Sie huldigen dem Echo

Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo. Echo.

«Wir haben keine Ahnung von Musik: Wir können nicht Noten lesen und halten uns auch nicht an harmonische Tonleitern.»

Ramon, Daisies-Bassist

Es brennt den Saft aus der Zwiebel, dass du denkst: Wer braucht schon eine Saftpresse?, als The Daisies die Bühne betreten. Backofen Herrenacker gewissermassen, 50 Grad, Ober- und Unterhitze. Es ist «Stars in Town», es ist ein Panoptikum der Werbeindustrie, ein glattzüngiges Buhlen um den Pöbel, der sagt: Ich habe bezahlt, und jetzt will ich Unterhaltung.

Die Stars des Abends werden Pegasus sein, die Berner Berufsmuntermacher, und The Daisies eröffnen das Programm. Bisher spielten sie nur in dunklen, rauchverhangenen Kellern, wo die Kotze vom letzten Wochenende bereits in den Tresen eingewachsen war. Sie sind grausam nervös, als sie in die Sonne blinzeln.

«Jerry [der Sänger], der singt nicht gern so viel. Und normale Lovesongs sind ihm sowieso zu schnulzig. Aber: Er ist ein Poet.»

Tiena, Daisies-Gitarrist

Dann legen sie los, das Echo hallt von den Wänden, das Echoecho gesellt sich dazu, und dann taucht das Echoechoecho auf, und so weiter und so fort, bis du merkst: Du bist gefangen, umzingelt von einer verdammten Mauer, dick und schwer, aber fein gewoben, persischer Teppich nichts dagegen. Du bist eingeschlossen in einen Wall of Sound, dass es einem die Ohren langzieht – und dass Musikproduzent Phil Spector, der Maestro des instrumentalen Verdichtens, wohl seine wahre Freude daran hätte. Spector hatte nämlich zu fragen gepflegt: «Zu viel Echo? Was soll das bedeuten?» Natürlich war das rhetorisch gemeint, es konnte gar nie genug von diesem fucking echo geben, versteht sich.

Demnächst VERÖFFENTLICHEN THE DAISIES DREI NEUE SONGS: «Fever Dreaming» (Genre: heisser Traum, tanzbar), «Hubble Deepfield» (verkappter Lovesong, rockig) und «Moon» (Ich-kann-nicht-schlafen-und-sinniere-über-das-Leben, sanft). Einfach die Facebookseite der Daisies prüfen, die Lieder können dort heruntergeladen werden – für lau. Bilder: Stefan Kiss

Und genauso von diesem fucking echo angetan sind The Daisies, vier Schaffhauser Jungs Anfang 20: Jerry Philipp (Gesang, Gitarre), Tiena Danner (Gitarre), Oliver Auer (Drums), Ramon Rohner (Bass), die sich diesem dichten Soundgemenge verschrieben haben. Funkelnder Shoegaze mit schwarzen Wogen des New Wave am Horizont hiesse wohl das Genre. Die Foals sind ihre grössten Helden, und das versuchen sie gar nicht erst zu verbergen.

«Beim Bier gibt es bei mir die magische 3-Liter-Grenze, und bis dahin geht es ganz gut. Aber darüber kann ich nicht mehr spielen.»

Oliver, Daisies-Drummer

Jetzt könnte man natürlich argumentieren. Von wegen: Der Zug ist längst abgefahren, dieser Retro-Sound geisterte bereits durch die Nullerjahre, ja was glaubst du, Hype bliebe nur ein Hilfsausdruck.

Sind The Daisies, immerhin erst 2011 gegründet, also bloss eine moderne Kopie einer Kopie? Ja, sind sie zweifellos, aber eben eine innovative. Denn die vier Jungs führen das Erbe des Klangwalls weiter und huldigen dem Echo, indem sie es verzerren, zerreissen und mit reichlich Sternenleim wieder zusammenpappen, sodass ein dickflüssiger, kosmonautischer Musikbrei entsteht, dessen sphärische Schönheit – es klingt paradox – aus seiner Monotonie entspringt.

Es ist eine fragile Eintönigkeit, die hypnotisierend sein kann, gerade auf den neueren Liedern (siehe Kasten). Früher, auf ihrer EP «Space Sickness» (2013), da war sie manchmal fast zu prominent, diese breiartige Monotonie, da gingen die fein orchestrierten Gitarrenmelodien etwas unter. In dieser Hinsicht haben sich die Daisies hervorragend weiterentwickelt, praktisch gelungenes Überholmanöver.

«Hater gibt’s immer. Doch unsere Musik ist in erster Linie für uns – und nicht für die anderen.»

Ramon, Daisies-Bassist

Aber interessant. Wie The Daisies also am «Stars in Town» spielen, merkst du: Da fehlt ein Dach, welches das Echoechoecho gefangen hält. Denn nachdem er einige Zeit um die Köpfe der Zuschauer gewabert ist, entschwindet der kosmonautische Brei nach oben. Und so stark Tiena, Jerry, Oliver und Ramon auch harmonieren, so gut sie mit ihren Röhrenjeans, zerfledderten Turnschuhen und wuscheligen Haaren auf die Bühne passen und so tief ihre Klänge bis in die hintersten Ecken des Herrenackers dringen: Die Welt ihrer Musik ist das nicht unbedingt.

Sie passt besser in einen rauchverhangenen, dunklen Keller, wo die Kotze vom letzten Wochenende bereits in den Tresen eingewachsen ist. Wo man nicht hingeht, um unterhalten zu werden, sondern um Musik zu hören. Und dafür sind die Daisies die Richtigen.