Breunings Blues

Gitarren aus Besenstilen, Zigarrenschachteln und Pfannendeckeln. Und immer der Blues. Zu Besuch bei einem Feld-Wald-Wiesen-Musiker.

Olaf Breuning beim Spielen auf seiner Lieblings-Cigar-Box-Gitarre, einer sogenannten «Low Bow». Bilder: ce.

u Vor der dem Eingang zum Haus Nummer 29 tanzt ein drahtiger Typ in Sneaks, Jeans, Shirt und Fischerhut unter einem Sonnenschirm wie crazy zu Utz-utz-utz, das er seinem eigenen Rechner entlockt. Ein paar Leute bleiben stehen und bewundern diese Erscheinung aus einer Zeit, als Techno noch jung und aufregend war. Es ist Samstag, der 5. September, und die «Neustadt-Gassete» läuft.

Im Entrée der 29 hallen die Beats nach und verstummen vollends nach einer weiteren Tür. Ein neuer Raum tut sich auf, nach links in einen Innenhof, nach oben in ein glasüberdachtes Treppenhaus. Rechts, gleich neben der Tür, gibt’s auf einem Buffet Kaffee und Kuchen. Dahinter spielt ein älterer Mann im Sitzen auf einem gitarrenähnlichen Instrument, das er auf seine Oberschenkel gelegt hat.

Sylvie Okle, die diesen Teil der «Gassete» organisiert hat, erzählt mit angekündigter Übertreibung, sie habe Olaf Breuning quasi aus seiner Wohnung im ersten Stock herunter zerren müssen, damit er seine Werke vorführe. Der Vater des Schaffhauser Künstlers mit gleichem Namen sei eher zurückhaltend, was sein Schaffen angehe.

Wie wenn jemand heiser singen würde

Cigar Box Guitars nennt sich das, was Breuning Senior seit etwas mehr als zwei Jahren selber herstellt und spielt. Als Werkstatt und Proberaum zugleich reicht ihm ein Zimmerchen in der gemeinsamen Wohnung mit seiner Frau Brigitta, grosszügige Fenster auf die Neustadt sorgen für Licht und das tiefe Gebäude vis-à-vis für Aussicht auf die Baumkronen in den Innenhöfen dahinter.

Zwei Wochen nach dem Fest an der Gasse gibt’s Kaffee bei Breunings und der Bastler erzählt in seinem kleinen Reich von seiner ruhigen Leidenschaft: Blues, das sei für ihn dieser Ton, der immer ein bisschen daneben liege, und Töne wie auf einer Cigar Box Guitar könnten mit einer normalen Gitarre gar nicht erzeugt werden. Das Spiel auf diesem Instrument sei, wie wenn jemand heiser singen würde.

Das habe auf ihn, der in den Achtzigern zusammen mit Yvonne Moore, Jogi Brunner, Bernie Ruch, Chrigel Burkhard, Werner Dönni und Jean-Charles Reber bei Blues Finger Mundharmonika und Slide-Gitarre gespielt habe, sofort eine grosse Anziehung ausgeübt. Er sei halt ein Wald-und-Wiesen-Musiker, der sich immer schon für Neues interessiert habe, etwa für die Traditionen der «Weissenborn» und der «Dulcimer» oder für indische Slide-Gitarren-Techniken.

Bauanleitung aus einem Buch

Olaf Breuning weiss nicht mehr genau, wie er dazu gekommen ist – hat er es geschenkt bekommen oder selber gekauft? –, aber das Buch «Cigar Box Guitars» dient ihm als Anleitung zum Bau der Instrumente. Er schlägt es auf, nimmt eine ähnliche Gitarre von der Wand wie jene, die dort auf einer Seite abgebildet ist, und spielt drauf los.

Zwei gekürzte Besenstiele als Hälse, einer unter einer Basssaite, einer unter drei Gitarrensaiten, als Korpus eine schwarze, ehemalige Zigarrenschachtel. Diese Cigar Box Guitar, Bass und Gitarre in einem, nach dem Entwickler John Lowe als «lowe bow» benamst, sei ein Hit unter jungen 1-Mann-Blues-Punk-Bands, erklärt Breuning, und gegenwärtig sein Lieblingsstück.

Als Tonabnehmer dienen ihm alte Fadenspulen, mit feinem Kupferdraht umwickelt und mit Bierdeckeln und Tape abgeklebt. Gekauft habe er nur die Wirbel und die Plug-ins für die beiden Amps.

Andere seiner Cigar Box Gitarren hat Olaf Breu­ning ohne Plug-in gebaut, teilweise mit einem Resonator, einer kreisrunden Erhebung auf dem Gitarrendeckel, der als Verstärker ohne Strom dient. Die Resonatoren baue er üblicherweise aus alten Pfannendeckeln, einer sei aber aus einem umgedrehten Hundenapf gemacht.

Eine alte Welt wieder aufleben lassen

Für den Bau benötige er einen Tag oder zwei, sagt der Cigar-Box-Guitar-Bauer. Wenn etwas Grösseres gesägt werden müsse, dürfe er auch mal Tuggis Werkstatt benutzen, aber das Meiste mache er daheim, ohne zu schleifen. Er könnte schleifen, könnte es perfekt machen, aber er wolle das gar nicht.

Auch ein Verkauf der Gitarren kommt für Olaf Breuning nicht in Frage, obwohl die Cigar-Box-Sache boomt: Die weltweit grösste Community für Cigar-Box-Freaks, die «Cigar Box Nation» (CBN), zählt im Herbst 2015 über 14’000 Mitglieder.

Das Internet bezeichnet Breuning Senior als Segen. Er erzählt von Musikern wie Seasick, Hollow Belly oder Swamp Drain, die er auf Youtube entdeckt habe. Junge Blueser, die mit ihrem Spiel auf der Cigar Box Guitar eine alte Welt wieder aufleben lassen: Blues von der Strasse, erschaffen auf einem Instrument mit drei Saiten, aus nichts als Dingen, die zuhause rumliegen.

Sonntagabend an der Neustadt. Im ersten Stock der Hausnummer 29 spielt einer einen Blues.