Harpers Bazar

Tom Krailings erster Harper-Amp hatte ein schönes Signallämpchen und klang nach Rock’n’Roll. Aber der Weg dahin war lang und steinig.

u Es muss so um 1975 gewesen sein, als ich meine erste elektrische Gitarre bekam. Das Budget war schmal und meine Eltern besorgten die dunkelrote Japan-Kopie einer Gibson SG von Bekannten. Die Anschaffung war eine logische Folge für einen glamrockverseuchten Jüngling, der die knallharte Grundschule auf Nylonsaiten in der Musikschule Moser an der Repfergasse durchlaufen hatte und nun den nächsten Schritt machen wollte, wie Fussballer zu sagen pflegen.

Natürlich träumte ich wie alle anderen auch von einer echten Fender oder Gibson, zeigte mich aber auch mit der Duke zufrieden. Die erste Schikane bahnte sich aber sogleich an: elektrische Gitarre? Super, aber ohne Signalverstärkung geht da nicht viel – es musste Verstärkung her. An einen echten Gitarrenverstärker war aus finanziellen Gründen nicht zu denken, also suchten wir nach Alternativen. Meine Oma (oder war’s mein Vater?) hatte die Idee, den alten Nordmende Radioapparat vom Keller hochzuholen, weil der doch schliesslich einen Lautsprecher habe. Und Röhren dazu, dachte ich mir. Ich beschloss, der Idee eine Chance zu geben.

Harper Amplifier wurde im Jahr 1998 gegründet. Laut der Beschreibung auf der Webseite (harper-amplifier.com) entstand die Idee, Harp Amps zu bauen, «weil sich viele Harper über die lauten Gitarristen beklagten». Der Verstärker diene dazu, «sich in einer Band zu behaupten und nötigenfalls EINEN ZU LAUTEN GITARRISTEN AN DIE WAND ZU BLASEN, ohne dass der Amp zu pfeifen beginnt».

Woher ich das Verbindungskabel hatte, weiss ich beim besten Willen nicht mehr, aber dass der Klinkenstecker nicht in eines der wenigen Löcher des Nordmende passen wollte, schon noch. In der Sek hatten wir einen, der einen Lötkolben zu Hause hatte und sich mit Elektronik einigermassen auszukennen schien. Roland Wehrli vom Rebweg, oder «Gwehrli», wie wir ihn zärtlich nannten. Ich fragte ihn um Rat. «Gwehrli» kam am nächsten Tag wieder mit einer Art Übergangskabel von Jack (Klinke) auf das, was unter Experten «Bananenstecker» genannt wird. Das Teil passte. Und funktionierte. Und da war Sound. Allerdings überhaupt nicht wie bei «Ballroom Blitz», aber was soll’s.

Endlich so etwas wie Rock’n’Roll

Weshalb ich die Geschichte eigentlich erzähle, ist der Tatsache geschuldet, dass ich hier über die tollen Amps von Harper berichten soll, von denen ich zwei verschiedene Exemplare im Proberaum stehen habe. Der Weg dahin war steinig, aber lehrreich. Und ich weiss, dass es vielen jungen Musikern ähnlich ging wie mir. Ach ja, den Nordmende beförderte ich übrigens schon bald wieder in den Keller zurück, weil ich regelmässig und je nach Tageslaune des Geräts unterschiedlich heftig eins gewischt bekam. Eines Tages flog ich beim Einschalten durchs halbe Zimmer und damit hatte sich das Thema Rockstar für mich vorerst erledigt.

Ein Intermezzo auf dem Weg zum ersten richtigen Verstärker war die Scott Stereoanlage, die ich mir aus den Erträgen der Konfirmation anschaffte. Der Klang war zwar immer noch recht unrockig, aber immerhin kriegte ich keins mehr gewischt. Um mich näher an «Ballroom Blitz» zu positionieren, kaufte ich mir vom ersten Honorar als lokaler Zeitungsverträger («Schaffhauser Bock»!) einen Big Muff im nächstgelegenen Musikgeschäft der Gegend. Ich fuhr also mit dem Töff nach Singen am Hohentwiel und zurück und danach war vieles anders: kein harmloses Ricky-King-Geknödel mehr, was da aus den Boxen kam, sondern Verzerrung der anderen Art und vor allem: endlich so etwas wie Rock’n’Roll.

Kurz vor der Matura bekam ich das Angebot, bei einer Band einzusteigen: Bow-Tie Johnny & the Hip Bone Shakers. Wow. Ich sagte sofort zu, obschon sie «Ballroom Blitz» nicht im Repertoire hatten. Und mit der Scott-Anlage konnte ich schlecht einfahren, also machte ich den nächsten Schritt: Ich leistete mir vom Ersparten (ein paar Jahre Bock austragen machten das möglich) eine neue Gitarre und einen Verstärker. Und zwar von der Marke Fender. Beides. Und das kam so: der Pianist der Band, This Fehr, Raucher der Marke Gitanes, hatte einen Ferienjob bei der Marcandella AG an der Säntisstrasse absolviert und kam dadurch in den Genuss eines gigantischen Einkaufsrabatts, gültig auf das gesamte Sortiment.

