Im Exzess

Auslese

Dekadenz und Saufen in der Post-Apartheid-Ära.

«Ich, Kimathi Fezile Tito, erkläre hiermit feierlich, dass ich ein Soldat der Südafrikanischen Revolution bin. Als Freiwilliger habe ich mich dem Kampf für Gerechtigkeit verpflichtet. Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben für Leben.»

«Way Back Home» ist das radikalste Buch der Gegensätze, das man zurzeit wohl lesen kann. Doch der Reihe nach. Kimathi Felize Tito, Protagonist des Romans, ist ein südafrikanischer Geschäftsmann, der sein Leben im Luxus zu geniessen scheint. Längst vorbei sind die Jahre im angolanischen Exil, wo ihn der Kampf gegen die Apartheid mit seinen Genossen einte und ihn zum Helden machte.

Zurück in Johannesburg, in der Heimat, scheinen Kimathi und seine Freunde ihre Ziele erreicht zu haben: aussichtsvolle Karrieren, viel Geld und politische Mitspracherechte. Doch jede Münze hat eine Kehrseite.

JASMINA LICINA studiert Englisch und Medienwissenschaften in Basel.

Und die Fassade beginnt langsam abzublättern: Kimathi hat eine kräftezehrende Scheidung und den Sorgerechtsverlust seiner Tochter hinter sich. Zusehend erstickt er seine Kummerflamme im exzessiven Saufen und in einer zwanghaften Spiel- und Tablettensucht.

Langsam aber sicher scheint ihn seine Vergangenheit einzuholen, Grauenhaftes aus seiner Soldatenzeit, und durch die bröckelnde Fassade rinnen Alpträume, Halluzinationen, dunkle Visionen. Die Grenze zwischen Realität und Illusion verschwimmt, als die rätselhafte Frau Senami zunehmend Macht über sein Leben erlangt. Schliesslich sieht Kimathi keinen anderen Ausweg, als in seine Vergangenheit zurückzureisen.

Niq Mhlongo: WAY BACK HOME, das Wunderhorn, 2015.

«Way Back Home» kontrastiert Gegensätze: Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Moderne, Korruption und Rechtschaffenheit, Apartheid- und Post-Apartheid-Ära, Reichtum und Armut, die Lebenden und die Toten, Schwarz und Weiss. So findet sich Kimathi offenbar vor schwierigen Entscheidungen mit einer dichotomen Palette an Auswahl wieder: Direkte Konfrontation mit seinem Ballast oder Schmerzunterdrückung im Exzess? Soll er sich von einem Psychiater helfen lassen, oder auf traditionelle Südafrikanische Heilungsmethoden vertrauen? Zurück in die Vergangenheit blicken oder doch lieber in die Zukunft? Bedingt das Eine gar das Andere?

Dem in 1973 in Soweto, Südafrika, geborenen Autor Niq Mhlongo liegt es am Herzen, die Vergangenheit Südafrikas zu reflektieren: den Kampf gegen das Apartheid-System und die Flucht der damaligen Rebellenelite in Überfluss und Dekadenz.

Stets ein wichtiger Bestandteil seiner Bücher: der Exzess, genauer: das Saufen. Wie kommt das? Zum Schreiben setzt sich Mhlongo am liebsten in ein Pub – dort würden seine Ideen am besten gedeihen, wie er kürzlich an einer Lesung in Basel sagte. Warum? «Betrunkene Leute reden für gewöhnlich viel. Sie verlieben sich und sie trennen sich im Pub. Sie reden über Politik, sie streiten und sie versöhnen sich.»

Damit kommen wir der Omnipräsenz des Alkohols in fast all seinen Werken langsam auf die Spur. Mhlongo leugnet nicht, dass in Südafrika viel Rachenputzer gekippt werden – oft um zu vergessen. «Die Leute versuchen, ihren Schmerz zu ertränken», meint Mhlongo.

So sucht auch unser Protagonist Kimathi einen Ausweg im Exzess, im Saufen, um seine dunkle Vergangenheit zu bewältigen. Doch genau dadurch gelingt es dem Autor Mhlongo, der Geschichte Südafrikas den Spiegel vorzuhalten.