Beiz muss aber mehr sein, als nur ein Ort, an dem man isst und trinkt. Denn die Fassbeiz hat sich durch den Ruf als Treffpunkt für Jung und Alt ausgezeichnet, gerade für ein kulturell interessiertes und linkes Publikum. Dazu gehörten unter anderem auch Konzerte in der Beiz und im Fasskeller.
Diesen Ruf hat die Fassbeiz verloren. Die Dachgenossenschaft muss nun entscheiden, ob sie ihn wiederherstellen will. Und sie sollte sich aus dem Schneckenhaus trauen und ihre Rolle als reine Immobilienverwalterin überdenken. Denn wenn das Fass-Komposit zu einem Kulturzentrum werden soll, wie es bei der Gründung im Jahr 1977 gedacht war, braucht es dafür eine zentrale Leitung und eine Strategie für den ganzen Betrieb.
Unglückliches Intermezzo
Natürlich könnte die Fassbeiz in Zukunft auch wieder als isoliertes Unternehmen geführt werden, auf jeden Fall aber tut die Dachgenossenschaft gut daran, sich bei der Wahl der nächsten PächterInnen Zeit zu lassen, um einen erneuten Fehlgriff zu verhindern.
Die Diskussion über die Zukunft der Fassbeiz auch öffentlich zu führen, tut sowohl der Dachgenossenschaft als auch der Beiz gut. Wenn sich Stammgäste in der Beiz wieder wohlfühlen und sich mit dem Konzept identifizieren, werden sie sie durch regelmässige Besuche und Mund-zu-Mund-Propaganda unterstützen.
Der Flurschaden hält sich in Grenzen, wenn es denn bei diesem unglücklichen Intermezzo bleibt, das immerhin nur zwei Jahre gedauert hat. Immerhin will die Dachgenossenschaft bereits Ende Juli eine Zwischennutzung auf die Beine stellen.