Nun muss man wissen, dass die Gebrüder Marcandella eine Dekade lang Distributionspartner von Fender für die Schweiz waren. Und so war ich plötzlich stolzer (ich meine: stolz!) Besitzer eines Fender Studio Lead und der ersten Squier Telecaster im ganzen Land. Fachleute wissen, wovon ich spreche: die erste Squier-Serie aus Japan waren echte Schmuckstücke, handwerklich und technisch perfekt verarbeitet, kosteten verhältnismässig wenig Geld und waren den damaligen USA-Fender-Teles in allen Belangen überlegen.

HARPER AMPS kann man antesten im Musikhaus Saitensprung oder direkt bei Marcandella AG in der Grubenstrasse. Die wichtigsten Informationen findet man auf der Webseite.

Fender baute sich vor Jahren ein eigenes Vertriebsnetz in der Schweiz auf. Folglich orientierte sich die Marcandella AG neu und sicherte sich den Vertrieb von G&L-Gitarren (Leo Fenders neue Firma, nachdem er Fender verlassen hatte und mit der er wieder qualitativ gute Instrumente bauen durfte). Die Instrumentenseite war somit abgedeckt. Aber Verstärker? Kurz vor dem Jahrtausendwechsel hatten die Brüder Marcandella die Idee, ihren langjährigen Mitarbeiter und Guru für Fender-Verstärker, Chrigel Burkhard, zu ermutigen, an einer eigenen Serie zu arbeiten: den Harper Amps.

Während die erste Serie noch reine Solid-State-Amps waren, also Transistoren, so waren die kurz darauf gebauten ersten Exemplare der Silvertube-25-Reihe mit Röhren bestückt. Fast schon legendär ist der Silvertube-25 10/12 mit je einem 10”- und 12”-Lautsprecher, der sich somit nicht nur klanglich äusserst flexibel einsetzen liess, sondern mit seiner aufrechten Bauform auf jeder Bühne auch optisch etwas hermachte. So gesehen beispielsweise an den berauschenden Auftritten der Legendary Lightness aus Zürich.

Vom Fleck weg verliebt

Weitere Musiker der ersten Stunde, die über Harper spielten, waren Marco Jencarelli, Philipp Fankhauser, Admiral James T. und meine Wenigkeit. Ich war vom Fleck weg verliebt in den 10/12er und musste einfach einen haben. Auch weil er so ein schönes Signallämpchen hat (Signallämpchenfetisch rules, ok!). Ich habe Chrigel dann auch mit der Idee konfrontiert, einen Fussschalter für den 10/12er zu bauen, der einem erlaubt, während des Gitarrenspiels zwischen den Speakern zu wechseln oder sie in Serie zu schalten. Ein wundervolles Feature. Soweit ich weiss, existieren noch ein paar wenige Exemplare von diesem 10/12er Silvertube-25 und ich kann nur wärmstens empfehlen, sich eines dieser letzten Teile zu angeln.

Seit 2009 gibt es eine neue Silvertube-Serie. Thomas von den Lovebugs war einer ersten, die sich ein Teil dieser Serie schnappte. «Die Kontrolle, wer denn nun einen Harper-Amp besitzt oder spielt, haben wir im Gegensatz zur Anfangszeit nicht mehr so, weil mittlerweile viele Exemplare über die offiziellen Ladentische wandern, während anfangs die Musiker noch persönlich vorbeikamen und nach dem Anspielen gleich einen mitnahmen», sagt Chrigel Burkhard. Es wundert aber nicht besonders, dass man Harper Amps zahlreich in den Probelokalen oder Bühnen einheimischer Künstler stehen sieht, beispielsweise bei Min King.

Kräftiger Röhrensound

Als wir letztes Jahr anlässlich unseres 30. Geburtstags wieder mit The Pride zu arbeiten begannen, haben sich Zahli und ich gleich jeder ein Exemplar aus der aktuellen Silvertube-Serie zugelegt. Zahli einen Pro und ich einen Two. Über den Two schreibt Burkhard: «Der Silvertube Two ist die Head-Version des Silvertube-Pro und bringt mit seinem robusten 6L6GC-Paar einen vollen, kräftigen Röhrensound. Der Sound ist im cleanen Bereich sehr transparent und glockig. Die Bässe sind auch im leiseren Bereich glasklar, schnell und voll. Die Verzerrung setzt weich ein und kann mit dem Anschlag sehr fein kontrolliert werden, Headroom ist reichlich vorhanden.» Klingt nicht übel, würde ich sagen.

Kreise sind da, um sich zu schliessen: in meinem Kellerstudio bin ich vorhin beim Aufräumen meinem alten «Big Muff» über den Weg gelaufen. Er lag in einem Koffer für Zeug. Zeug halt. Aber: Batterie eingelegt, passt!

Die Duke SG gibt es schon lange nicht mehr. Irgendwann fiel sie um und brach sich den Hals. «Gwehrli» versuchte sie zwar noch mit einer Gusseisenprothese zu flicken, aber die Zeit war eindeutig reif fürs Sperrgut.

Den letzten Schlag des Nordmende spüre ich heute noch in den Knochen. Möglicherweise hat er mehr Schäden an mir hinterlassen, als mir lieb ist.

Meine alte Squier Telecaster wurde damals im Jahre 1982 an Marcandella in die Säntisstrasse geliefert. Und jetzt raten Sie mal, wer die Lieferung entgegennahm und sozusagen «mein» Exemplar auspackte und einer Qualitätsprüfung unterzog? Es war niemand anderes als Chrigel Burkhard himself. Schöne Geschichte, was?

Ein Beitrag von Tom Krailing.